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Freitag, 30. Juli 2010

Burnout

Aaron hat die Intensivtherapie überstanden – und ich bin krank. Ich fühl mich erschlagen, windelweich geprügelt, plattgequetscht; Jeder Knochen, jeder Muskel tut weh, obwohl ich nur wenig Fieber habe, kein Halsweh, kein Husten, auch sonst nichts Besonderes, einfach nur krank.

Aaron war wiedermal sehr tapfer gestern, und toll war auch, dass wir früher dran kamen als ausgemacht. Zuerst hat Aaron schon gezögert an der Tür zum Zimmer, vielleicht hatte er gedacht, wir müssten nur in die Tagesklinik, weil ich ihm sagte, wir dürfen am Nachmittag wieder heim. „Oh nein!“ rief er ziemlich theatralisch, „nicht ins Zimmer!“ Angesichts der Tatsache, was er in so einem Zimmer alles schon mitgemacht hatte, verständlich. Es war sogar dasselbe Zimmer in dem wir nach der Intensivstation so lange waren. Das erste Zimmer = das letzte Zimmer, so schließt sich der Kreis. Auch das Sich-ins-Bett-legen, nackig ausziehen, Operationshemdchen anziehen müssen, war nicht ganz angenehm für ihn, aber er hat’s tapfer über sich ergehen lassen. Nicht einmal als er mit dem Bett durch die Gänge und in den Lift geschoben wurde bekam er Angst. Die Narkose selbst erschreckte ihn schon wieder. Man sieht ihm an, dass er angespannt wartet, wenn die weiße Spritze kommt (Propofol), und wenn er dann 1 Sekunde später die Wirkung spürt, dann zuckt er erschrocken zusammen.

Der Arzt sagte, es würde circa eine halbe Stunde dauern, im Geiste merkte ich mir zwar eh gleich lieber eine Dreiviertelstunde vor, aber es half nichts, kaum war die halbe Stunde um, begann ich unruhig zu werden. So sehr ich mir im Geiste vorsagte, dass es normal sei, wenn’s ein bisschen länger dauert, die Erinnerung an damals, wo aus einer „halben Stunde“ Wochen wurden, ist noch zu frisch um einfach ausgeschaltet zu werden, und nach 45 Minuten war ich dann wirklich schon ziemlich fertig mit den Nerven. Nach einer knappen Stunde wurden wir gerufen, alles war glatt gegangen, keine Komplikationen. Und als die Schwester auch noch sagte: „Na das ging ja flott“, da fühlte ich mich natürlich wieder ziemlich dämlich. Sie war ja aber auch in der Zwischenzeit mit anderen Kindern beschäftigt gewesen und hatte keine Zeit gehabt, auf die Uhr zu schauen.

Ich hatte Aaron darauf vorbereitet, dass er beim Aufwachen an einer Hand einen Venflon haben würde. Allerdings hatte er ihn in der Armbeuge, und das „Schwanzerl“ mit dem Dreiweg-Hahn war nicht unter dem Verband versteckt. Damisch wie er noch von der Narkose war, wollte er sich das am liebsten gleich herausreißen. Obwohl er sehr müde war (Ich hatte ihn um ½ 7h früh aus dem Bett geholt und direkt ins Rettungsauto getragen) dauerte es deshalb relativ lange, bis er sich so weit beruhigt hatte, um einschlafen zu können. Dann hat er allerdings gut und lange geschlafen. Danach war ihm kurz schlecht (was er zuerst nicht zugeben wollte), aber nachdem ihm die Schwester das Zofran gespritzt hatte, ging’s ihm gleich besser, und bald sauste er wieder in den Gängen herum, während wir auf die Rettung warteten (endlos, wie mir schien, denn ich hatte da bereits Fieber). Am Schluss verabschiedeten wir uns noch von allen und Aaron durfte sein Türschild mit nach Hause nehmen, denn das war (hoffentlich) sein letzter Aufenthalt auf der 2B. Er war deswegen total aus dem Häuschen und schon auf der Fahrt unterhielt er den Fahrer lautstarkt, so als hätte er narrische Schwammerln gegessen. Daheim war er gar nicht mehr zu halten, sauste durch’s Haus und quietschte vor Vergnügen.

Jetzt hoffe ich nur, dass ich bald wieder fit bin, denn krank sein, kann ich euch nur sagen, ist ECHT NERVIG!

Montag, 26. Juli 2010

ZVK-Fotos

Vergangene Woche bekam Aaron wieder Montag bis Donnerstag seine Zytostatika-Spritzen. Heute war der EOP bei uns, und dann am Nachmittag erfuhr ich telefonisch den Termin für die ZVK-Entfernung: Diese Woche Donnerstag, in drei Tagen schon!

Hier also die letzten ZVK-Fotos:





Und als Draufgabe noch ein Garten-Foto:


Schon nächste Woche wird er pritscheln können, ohne dass wir erst umständlich seine "Bommel" einpacken müssen! Und wieder richtig schwimmen! Auch die Großen werden sich freuen, weil ich dann endlich wieder mehr Wasser in den Pool einlassen kann. Bisher hab ich nur so wenig eingefüllt, dass es Aaron nur bis zum Bauch reicht, damit er auch ein bisschen drin rumhüpfen kann.

Auf den Fotos kaum zu sehen ist Aarons wunderhübsche Kurzhaarfrisur, auf die er schon so stolz war - zumindest seit wir einmal einen Rettungsfahrer hatten, der sich seine blonden Haare absichtlich fast ebenso kurz geschoren hatte. Leider sind ihm durch die Kopfbestrahlungen die geliebten Haare abermals ausgefallen. Aber wenigstens sind ihm Wimpern und Augenbrauen diesmal geblieben. Gemeinsam mit der wiedererlangten gesunden Gesichtsfarbe, schaut er jetzt wirklich wieder gesund aus. Außer dem erneuten Haarausfall kann ich allerdings keine Nebenwirkungen der Therapie feststellen. Ja, ein paar mal hat er am Nachmittag freiwillig ein Nickerchen gemacht, aber von wirklich auffälliger Müdigkeit, konnte man bisher eigentlich (noch) nicht sprechen. Bis zum Kindergartenstart im Herbst werden schon wieder Haare nachgewachsen sein, und auch wenn sie noch spärlich sein sollten, hoffe ich, dass die Bemühungen der Kindergärtnerin insofern Früchte tragen werden, dass er trotzdem nicht ausgelacht werden wird.

Aber bevor wir an den Kindergarten denken, wollen wir jetzt erst einmal die Ferien genießen! Miriam ist seit heute auf ihrem Geschwister-Camp in den Tiroler Bergen. Ich hoffe, sie fühlt sich wohl dort, und dass sie auch wieder Kraft tanken kann. Nachdem Markus die Gelegenheit zu einer mehrtägigen Radtour und Besuch bei seinen Eltern nützt, bin ich diese Woche mit meinen beiden Söhnen allein im Haus. Das ist eigentlich ganz angenehm. Es wird nicht gestritten und Simon kümmert sich lieb um seinen kleinen Bruder. Bei Miriams und Papas Abschied war Aaron allerdings gar nicht gut drauf. Anstatt eines Abschiedskusses hat er ihr das Gesicht zerkratzt, was sie ihm momentan schon übel nahm. Ich denke, es ist für ihn halt schwer, dass immer die anderen weg fahren, und er daheim bleiben muss. Er hat Miriam sehr vermisst, während sie auf Jungschar-Lager war.

Vielleicht fahre ich schon kommende Woche mit den Kindern nach Kirchberg. Kommt darauf an, wie Aarons Blutwerte sind und was er für Termine hat. Auf jeden Fall machen wir (Markus, Miriam, Aaron und ich) eine Woche Urlaub am Wörtersee (gesponsert von der Kinderkrebshilfe) während Simon auf seinem Geschwistercamp ist, das ist in der letzten Augustwoche. Ich freu mich schon sehr darauf. Hoffentlich haben wir dann auch Badewetter!

Sonntag, 18. Juli 2010

Ende der Strahlentherapie

2010_07_16

Die Strahlentherapie ist abgeschlossen. Aaron hatte bis jetzt keine Nebenwirkungen, kein Kopfweh, recht stabile Blutwerte, keine Müdigkeit. Gestern waren wir das letzte Mal im AKH, heute war der EOP bei uns. Aarons Leukos sind wieder auf 1900 gesunken, sie waren schon bei 3800. Solang sie nicht unter 1000 gehen, ist’s aber nicht riskant.

Während der Strahlentherapie war Aaron wie erwartet super-mutig und hat nach dem schwierigen ersten Mal nie wieder irgendwelche Probleme gemacht. Die zuständige Schwester hielt immer eine süße Überraschung für ihn bereit (die sie wohl aus ihrer eigenen Tasche finanzierte), und war auch sonst total lieb. Ich bin heilfroh, dass wir die Prozedur ohne Narkose hinter uns gebracht haben, erstens wäre die körperliche Belastung ungleich höher gewesen, zweitens der zeitliche Aufwand (Wenn wir nicht auch noch ins St. Anna mussten, waren wir manchmal innerhalb von 2 Stunden wieder zu Hause.), und drittens hat Aaron begonnen, sich gegen die Narkosen zu wehren. Vorletztes Mal wollte er sich nicht und nicht hinlegen lassen, obwohl er schon seinen Kopf nicht mehr halten konnte, wehrte sich richtig gegen das Einschlafen, und bei der letzten Lumbalpunktion wollte er gleich nach dem Aufwachen sofort aufkrabbeln, obwohl er noch ganz damisch war. An jenem Tag (letzten Dienstag) gab es leider auch eine Panne. Die Schwester vergaß, Aaron das Zofran zu spritzen, das er standardmäßig bei jeder Chemo-Spritze ins Rückenmark bekam. Nach der Punktion waren wir noch im AKH bei der Bestrahlung, und beim Heimfahren im Rettungswagen, wurde Aaron dann so schlecht, dass er sich mehrmals übergeben musste. Er tat mir so leid, und ehrlich gesagt war ich ziemlich sauer, weil das vermeidbar gewesen wäre. Das Kind hat im Laufe dieser Therapie so viel Erbrechen aushalten müssen, wenn’s nicht sein muss, dann brauchen wir das wirklich jetzt nicht mehr.

Soweit ich weiß, sind die Punktionen damit abgeschlossen. Nun braucht er nur noch einmal Narkose, zum Entfernen des ZVK. Darauf freut er sich aber schon, denn bei den sommerlichen Temperaturen, passiert es uns immer wieder, dass das Katheder-Pflaster nass wird und vorzeitig gewechselt werden muss.

Gestern hatte Miriam endlich wieder die Möglichkeit eine Freundin zu uns nach Hause einzuladen. Aarons Taufpatin kam mit ihrer Tochter, die fast so alt ist wie Miriam. Die Mädels haben sich so gut verstanden, Miriam war richtig glücklich. Am Abend projizierte ich ihnen einen DVD-Film auf die Leinwand, und anschließend übernachteten die Mädchen trotz Gewitterregen im Zelt im Garten. Auch Aaron war über den Besuch hocherfreut. Endlich zeichnet sich ein Ende der Isolation ab.
Gerade jetzt, während ich diese Zeilen schrieb, hat Aaron seine Krankenhaus-Utensilien (Infusionsschläuche, Chemo-spritzen, etc.) ausgepackt und mich „behandelt“. Kaum baumelte der Infusionsschlauch von meinem Arm, während ich hier auf dem Laptop tippte, mit der Chemo-Infusionsspritze am anderen Ende, fühlte sich das verdammt echt an. Genauso habe ich schon oft junge Leute im St. Anna sitzen sehen, die am Laptop irgendwelche Schularbeiten machten, während die Chemo in ihren Arm rann. Am liebsten hätte ich mir den Schlauch wieder heruntergerissen und „NEIN, ich will das nicht!“ gebrüllt, so sehr konnte ich mich plötzlich einfühlen. Tapferer kleiner Mann, wirlich.