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Mittwoch, 30. März 2011

Tag 9 - Skype und Super Mario

Hi, heute stelle ich mal mit den positiven Nachrichten in die Überschrift, auch wenn der Tag wieder nicht so schön begonnen hat. Die Schmerzen im Hals, sowie im Bauch werden schlimmer, dazu kommen bereits großflöchig geschädigte Hautpartien (Po, Achseln, aber auch Nase und rund um die Augen) die natürlich auch schmerzen. Morphium wieder leicht erhöht. Heute früh hatte Aaron nur 6ooo Thrombos, überall am Körper kleine blaue Tüpfchen (Petechien, heißen die, Glaube ich) die Kathederwunde blutet täglich leicht nach, das Verbandwechseln wird immer mehr zur Tortur. Durch die Schmerzen vor allem am Vormittag gestaltet sich die Körperpflege als schwierig. Inclusive Verbandswechsel dauert die Prozedur nun immer bis zu Mittag, danach ist Aaron total geschafft. Am Nachmittag ist es ihm aber wieder viel viel besser gegangen. Nach Erhöhung der Schmerz-Medikation blüte er langsam wieder auf. Innsbrucker Opa ist fierte heute seinen 80 Geburtstag. Zu diesem Anlass haben wir es geschafft, auch die Großelten aus dem fernen Tirol an den Computer zu bekommen. Aaron freute sich über den virtuellen Besuch. Ansonsten hat wie auch in den letzten Tagen Dick und Doof geschaut, Super Mario gespielt, und, weil er bei Dick und Doof einen neuen Hut entdeckt hat, den wir sofort auch hätten kaufen sollen, hab ich den dann noch mit ihm gebastelt. Der ist richtig gut geworden. Heute ist es mir schon zu spät, ich will hier raus. Morgen gibt's hoffentlich Fotos vom neuen Hut.

Noch was: Ich fühl mich ziemlich verlassen hier! Keine Kommentare, keine Mails! Wo seid ihr, meine Freunde und Leser? Schreibt mir doch mal wieder.
;-)

Dienstag, 29. März 2011

Tag 8 - Schmerzen

Heute war kein so schöner Tag.
Ich war um 7h früh bei Aaron. Er schlief noch, also setzte ich mich zu ihm in den Vorraum und frühstückte. Um 9h schleuste ich mich ein und öffnete die Jalousien, um den Sonnenschein hereinzulassen. Ich streichelte Aaron, damit er wusste, dass ich da war. Als ich ihn anredete, schüttelte er leicht den Kopf. Er wollte nicht aufwachen. Wahrscheinlich spürte er die Schmerzen kommen. Da flüchtet er sich gern in den Schlaf. Er schlummerte relativ friedlich weiter, an meine Hand gekuschelt, bis ich kurz nach 9h eine Guten-Morgen-Lieder-DVD einlegte. Da wachte er sanft auf.

Aber bald begannen die Schmerzen. Bauch. Hals. Man gab ihm einen Bolus und der Arzt kam, sich den Bauch ansehen und abhorchen und ordnete Buscopan an, das gegen Bauchkrämpfe wirkt. Allerdings trat die erwünschte Wirkung nicht so ganz ein. Aarons Bauschmerzen sind ziemlich anfallsartig. Den nächsten schweren Schmerz-Anfall hatte er, als er zum Duschen bereits von der Infusion abgehängt worden war und bei mir am Schoß saß, während die Schwester das Bett frisch machte.

Aus dem Duschen wurde dann nichts. Er erholte sich nicht von seinen Bauchschmerzen, sodass er gar nicht aufstehen wollte. Also legten wir ihn vorsichtig wieder ins Bett (man muss ihn sooo vorsichtig angreifen, wenn er weh hat, es gelingt mir fast nie, ihm nicht noch mehr weh zu tun, und dann schreit er immer: "AU, Mama! Warum machst du das?!") und die Schwester wusch ihn nur schnell mit Waschlappen, damit er möglichst schnell wieder an die Infusion käme.

Die OÄ war da und ordnete eine Erhöhung des Morphiums an, und dass er auch noch Perfalgan gegen die Schmerzen haben könne. Ich war froh drum, denn wenn er so leidet, das ist gar nicht gut. Da ist er dann auch psychisch total am Sand. Allerdings dauerte es mir dann noch viel zu lange, bis er die Schmerzmittel wirklich bekam. Anstatt ihn sofort anzuhängen, machte die Schwester (sie ist neu hier) zuerst die ganze Pflege fertig. Danach wurde sie zur Visite gerufen, und als ich schaute, es war Mittag, lief das Morphium immer noch auf 1,2ml. Und Aaron litt immer noch. Da hab ich dann sofort geklingelt und eine andere Schwester hat es ihm gleich (endlich) höher gedreht.

Eine halbe Stunde später ging es Aaron besser. Dann kam die Musiktherapeutin und danach die Psychologin, die mit Aaron einen Kalender bastelte, so ähnlich wie ein Adventkalender, der Aaron zeigen soll, wie lange er noch hier bleiben muss. So ganz genau weiß man es nicht, aber er hat zumindest einen Anhaltspunkt.

Gegessen hat er nur wenige Löffel Kartoffelpürree. Die Schmerzen beim Schlucken sind einfach zu groß; getrunken leider auch viel zu wenig, was für den Darm ja nicht gut ist. Die Haut ist noch nicht so schlimm. Nur im Windelbereich ist sie ganz violett und unter den Achseln gerötet, aber die Haare gehen seit heute wieder aus. Ist ja eh ein Wunder, dass er noch welche hat nach den beiden Blöcken, die er auf der 2B bekommen hat. Aber sie haben danach ja gleich wieder zu wachsen begonnen.

Am Nachmittag war Markus bei Aaron, da hat er ganz viel Dick und Doof geschaut, die hat er sich von zu Hause bestellt. Ich hatte Simon und Miriam gebeten, sich via Skype bei Aaron zu melden, aber sie haben bis zum Abend nicht angerufen. Vor dem Schlafengehen videophonierten sie dann noch mit Aaron, der aber fast nur mit traurig-müde gesenktem Blick dasaß.

Heute hat Aaron wieder die selbe Nachtschwester wie gestern, und Aaron ist darüber nicht erfeut. Irgendwie ist sie nicht so sein Typ, oder vielleicht kennt er sie noch nicht gut genug. Auf jeden Fall war sie auch nicht recht erfreut, als er sagte: "Ich will aber die Schwester nicht!" Da gehört halt auch viel Professionalität dazu, dass man das nicht persönlich nimmt.

Es gibt eine Schwester, die Aaron zu Beginn öfter betreut hat, und von der er sich jetzt nicht mal mehr anreden lassen mag. Dabei war sie total lieb mit ihm in der Nacht mit der Venflon-Stecherei. Da habe ich sie auch wirklich schätzen gelernt, weil sie von einer anderen Schwester Hilfe angenommen hat, als kein Blut mehr aus dem Venflon kam. Es ging dann leider auch mit der zweiten Schwester nicht, aber das ist es nicht, was ich hier sagen will. Sie hat sich helfen lassen, hat ihr eigenes Ego zurückgestellt zum Wohl des Kindes. Das hat mir sehr imponiert. Auch ihre Reaktion, als ich ihr sagte, dass Aaron nicht will, dass sie ihn anredet, war sehr professionell. Sie schien gar nicht irgendwie beleidigt zu sein. Hut ab! und Danke!

Tag 7 - Halsschmerzen

Gestern (Tag 7) waren die Halsschmerzen plötzlich so stark, dass Aaron einfach nichts mehr schlucken konnte. Am Morgen hat er noch 90 ml Milch getrunken, aber danach ging nichts mehr. Nach einem Bolus des Morphiums (ein Bolus ist eine kurzfristige Erhöhung der Dosis) aß er etwa 3 Löffelchen, und nach einem weiteren Schmerzmittel nochmal etwa 5 Löffelchen, nicht gerade überragend. Natürlich wurde uns gesagt, dass die Kinder hier meist einige Wochen lang nichts essen können, aber wir hoffen ja immer noch, das so lang wie möglich hinauszögern zu können. Das ist auch gut, denn je später diese Beschwerden beginnen, desto weniger schlimm werden sie, einfach weil es dann weniger lang dauert, bis die Zellen kommen und alles wieder gut machen. Die OÄ sagte gestern, nachdem er so viele gute Zellen bekommen hat (Die Konserve enthielt viel mehr als er gebraucht hätte.), hoffen sie, dass die Zellen eher früher (also bald?) wieder kommen. Infektion bis jetzt auch noch keine, vielleicht schaffen wir es ja doch ohne ...

Sonntag, 27. März 2011

Tag 6 - immer noch gut!

Liebe Freunde,
unserem tapferen Aaron geht es immer noch ganz erstaunlich gut.

Gestern war er wegen starken Nasenblutens recht verzweifelt. Er hatte zu wenige Thrombos, und da ist seine Reaktion eben Nasenbluten. Nach "Auffüllen" der Thrombos (er bekam sowohl gestern als auch heute ein Konzentrat) heute kein Nasenbluten mehr. Die Katheder-Wunde hat in den letzten Tagen immer noch ein wenig nachgeblutet, was bei den wenigen Thromozyten allerdings nicht verwunderlich ist. Lästig ist nur das häufige Verbandswechseln. Vielleicht kommen morgen aber schon die Nähte raus, dann ist der Pflasterwechsel auch gleich wieder unproblematischer, denn die Krusten kleben ja vor allem auf den Fäden, weniger auf der Haut selbst.

Starke Bauchschmerzen nur in Zusammenhang mit Stuhlgang. Allerdings sind wir dankbar, dass dieser überhaupt noch funktioniert, denn es ist nicht ungewöhnlich, dass der Darm nach dieser Therapie (und und auch durch das Morphium) so träge wird, dass gar keine normalen Darmbewegungen mehr vorhanden sind und die Darmtätigkeit also zum Erliegen kommt. Aaron hat zwar fast sehr wenig Appetit, isst aber trotzem immer wieder ein paar Bissen, oder trinkt eine kleine Menge, was dem Verdauungstrackt sicherlich gut tut. Heute hat er den Papa via Skype einen Apfel essen sehen und gesagt: "Wenn ich wieder zu Hause bin, darf ich aber auch einen Apfel essn!" Darauf hab ich natürlich sogleich geantwortet, dass er auch jetzt sofort Apfel essen dürfe, und dass ich ihm gern einen Schälen würde. Er stimmte zu und sagte euphorisch: "Und wenn ich wieder gesund bin, dann darf ich auch wieder Apfel MIT Schale essen!" Er aß dann 3/4 vom geschälten Apfel, und hätte ihn wahrscheinlich ganz aufgegessen, wenn ich das letzte Viertel nicht bereits beim Herrichten selbst verdrückt hätte.

Nachdem ich am Freitag endlich eine zweite Webcam gekauft hatte, montierten wir diese auf den geborgten Laptop im Ronals McDonald Haus, sodass Aaron jetzt vom Besuch seiner Geschwister auch etwas hat. Er hat sich total gefreut. Gestern kitzelte er Miriam am Computer, und die kugelte hier am Bett herum und lachte. Miriam lacht überhaupt viel, wenn sie bei mir ist. Sie ist dann richtig glücklich. Also durfte sie gleich das ganze Wochenende hier bleiben. Am Freitag kaufte ich ihr neue Schuhe, sogenannte "Shape-Ups". Die haben eine weiche, gerundete Sohle und sollen den ganzen Körper trainieren. Sie waren in Aktion, und Miriam wollte sie gar nicht mehr ausziehen, als sie sie probierte, weil sie so bequem sind, und das neue Geh-Gefühl veranlasste sie zu Freudensprüngen. Da hab ich natürlich gern zugeschlagen. Am Samstag kam Simon vom Schikurs zurück und ich war mit beiden bei e-motion, und am Sonntag Vormittag haben wir es uns noch einmal einfach im Zimmer gemütlich gemacht, ein bisschen gespielt, getratscht, gemampft.

Es ist für Aaron und mich jetzt auf der Station ein gewisser Alltag eingekehrt. Er braucht mich dringend gleich in der Früh, wenn er aufwacht. Da ich unterm Dachflächenfenster liege und bei Tagesanbruch aufwache, er aber jetzt meist recht gut schläft, bin ich meist schon drüben, bevor er aufwacht, dann muss er mich nicht erst anrufen und auf mich warten. Wenn Aaron noch schläft, wenn ich hinkomme, mach ich mir einen Tee und ev. auch Frühstück und setz mich zu ihm in den Vorraum, oder ich frühst+cke, während er später in der Dusche ist. Danach ist es ihm kein großes Problem, wenn mich Markus ablöst, entweder (wie z.B. heute) gleich am Vormittag, oder einige Stunden am Nachmittag. Der ganze Tag ohne Mama, das wäre ihm derzeit zu viel. Außerdem teilen sich die Schwestern die unangenehmen Dinge wie Pflasterwechsel dann ein, wenn die Mama da ist. Und am Abend braucht er mich auch wieder ganz dringend. Meist isst er dann auch noch eine Kleinigkeit, spielt mit mir noch Super-Mario auf der Wii und ich muss ihm noch Bücher vorlesen, und schließlich, wenn wir fertig sind mit essen, Zähne putzen, Ampho-Mund-pinseln, Blutdruck und Themperatur messen, EKG und Sättigungskabel möglichst so montieren, dass sichts drückt, dann wird das Licht abgedreht und ich muss ihm noch Schlaflieder vorsingen und bei ihm bleiben bis er eingeschlafen ist. Vor 22h bin ich bis jetzt noch nie rausgekommen, aber heute trotz Sommerzeit-Umstellung immer hin schon um 3/4 10, also eigentlich mehr als eine Stunde früher.

Donnerstag, 24. März 2011

Tag 3 - ein guter Tag

Heute ist es Aaron wirklich gut gegangen.

(Vielleicht sollte ich erwähnen, dass es ihm gestern noch gar nicht gut ging. Saß stundenlang am Topf, meist auch noch mit Speibtasse in der Hand. Zu Mittag ist der arme Kerl dann im Sitzen, mit Speibtasse unterm Kinn eingeschlafen, bevor ich ihn langsam etwas mehr umlegen konnte. Dazu gibt's ein Foto, aber jetzt ist's mir zu spät. Morgen. Er hatte auch immer wieder starke Bauchschmerzen. So wurde das Morphium ein wenig gesteigert. Läuft jetzt mit 2ml die Stunde, was immer noch wenig ist. Am Nachmittag wurde es aber schon besser.)

Heute keine Schmerzen, weniger Stühle, nicht übel. Aaron hat sogar gegessen: zum Frühstück 1/2 Twinny-Schleckeis, zu Mittag Kartoffelpürree und zwischendurch 3 kleine Schoko-Ostereier. Die Ärte wundern sich, dass er überhaupt noch essen kann, so wie's in seinem Mund schon schlimm aussieht, aber offensichtlich hilft das Morphium auch in der geringen Dosis schon gut, bzw. ist Aaron halt hart im Nehmen. Frustrierend ist nur, dass die Ärztin, wenn ich ihr sag, dass es ihm heut viel besser geht, gleich hinzufügt, dass das leider nicht so bleiben wird. Hier wird fix mit Infektionen gerechnet.

Aber trotzdem: Heute ein wirklich guter Tag. Schließlich leben wir im Jetzt.

Dienstag, 22. März 2011

Morphium

Alle Kinder hier bekommen Morphium.
Das hat uns die Ärztin schon beim Erstgespräch erklärt. Man beginnt langsam, steigert dann so weit wie nötig und steigt dann langsam wieder aus, wodurch die Kinder keine Entzugserscheinungen haben. Morphium habe eben die geringsten Nebenwirkungen.

Nachdem Aaron heute mehrmals blutig erbrochen hat, und immer mehr über Schmerzen klagte, wurde das Morphium mit einer Minimaldosis gestartet. Die Ärztin erklärte mir, dass es besser wirkt, wenn man rechtzeitig damit beginnt. Gegessen oder getrunken hat er gar nichts, übel war ihm fast den ganzen Tag. Außerdem meinte er ständig, dass ihn Stuhl drückt im Bauch. Ein mal saß er mehr als eine Stunde am Topf, obwohl nur wenige spritzer flüssiger Stuhl kamen. All das sei aber ganz normal, sagte die Ärztin lächelnd.

Um 16h ist er eingeschlafen. Ab 18h bemühte ich mich, ihn erst mit Licht, dann mit immer lauterer Musik aufzuwecken. Um 19h30 schließlich wurde mir Angst und bange und ich hob ihn aus dem Bett, um ihn gewaltsam aufzuwecken. Das Ergebnis waren aber leider nur sehr starke Bauchschmerzen. Man gab ihm Buscopan, und Aaron flüchtete sich wieder in den Schlaf. Heute ist eine neue Nachtschwester da. Mal sehen, wie die Nacht wird.

Aaron war aber nicht nur den ganzen Tag "arm". Wir haben zwischendurch auch mal Wii gespielt, und die Physiotherapeutin war da. Ich hab ihm entlang der Wand eine Bildergalerie mit Fotos von zu Hause und vom Kindergarten gemacht. Wenn er so am Topf saß und sich gleichzeitig übergeben musste, sagte ich manchmal: "Du armer Knopf" aber das gefiel ihm gar nicht: "ICH BIN NICHT ARM!!!"

Wie es weiter geht:

Die neuen Zellen müssen sich jetzt in Aarons Knochenmark einnisten. Gelingt das, wovon wir ausgehen, werden sie in einigen Wochen beginnen, neue Granulozyten zu bilden. Diese können die Mukositis (die offenen Schleimhäute) dann wieder heilen. Bis dahin wird die Mukositis allerdings noch deutlich schlimmer werden. Er wird mehr Morphium bekommen. Die Übelkeit sollte aber bald vorbei sein. Hoffentlich.
Dass in der Zeit der Aplasie (wenn also keine Blutzellen gebildet werden) keinerlei Infektionen dazukommen, ist unwahrscheinlich (aber nicht gänzlich unmöglich - könnte es sein, dass irgenwas auch einfach mal glatt geht??). Die Frage ist allerdings, in welcher Stärke sie auftreten. Er wir sicherlich wieder Unmengen von Antibiotika brauchen.

Was noch mit großer Wahrscheinlichkeit dazu kommen wird, ist die GvHD (Graft versus Host Erkrankung). Das heißt, dass die fremden Lymphozyten Aarons Körper angreifen werden, weil sie ihn als fremd erkennen. Auch hier ist es eine Frage der Schwere dieser Erkrankung. Eine leichte GvHD, wo nur Haut oder Schleimhaut angegriffen wird, wünscht man sich sogar, weil sie ein gutes Zeichen ist, dass auch Aarons Blasten bekämpft werden, wenn sie wiederkommen. Eine schwere GvHD, bei der die Leber angegriffen und "verstopft" wird, wünscht man sich natürlich nicht, denn das ist eine ernstzunehmende Komplikation, die aber heutzutage auch behandelbar ist.

GvHD kann uns unter Umständen noch Monatelang begleiten, bis dann endlich neue Lymphozyten gebildet werden.

FOTOS

Ich füge auch oft Fotos im Nachhinein zu bereits veröffentlichen Posts hinzu, wenn Ihr also Fotos sehen wollt, empfielt es sich, ältere Posts durchzusehen. Diesmal hab ich mich aber entschlossen, einige Fotos von der 1A hier gemeinsam zu posten.


Seit dem Faschingsfest liebt Aaron Chips und verdrückt jeden Tag ein Mini-Packerl, wie sie es hier auf der Station haben, das heißt, verdrückte, denn seit einigen Tage ist's aus mit essen oder trinken.



Während und nachdem die Kinder Busulvan bekommen (haben) werden sie statt gecremt nur gepudert, weil trockene Haut nicht so leicht wund wird, was durch Busulvan zu erwarten ist. Aaron liebt es, sich von Kopf bis Fuß einzu"zuckern", bis das ganze Bett weiß ist und ich trotz Maske husten muss. (In den letzten Tagen ging's ihm aber leider nicht gut genug, um daran Spaß zu finden.)


Ebenfalls wegen des Busulvans sollen Kinder nur trocken verbunden werden, weil die Pflaster die Haut schädigen. Hier also Aaron mit seinem Kathederverband. Allerdings beschlossen Ärzte und Schwestern nach zwei Tagen, dass in seinem Fall kleben doch sinnvoller sei, weil er so aktiv war, dass durch die Reibung des Verbandes die Katheder-Eintrittsstelle gerötet wurde.


noch ein neuer Hut - und eine lustige Art, ein T-shirt zu tragen


Hier seht ihr Aaron im Air Flow Zimmer beim Wii-spielen. Farbige Bettwäsche ist neu auf der Station und macht das Zimmer viel schöner. Hinter ihm seht ihr die Plastik-Wand, die Aarons Bereich von dem nicht-sterilen Bereich des Zimmers trennt.


Und das war gestern Nacht. Wer genau schaut, kann die neuen Stammzellen durch den Infusionsschlauch auf ihrem Weg zu Aaron sehen.

Montag, 21. März 2011

Tag 0 - Frühlingsbeginn

Dass Aarons "TAG 0 - Beginn des neuen Lebens", wie sie das hier nennen, auf den Frühlingsbeginn fällt, wurde mir erst heute bewusst. Ganz stimmt's aber jetzt eh nicht mehr, denn die Stammzellen müssen noch aufbereitet werden, und jetzt ist es schon kurz vor Mitternacht, und sie sind immer noch nicht fertig.
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Grad war die Nachtschwester da, sie sind da, die Zellen, fast genau um Mitternacht.
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Es ist erstaunlich wenig drin in dem Sackerl. Hellrotes Blut. Der Arzt, der bei Aaron im Jänner 2010 den ersten Blutaustausch gemacht hat, hängt sie an, und bleibt dabei stehen, bis alles drin ist. In wenigen Minuten ist alles vorbei. Aaron hat es verschlafen.
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Jetzt aber weiter in der Erzählung: Der Tag war wieder sehr schwierig. Aaron hatte Bauchschmerzen und es war ihm übel. Oft saß er mit der Tasse in der Hand am Topf, ungefähr wie in der Akutphase einer schweren Darmgrippe - nur dass das hier leider nicht in ein, zwei Tagen vorbei ist. Gegessen und getrunken hat er heute absolut nichts. Auf die OP mussten wir bis Mittag warten. Ein Lichtpunkt war die Musiktherapie am Vormittag.

Gerade als wir für die OP geholt wurden, kam mein Vater. Er hatte Aaron einen kleinen Traktor gekauft, den Aaron sich wünscht, seit Markus auf seinem Handy einen Traktor-Klingelton hat.

Am Nachmittag, um etwa 16h merkte ich, dass ich nicht mehr lang durchhalten würde, ohne zu schlafen - und zu essen. Mein Magen krampfte sich vor Hunger. (Zu Mittag, als Aaron im OP war, hatte ich nicht viel hinuntergebracht) In meinem Kopf arbeitete ein Presslufthammer und jedes mal, wenn ich aufstand, wurde mit schwindlig. Ich rief also meinen Mann an, dass er bitte möglichst sofort von der Firma wegfahren solle um mich hier abzulösen, und meinen Vater bat ich, länger bei Miriam zu bleiben. Um 18h, als ich dann bereit war, die Station zu verlassen, war das Tief schon wieder vorbei und ich dachte, ich würde gar nicht schlafen können. Ich aß noch was, und legte mich anschließend doch hin. Sehr lang hat es nicht gedauert, ich bin tief eingeschlafen.

Um 20h30 war ich wieder bei Aaron.
Die frische Katheder-Wunde hatte tagsüber immer wieder in bisschen nachgeblutet, weshalb der Verband gewechselt werden musste. Die Schwester hatte dazu auf mich gewartet. OP-Pflaster sind sehr lästig, denn die kleben besser als alle anderen, nicht nur rund herum, sondern auch direkt auf dem Schlauch und auf der Naht an der Austrittsstelle. Aaron hatte Angst und es tat ihm weh. Drum hat die Angelegenheit auch ziemlich lange gedauert, und wieder war Aaron schon sehr sehr müde. Um 23h schlief er schließlich fest, und ich saß hier bei ihm und tippte wie jetzt auf seinem/meinem Laptop meinen Blog-Eintrag, während ich auf die Stammzellen wartete.

Fortsätzung traumatischer nächtlicher Ereignisse

Der Sonntag verlief relativ ruhig. Nachmittag ging sich sogar ein zweistündiges Nickerchen aus. Eigentlich hatte ich vorgehabt, mit Miriam ins Schwimmbad zu gehen, aber sie sah ein, dass ich unter diesen Umständen den Schlaf dringender brauchte. Sie wollte trotzdem bei mir bleiben, auch wenn sie die meiste Zeit allein im Ronald McDonald Haus war. Ich hab mit ihr zu Mittag gegessen und ihr eine Aufgabe für die Englisch SA gestellt, die ich später korrigierte. Während ich schlief, hielt sie sich im Spielzimmer auf. Ich schlief wie ein Stein.

Aaron ging es gar nicht gut. Ihm war den ganzen Tag über schlecht, obwohl er kaum erbrochen hat, eigentlich nur ein mal ein wenig Schleim. Wo er sich früher kurz und heftig übergeben hatte und gleich danach wieder lustig war, saß er jetzt stundenlang da und würgte immer wieder trocken, ohne sich übergeben zu können. Klar, er hat auch nichts gegessen oder getrunken, außer zwei mal 100 ml Moro-Suppe. (Von der ist ein Teil wieder gekommen.) Auch er war völlig übermüdet, konnte aber lang nicht einschlafen weil ihm immer sofort schlecht wurde, sobald er sich hinlegte. Außerdem klagte er immer wieder über Bauchschmerzen, die wir mit heißen Wickeln bekämpften. Und das Bein mit dem Venflon schmerzte immer mehr. Dieses behandelten wir mit Coolpacks.

Am Abend sollte noch einmal Blut abgenommen werden, weil der Thrombozytenwert kontrolliert werden musste. Am Montag sollte die Katheder-OP stattfinden, wofür ein Mindestmaß an 60 000 Thrombozyten notwendig ist, am Morgen hatte er noch 65 000. Aus dem Venflon floss trotz der langen Bemühungen zweier Schwestern kein Tropfen Blut mehr. Diese Versuche des Blut abnehmens, inclusive Stauen des sowieso schon so schmerzhaften Beins waren hart für Aaron, erforderten seine ganze Geduld und Stärke. Danach wäre er am liebsten sofort eingeschlafen, er war doch schon soo sehr müde! Allerdings musste der Venflon jetzt entfernt werden, weil sich schon rote Flecke am Bein gebildet hatten. Eigentlich war es ein guter Venflon gewesen, aber die Medikamente, die er bekommen hatte, so erklärte mir der Arzt, seien eben nicht gerade gut für eine perifer-Vene.

Nun musste also ein neuer Venflon gestochen werden. Erst einmal Emla-Pflaster kleben. Einwirken lassen. Und dann das Stechen. Es war Sonntag Nacht. Nicht alle Ärzte sind gleich geübt im Finden und Treffen winziger Kindervenen unter der Haut. Aaron war übermüdet und verkrampft, was die Venen auch nicht gerade lockerer macht. Kurz und schlecht: Es klappte einfach nicht. Trotz Emla hatte Aaron Schmerzen, während der Arzt mit der Nadel mehrfach die Vene am linken Fuß zu treffen versuchte. Es kam aber kein Blut. Zur Sicherheit hatten wir noch am linken Handrücken geklebt. Auch da probierte der Arzt eine Zeit lang herum. "Bitte, Blut, komm!" sagte Aaron. Er war so tapfer. Und so enttäuscht, als es auch da nicht klappte. So lang geduldig, so brav stillgehalten, und alles umsonst. Ein Venenzugang war aber unbedingt nötig. Aaron braucht viel Flüssigkeit nach den starken Medikamenten, die er bekommen hat, und Antibiotika warteten auch noch auf's angehängt werden. Also fragte der Arzt, ob wir nun wieder Emla kleben sollten oder es ohne versuchen. Da legte ich mich quer, und die Schwester stimmte mir sofort zu: Sicherlich nicht ohne die "Zaubersalbe"! Das hieß allerdings wieder etwa eine 3/4 Stunde warten, bis die Salbe wirkt. Aaron war schon total fertig, konnte aber in dieser Wartezeit auch nicht einschlafen. Und dann noch einmal stechen, diesmal an der Innenseite des linken Handgelenks. Da hatte der Arzt eine Vene gefunden, die zwar wirklich winzig war, sich aber direkt unter der Hautoberfläche befand und so gut zu sehen (und zu treffen) war. Es war mir während der Wartezeit zumindest gelungen, Aaron zu beruhigen, sodass er den neuerlichen Versuch sehr entspannt über sich ergehen ließ, und diesmal klappte es auch auf Anhieb. Für die winzige Vene konnte der Arzt zwar nur einen ganz kleinen Venflon verwenden, (Die Schwester war skeptisch, ob der reichen würde.) aber es tropfte danach wenigstens langsam aber stätig Blut in das Röhrchen, und die Infusionen konnten wieder gestartet werden. Ganz wohl war mir nicht dabei, als ich mir vorstellte, wie die Medikamente und die Flüssigkeit in die dünne Vene gepresst würden, aber es blieb uns nun nichts anderes übrig als zu hoffen, dass es bis zur OP am nächsten Tag halten würde. (Das tat es dann Gott sei Danke auch.)

Die ganze Prozedur hatte fast die halbe Nacht gedauert, auf jeden Fall war es Mitternacht, bis Aaron danach endlich eingeschlafen war. Er hatte auch Angst, wollte, dass ich neben ihm am Liegestuhl schlafe. Nachdem er eingeschlafen war, ging ich was essen, und war noch angekleidet, als das Telefon klingelte und die Nachtschwester mir mitteilte, dass Aaron mich noch einmal bräuchte. Die traumatischen Ereignisse dieser beiden Nächte haben ihm offensichtlich das neu gewonnene Vertrauen wieder genommen - wie auch nicht. Ich war ziemlich sauer, als mich eine andere Nachtschwester fragte, ob Aaron "immer solche Probleme beim Schlafen" hätte. Hab das aber, glaube ich, nicht gezeigt. Als ich die Station wieder verließ, war es drei Uhr früh, wieder nur 3 1/2 Stunden Schlaf für mich. In der vorigen Nacht 1 Stunde und zwei am Nachmittag ... lang halt ich das nicht mehr durch.

traumatische nächtliche Ereignisse

Kurz nach Mittaernacht verließ ich die Station. Ich hatte eben erst eingeschlafen, als etwa 1 Stunde später wieder das Telefon klingelte. Es war Aaron, der mir mitteilen wollte, was er für eine "Sauerrei" gemacht habe. Im Hintergrund hörte ich die Schwester sprechen ("also soo schlimm ist das ja gar nicht"), dachte an eine übergelaufene Windel und weil ich so k.o. war, ließ ich es darauf beruhen, als die Verbindung unterbrochen wurde. Eine halbe Stunde später rief mich ein Arzt an und sagte mir, Aaron habe sich den KAtheder herausgezogen, das sei eigentlich kein großes Proble, wir müssten aber jetzt halt einen Venflon stechen. Ich war noch im Halbschlaf und musste unterbrechen, weil ich nicht verstand, wovon er spricht. Der Katheder ist heraußen, man wird sich bemühen baldigst einen OP-Termin zu organisieren, und bis dahin, bräuchte Aaron eben einen Venflon. Es sei kein Problem, er habe mich nur informieren wollen. Nachdem ich aufgelegt hatte lag ich (immer noch ganz benommen) im Bett und überlegte, ob ich das vielleicht nur geträumt hatte, und ob ich mcih einfach umdrehen und weiterschlafen sollte. Schließlich sickerte es aber doch durch, dass ich so etwas nicht träumen würde, ich stand auf und eilte hinüber. Beim Portier war die Tür noch offen, aber im Hof stand ich vor verschlossener Tür. Auch diese Tür war bis jetzt meist offen gewesen, ich rief also auf der Station an, wartete schrecklich lange Minuten, bis mir endlich der grantige Portier mit einem Schlüssel geschickt wurde. Ich hätte durch den Keller gehen müssen, die Türen zum Hof seien doch nachts immer versperrt. Für derartige Rügen fehlte mir allerdings der Kopf.

Ich erwartete ein Blutbad, doch als ich ins Zimmer kam, war alles ruhig und sauber. Aaron hatte sogar noch dasselbe T-Shirt an wie zuvor, und es war kein Fleckchen Blut darauf. Aber der Katheder war weg. Ich blieb natürlich bei ihm, bis der Venflon gelegt war und Aaron endlich wieder ruhig eingeschlafen war. Um halb drei verließ ich wieder die Station und telefonierte eine dreiviertel Stunde mit meinem Mann. Ich war ziemlich außer mir. Bis nach Mitternacht, war ich an seinem Bett gesessen, und kaum dass ich weg bin, passiert so etwas! Ich weiß, es wäre nicht passiert, wenn ich da gewesen wäre. Aaron hatte sich anscheind die EKG-Elektroden heruntergezupft und dabei das Katheder-Pflaster erwischt. Wie kann das nur passieren, dass niemand da war? Wäre ich da gewesen, hätte er mir gesagt, wenn ihn die Elektroden drücken, nicht einfach gleich selbst zu zupfen begonnen. Die Schwester kam ins Zimmer, weil Aaron geklingelt hatte, so sagte sie es mir. Aaron hatte aber erst geklingelt, als er den Katheder in der Hand hatte. Wie kann das sein, dass nicht vorher schon jemand über den Monitor bemerkt hatte, dass er munter ist, dass er an den Elektroden zupft? Es ist einfach zum SCHREIEN (!!!) dass er nun wieder eine OP braucht, zu einem Zeitpunkt, wo die Zellen am Schwinden sind, und wo doch am Montag die Transplant sein soll. Außerdem wiedermal am Wochenende. Die Thrombos sinken jeden Tag um die Hälfte, und am Sonntag kann er nicht operiert werden. Wie tief würden sie bis Montag sein? Einfach große Scheiße. Echt große Scheiße.

Ich war noch nicht eingeschlafen, als wieder das Telefon klingelte. Aaron war wieder aufgewacht und wollte mich bei sich haben. Die Nachtschwester war nun sehr bemüht um mich und brachte mir einen Liegestuhl ins Zimmer. Ich hab dann tatsächlich die restlichen zwei Stunden der Nacht auch noch bei Aaron verbracht. Döste zwischendurch kurz, aber nie tief genug, dass mir die Kinnlade heruntergefallen wäre. Aaron wachte in sehr kurzen Abständen auf und brauchte etwas, Lulu, Bauchschmerzen, Übelkeit, Beinweh (vom Venflon), ... Um 3/4 7 war endgültig Tagwache. Die Sonne schien herein, und ich war zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht müde.

(Fortsetzung folgt - in der nächsten Nacht)

Samstag, 19. März 2011

Fieber, Fieber, Fieber

Aaron hat seit gestern Nachmittag durchgehend hohes Fieber. Trotz fiebersenkender Medikamente sank die Temperatur nie unter 39°, fast ständig über 40°. Das scheint für ATG-Fieber doch ein wenig heftig oder lang zu sein, denn er bekommt jetzt auch Antibiotika. Vor dem Einschlafen hat er noch einmal alle getrunkene Flüssigkeit erbrochen, nachts nicht mehr.

Ich selbst habe geschlafen. Als ich das erste mal erwachte (ca. 3h früh) war ich total verwundert. Vielleicht geht das Handy nicht, dachte ich. Um 6h früh hatte ich immer noch keinen Anruf. Entweder er hat abgefiebert und schläft, dachte ich, oder sie lassen ihn nicht telefonieren. Tatsächlich dürfte er einfach zu fertig gewesen sein, um mich anrufen zu können. Die Nachtschwester war ganz entzückt von ihm, weil er so süß war. Sie ist ziemlich oft bei ihm gesessen, er hat zwar einmal nach Mama gefragt, aber nicht geweint. Vielleicht ist er ja zum Weinen zu schwach. Er hat sich in sein Schicksal ergeben.

Ich duschte also und kam herüber, da erzählte mir die Nachtschwester, dass er gerade, als sie bei ihm gewesen sei, gesagt hat: "Und wenn die Mama kommt, dann tu ich frühstücken." Das tat er dann auch, ein bisschen Milchbrei-Fläschchen, viel Himbeersaft und Wasser. Schlecht ist ihm immer noch, aber erbrochen hat er nicht mehr. Jetzt schläft er wieder.

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später:
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Durch das Cortison, das die Kinder zum ATG sowieso bekommen, ist das Fieber auf etwa 38° gesunken. Aaron ist kurz gesessen und hat Lars Eisbär-Geschichten geschaut. Jetzt rastet er wieder, während weitere "Hasen-Antikörper" durch seinen Infusionsschlauch laufen. Bei der zweiten und dritten ATG-Gabe sind aber kaum Reaktionen zu befürchten. Später bekommt er heute noch einmal Endoxan (ein Chemo-Medikament).

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spät abends:
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Aaron ist gerade beim Einschlafen - mit der Glocke in der Hand. Ich nehm's als gutes Zeichen, dass er offensichtlich vorhat, der Schwester zu klingeln, wenn er nachts was braucht, nicht zuerst mich anzurufen. Er muss leider wieder ohne Schnuller auskommen. Das klingt jetzt vielleicht blöd, wenn ich sag "leider" kann mein fast fünfjähriger keinen Schnuller haben, aber darum geht es nicht. Das "Leider" bezieht sich auf den Grund: Übelkeit. Als ob dem armen Kerl nicht schon genug schlecht gewesen wäre für zwei Menschenleben. - Jetzt sitzt er wieder im Bett, schläft fast im Sitzen ein, weil ihm trotz hochgestellter Lehne im Liegen zu übel ist. Das Fieber ist jetzt ganz weg gegangen, also war's doch "nur" ATG-Fieber, Gottseidank.

Ich bin echt müde. Hoffentlich dauert's nicht mehr lang. Drüben im Ronald McDonald-Haus schläft meine liebe Tochter, weil sie bei mir sein wollte. Am Nachmittag, als Markus mich ablöste, war ich mit ihr im Kino. Danach haben wir noch kurz Scrabble gespielt, aber viel Zeit war's nicht. Vielleicht morgen. Simon fährt morgen auf Schikurs, danach hat Markus versprochen zu Aaron zu kommen.

Freitag, 18. März 2011

ATG-krank

Am Nachmittag hat Aaron viel erbrochen, ansonsten gefiebert und geschlafen. Jetzt ist es fast zehn Uhr Abends. Seit Stunden sehr hohes Fieber, das auch durch Novalgin-Infusion nicht wirklich gesunken ist. (na ja, von 41 auf 39,1) Aber wenigstens passt die Sauerstoff-Sättigung derzeit. Wann ich heute schlafen werde, weiß ich noch nicht. Gegessen habe ich schon, hier in der Stationsküche, das was Aaron heute sicherlich nicht isst, während er schlief. Jetzt schläft er auch, aber nicht besonders tief. Ich wechsle ihm immer wieder den feuchten Waschlappen auf seiner Stirn aus und wickle das Coolpack neu um seine Beine.

"Hasen-Antikörper"

Aaron hat heute seine erste ATG-Infusion bekommen. So weit ich das verstanden habe sind das Antikörper, die Kaninchen produzieren, wenn man ihnen menschliche Lymphozyten verabreicht. In Aarons Körper haben sie nun die Aufgabe, seine Lymphozyten zu killen, damit er die fremden annehmen kann. Er bekommt drei solcher Infusionen. Eine heute, noch eine morgen und die dritte übermorgen Sonntag. Am Montag soll die Transfusion stattfinden. Endoxan (noch ein Zytostatikum) bekommt er noch heute und morgen, am Sonntag nicht mehr.

Problematisch ist erfahrungsgemäß die erste ATG-Infusion. Deshalb stehen die Ärztin und mehrere Schwestern gleich parat. Bei Aaron war's bis jetzt nicht extrem: Hustenreiz, Beinschmerzen, Kopfschmerzen, Sauerstoff-Sättigungs-Probleme, Übelkeit und Erbrechen. Da diese Nebenwirkungen aber erst gegen Ende der Infusion aufgetreten sind, war dann relativ rasch auch alles wieder vorbei. Er hat Perfalgan bekommen und sonst auch noch etliches zur Symptom-Linderung. Jetzt schläft er tief, braucht aber noch ziemlich viel Sauerstoff. Das ist wiedermal nicht ganz erklärbar, weil sich die Lunge gut anhört und er auch ruhig atmet, deshalb ist es aber auch nicht wirklich problematisch.

Fieber und Schüttelfrost können noch kommen, auch erst am Abend oder in der Nacht. Man wird sehen. Ich denke, wir haben ihn gut begleitet und er war natürlich wie immer ganz tapfer.

Montag, 14. März 2011

anstrengende Tage

Das mit dem ohne Mama schlafen, hat bereits ab der 3. Nacht funktioniert. Naja, in der vierten Nacht bin ich auch erst um 23h30 rausgekommen, da hatte er am Nachmittag geschlafen und Abends ständig gegessen, bis 23h! Wahrscheinlich, weil er weiß, dass ich ihm Essen nicht abschlagen kann, weil wir alle froh sind solang er noch was isst, und weil er mich halt nicht wegehen lassen wollte. Andererseits kann's aber auch sein, dass ihm flau war im Magen wegen der Chemo, und er das als Hunger interprätierte.

Heute sind wir in die sterile Airflow-unit übersiedelt. Gottseidank war mein Vater zu Besuch, den hab ich gleich selber einschulen dürfen. Er war bei Aaron drin und hat all die Einzelteile, die wir (die Kindergärtnerin und ich) ihm nach dem Desinfizieren hineinreichten gleich schön in die Regale geschlichtet. Aaron war von der Früh weg heute recht anstrengend. Alle, die in sein Zimmer kommen fragen ihn nun, wie es ihm denn gefällt, alle sprechen von einem "großen" Zimmer, dabei ist der Bereich in dem er sich bewegen darf deutlich kleiner als im alten Zimmer. Wir haben es gleich wieder schön dekoriert, aber dass es ihm gefällt, da jetzt eingesperrt zu sein, ist wahrlich zu viel gesagt.

Immer wieder stand er vor dem Strich, den er jetzt nicht mehr übertreten darf. Wenigstens die schöne Schiebetüre würde er so gerne auf und zu machen dürfen, aber die ist schon außerhalb. Auch das Fenster ist draußen, er kann nicht hinunterschauen. In der Früh saß er noch im alten Zimmer am Fensterbrett und sah den Straßenbahnen zu. Jetzt sieht er durch die Folienwand neben seinem Bett zum Fenster hinüber und darüber hinaus Baum und Himmel und ein Eckerl vom Dachgarten der 2A/2B. Vielleicht können Simon und Miriam ihm ja von da oben einmal herunterwinken. Er vermisst seine Geschwister schon jetzt sehr. Und er will raus, no na net.

Auch von seinen Freunden (v.a. von Max) spricht er immer wieder. Das heißt, er spielt manchmal, dass sie da sind und spricht mit ihnen. Heute spielte er aber gar nicht allein, sondern musste ständig beschäftigt werden. Schwester Ingrid hat mit ihm gebastelt, während ich Mittag essen war, danach haben wir den Nierentassen-Schmetterling mit Wasserfarben schön bunt angemalt. Das war die Zeit, in der er heute am ruhigsten war. Die Cliniclowns waren da und duplo haben wir gespielt. Da er den ganzen Tag nicht geschlafen hat, war er schon ab 18h total übermüdet. Sobald es dunkel zu werden beginnt, ist er auch betrübt, weil er ja nicht will, dass ich weg gehe. Körperlich geht es ihm immer noch gut, aber meinen fröhlichen kleiner Aaron vermisse ich sehr. Um 20h, als wir endlich zum Schlafen gehen beriet waren, sant ich ihm noch ein Lied vor. Er schlief bereits nach der ersten Strophe, so erschöpft war er.

Ich selber zerfranse mich auch jetzt zwischen ihm und den Großen. Ich helfe telefonisch bei den Hausübungen, organisiere, wo sie sein werden, wer sich um sie kümmert, stelle Lernunterlagen ins Internet, korrigiere Simons Englisch-Aufsätze per e-mail. ... Miriam hat bald Englisch-Schularbeit, vermisst mich total und ist unglücklich. Sie ruft mich oft an und will mir von der Schule erzählen, oder einfach nur plaudern. Zu oft muss ich sagen: "Du, ich kann jetzt nicht, muss mich um den Aaron kümmern." Mein Mann ruft mich an und erzählt mir, dass Simon seine Hausübung noch immer nicht gemacht hat und sich nicht an Abmachungen hält, ... und ich?
Ich geh jetzt schlafen.

Freitag, 11. März 2011

Eingewöhnung

Zwei Nächte hat Aaron jetzt schon auf der 1A verbracht, oder sollte ich sagen: "wir"? Ich hatte es nicht viel anders erwartet. In beiden Nächten bin ich drei Stunden an seinem Bett gesessen. Einmal von halb zwölf bis halb drei, und einmal von halb zwei bis halb fünf. Außerdem hat Aaron mich zwischendurch immer wieder telefonisch geweckt. Ich hab also wenig geschlafen. Und im Ronald McDonald Haus war ich bis jetzt tatssächlich nur zum Schlafen und Duschen, also sehr selten.

Und doch muss ich sagen, dass Aaron total tapfer war.
Am Mittwoch in der Früh war Aaron noch kurz mit im Ronals McDonald-Haus, sodass er sehen konnte, wo ich mein Bett habe. Es war ihm ganz wichtig, zu wissen, in welchem der beiden Betten ich schlafen werde. Nach dem Mittagessen, als es Zeit für unser Nickerchen war, schickte er mich gleich weg, ich solle mich in mein Bett legen, er schläft hier eh allein. Unglücklicherweise ging kurz darauf Baustellenlärm los (St.Anna wird ständig irgenwo umgebaut) sodass er nicht einschlafen konnte.

So ist er an beiden Abenden eingeschlafen, bevor die Nachtschwester Zeit hatte, sich ihm wenigstens vorzustellen. Das lag einerseits daran, dass Aaron zu Mittag nicht geschlafen hatte, andererseits leider daran, dass hier derzeit Personalnotstand herrscht. Von dem erwähnten Betreuungsschlüssel von 1:1 keine Rede. In der ersten Nacht betreute die Schwester drei Kinder und gestern 2, wovon aber das zweite ein "schwieriger Fall" ist (drei Wochen altes Baby).

Wen wird ein kleines Kind rufen, wenn es in der Nacht etwas braucht; die Mama, oder eine wildfremde Person, die es noch nie zuvor gesehen hat?

Die Zeit zum Eingewöhnen ist leider jetzt auch sehr kurz. Klar, das war mein eigener Wunsch, weil auch die Zeit zu Hause für den Aaron sehr wichtig war, und mehr Zeit gab es halt einfach nicht. Heute Nachmittag darf Aaron noch ein letztes mal raus. Er wird mit mir ins Ronald McDonald Haus gehen, und seine Geschwister dort treffen, ein letztes Mal für lange Zeit, denn schon am Samstag beginnt die "Konditionierung" (so hheißt hier der Chemo-Hammer)und Aaron wird in eine sterile Air-flow-Unit eingeschleust (ich dachte, erst am Montag) und Schulkinder dürfen die Station in der Grippezeit gar nicht betreten.

Auch das ist neu. Ursprünglich hieß es, für Simon gäbe es kein Problem, weil er schon 14 ist, und für Miriam mit fast 12 Jahren würde sich schon eine Lösung finden. Dr Mattes hatte beim Gespräch gesagt, Miriam dürfe ihn besuchen, wenn wir ihr versichern, dass sie infektfrei ist. Jetzt macht es nichtmal einen Unterschied, dass ich gesagt habe, die Kinder würden gegen Grippe geimpft werden. "Man kann sich ja auch nicht gegen alles impfen lassen", war das gestrige Kommentar. Wir werden also mit Skype vorlieb nehmen müssen. Wenigstens gibt es das.

Am Montag war ich mit Aaron noch bei einem Bauern aus meinem Heimatort, zu dem wegen seiner Heilkräfte mitlerweise die Leute von weit her kommen. Vor ihm war schon seine Großmutter eine "Kräuterkexe" bei der die Leute Hilfe gesucht hatten, und sicherlich gab es in dieser Familie schon seit unzähligen Generationen Heilkundige. Ich war selbst einmal bei ihm und weiß daher, dass er wirklich eine besondere Gabe besitzt. Aaron fand die Behandlung lustig, und geschadet hat's sicherlich nix. Den komplizierten Kräutertee den er Aaron verschrieben hat, hätte ich mir leider erspaten können zu kaufen, denn den darf ich ihm jetzt ebensowenig geben wie den Kräuterblut-Saft oder die Lebertran-Kapseln. Auf der 2B hieß es noch, Kräutertees müssen 15 min abgekocht werden. Die Schwester hier, die ich zu Beginn fragte, erklärte mir, der fertige Tee müsse in den Desinfektor. Und heute erklärte mir die Ärztin, dass selbst das nicht reicht. Der Hintergrund: Sie hatten hier einmal ein Kind, das an einer schweren Pilzvergiftung starb, der Schimmelpilz war im Tee. Dr Mattes sagte sie hätten dann den Tee nach Vorschrift abgekocht, und wieder analysiert, und der Pilz sei immer noch drin gewesen. Ich verstehe gut, dass sie jetzt da so streng sind. Die Heilkräuter täten ihm sicherlich gut, aber Naturmedizin verträgt sich halt leider offensichtlich gar nicht mit dem, was hier mit den Kindern gemacht wird.

Was hier mit den Kindern gemacht wird, ist medizinisch sicherlich großer Fortschritt, und es bleibt mir ja auch nichts anderes übrig als zu glauben, dass es für Aaron die einzige Chance ist, aber es ist trotzdem eigentlich ein horrender Wahnsinn. Am Mittwoch bei der Anreise war mir ganz entsetzlich schwer ums Herz. Kaum dass wir das Zimmer dekoriert hatten und das Pflegegespräch vorbei war, war's schon wieder Routine, und ich hatte mich damit abgefunden. Heute, angesichts der sehr baldigen Kasernierung, geht's mir wieder nicht so gut.

Falls ihr euch wundert, woher ich jetzt gerade die Zeit nahm, all das zu schreiben: Aaron liegt neben mir im Bett und döst. Mich hat er um halb sechs geweckt und um halb sieben hat er darauf bestanden, dass ich rüberkomme. Jetzt, da er die Sicherheit hat, dass ich neben ihm sitze, holt er den versäumten Nachtschlaf auf - na wenigstens einer. Es ist nicht so, dass er nachts nicht schlafen will, wenn ich nicht da bin. Er kann aber oft nicht schlafen, obwohl er sich hinlegt und die Augen zumacht und sich wirklich bemüht. Ich hoffe, es wird sehr bald besser - bevor es ihm körperlich schlechter geht.

Bei der Pflege war er gestern super-brav. Ich bin im Zimmer gesessen und hab über den Laptop das ersehnte Ferkesl-Stofftier bei Amazon bestellt, die Badezimmertür war offen. Die Schwester hat ihn mit fünf Waschlappen mit Beta-Isodonaseife eingeschäumt, Aaron hat sich abgeduscht, und die Schwester gleich mit. Die hätte dabei gleich zu schimpfen begonnen, hat sich aber gleich wieder eingekriegt, entweder weil Aaron sofort verzweifelt "Entschuldige!" gesagt hat, oder weil ich da war.

Donnerstag, 3. März 2011

nach Hause

Seit 3.1. ist OA Dvorcak wieder hier auf der Station (war einige Monate in der Forschung tätig). Seit er wieder da ist, ist er fast rund um die Uhr da. Ich hab ihn heute Abend darauf angesprochen, ob er denn jetzt auch schon quasi hier wohne, wie wir Mütter. Am Anfang gibt es halt viel aufzuräumen, hat er gemeint. Es ist auf jeden Fall angenehm, dass er wieder da ist, und dass er so viel da ist, bei offener Tür im Zimmer sitzt und fast jederzeit ansprechbar ist.

Seiner Meineung nach war Aarons Problem vor allem in seinem eigenen Immunsystem verankert, weil es eine krasse Dysballance zwischen den Zellen gab; einerseits unglaublich viele Leukos, aber viel zu wenige Immunglobine, also trotzdem schlechte Abwehr, während die Leukos verrückt spielen und ihn selber krank machen. Was auch immer. Jetzt geht's ihm wieder gut. Heute hat er noch per Infusion Immunglobine bekommen, und morgen darf er endlich heim. Damit das Fieber nicht wiederkommt, soll er das Cortison mit einer "Minimaldosis" (?) weiternehmen.

Aaron war in den letzten Tagen sehr frustig, aber es war auch immer wieder lustig. Heute war das Faschingsfest, und Aaron hat Kellys Chips gemampft, die haben ihm unglaublich gut geschmeckt, er kann sich sicherlich nicht erinnern, wann er zuletzt welche gegessen hat, er kannte sie gar nicht mehr. Auf jeden Fall sagt mir das, dass seine Zunge nicht mehr offen sein kann, denn sonst hätte er wohl das salzige Zeug nicht verdrückt. Aaron war natürlich mit Maske beim Fest, und bei der Jause sind wir einfach ein Stück abseits von den anderen gesessen, im angrenzenden Zimmer.

Wir haben noch ein wenig Aufschub bekommen, müssen uns erst am Mittwoch, 9.3. auf der Station 1A einfinden. Hoffentlich klappt's diesmal mit dem (verkürzten) Heim-Urlaub!