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Dienstag, 28. Dezember 2010

Montag, 27. Dezember

Dr Kronberger ist wieder da und auch Labor, Ultraschall, Rhöntgen, ... sind wieder voll besetzt. Aaron geht es schlecht. Trotz Antibiotika-Cocktail, fiebert er immer noch hoch, und der Entzündungswert ist auf 31 angestiegen. Aaron hat fast ständig große Schmerzen im Bauch und total berührungsempfindliche Nieren, atmet sehr flach, schnell und abgehackt, die Sauerstoff-Sättigung ist unzureichend, in der Lunge ist Wasser. Die Sache mit dem Sauerstoff ist so ein bissi ein Problem, weil er keine Maske aufsetzen will. Nach der ersten fast durchwachten Nacht hab ich ihm allerdings so etwas gebastelt, ein Sauerstoff-Schläuchchen, das eigentlich direkt auf die Nase montiert wird, zurecht geschnipselt und am Schnulli befestigt. Das akzeptiert er jetzt brav, auch wenn es ein bisschen unangenehm ist, in die Nase geblasen zu bekommen.

Aufgrund all dieser Probleme hält es Frau Dr Kronberger für besser, ihn vorsichtshalber auf die Intensiv-Station zu verlegen, Intensiv-OÄ-Dr Keck kommt, bespricht die Situation und schaut sich Aaron an. Unteruchungen werden angeordnet, Lungenrhöntgen, Ultraschall vom Bauchraum+Nieren, Herz-Echo-Schall. Alle kommen mit ihren Geräten in unser Zimmer (einer nach dem anderen natürlich) weil Aaron nicht in den Keller transportiert werden kann/soll. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Aaron will nur noch endlich schlafen. Danach gibt es allerdings Entwarnung. Die Untersuchungen ergeben derzeit keine organischen Probleme. Das Wasser in der Lunge scheint durch das gegebene entwässernde Medikament verschwunden zu sein. Die Nieren sind zwar geschwollen, aber an sich nicht entzunden, die Darmwand ist in Ordnung, das Herz arbeitet normal. Die Ärzte entscheiden, uns vorerst doch auf der 2B zu belassen, sofern sich die Situation nicht verschlechtert. Am Nachmittag sinkt endlich das Fieber. Aaron hat zwar immer noch häufig starke Schmerzen, aber auch schon ein paar Minuten, wo er im Bett sitzt.

Dienstag, 28. 12.

Die Nacht war besser als die letzten. Zumindest haben wir stundenweise geschlafen. Zwischendurch natürlich oft aufgeweckt, und wegen Bauchschmerzen auch 3x fast eine Stunde wach. Aber gefiebert hat er in der Nacht nicht, erst tagsüber leider wieder. Voller Hoffnung warte ich auf den Blutbefund. Gottseidank, der Entzündungswert ist wieder Rückläufig, 20 komma irgendwas. Immer noch extrem hoch, aber doch besser als gestern. Das heißt, dass der Antibiotika-Cocktail zu wirken begonnen hat und er wird vorerst auch so beibehalten. Außerdem bekommt Aaron jetzt ein krampflösendes Medikament dazu. Das hilft gut gegen die Bauchschmerzen. Endlich wacht er mal nicht mit Bauchweh auf, sondern ist kurz auch wieder fröhlich, und zu Mittag schläft er lange und ruhig. Im Schlaf braucht er immer noch Sauerstoff - und er schläft fast den ganzen Tag. Aber zwischendurch, wenn er aufrecht sitzt, schalte ich ihn auch schon mal aus. Tagsüber hat Aaron noch "gefastet", aber am Abend hat er eine halbe Schoko-Palatschinke gegessen.

Die schlechte Nachricht: die Labor-Untersuchungen haben ergeben, dass Aaron sowohl eine bakterielle Infektion hat, als auch eine Pilzinfektion. Das ist zwar noch nicht zu 100% sicher, es folgen noch weitere Tests, aber Aaron bekommt jetzt auch noch eine Infektion gegen Pilze. Zusätzlich braucht er ja jetzt auch fäglich eine Blutkonserve, mal Vorgestern Erys (rotes Blut), gestern Thrombos, heute schon wieder Erys. Mit den ganzen Infusionen und Überwachungsmonitoren, sieht unser Zimmer jetzt eh fast aus wie auf der Intensiv.


Aber es weihnachtet auch noch:

Sonntag, 26. Dezember 2010

wieder große Sorge

Schon am 24. hatte Aaron immer wieder starke Bauchschmerzen. Am 25. in der Früh war er richtig krank. Normalerweise wartet er im Winter nur darauf, dass es draußen endlich hell wird, damit er mich zum Aufstehen bewegen kann. Heute kam er nur in mein Bett gerutscht zum Kuscheln und wollte überhaupt nicht aufstehen. Die Temperatur, anfangs nur 38,5 kletterte rasch gegen 40. Noch bevor der Blutbefund da war, bekam Aaron Antibiotika angehängt. Unser Weihnachtsessen, das wir für die ganze Familie hier im Spital geplant hatten, wurde abgesagt, denn Aaron wollte nur seine Ruhe. Schaukeln in der neu montierten Hängematte war das einzige, wozu er an diesem Tag Lust hatte (außer im Bett herumliegen und dösen).


Der Entzündungswert im Blut, am 25. auf 1.1 schnellte bis 26. in der Früh auf fast 26(!!!) hoch. Aaron fiebert immer wieder sehr hoch. Zwischendurch wirken aber die fiebersenkenden Mittel und heute war er auch kurzzeitig schon wieder zum Spielen aufgelegt. Gegessen hat er nun schon wieder 3 Tage fast nichts, aber das ist nicht meine Hauptsorge. Die massive Entzündung, wo immer sie auch stecken mag, macht mir Angst, gerade jetzt, wo er null Leukos hat und von einer Regeneration noch weit entfernt ist.

Weihnachten im St.Anna


Ich hatte mithilfe von zwei Vorhang-Schals aus unseren beiden Krankenbetten ein wunderschönes Himmelbett gebastelt. Der kleine künstliche Weihnachtsbaum sah mit all dem Schmuck und den LED-Kerzen sehr hübesch aus, und es gab viele, viele Packerl.


Aaron spielte zu "Kling Glöckchen, klingelingeling" die Triangel.


Aaron war glücklich mit seinen Geschenken.


Und wir hatten sogar alle im Zimmer Platz für unsere Weihnachtsjause.

Zu Hause gab es für Simon und Miriam dann auch noch einen echten Christbaum mit echten Kerzen und nochmal Packerl unterm Baum. Da war die Freude groß.

Donnerstag, 23. Dezember 2010

doch nicht

Am Mittwoch, den 22.12. hält Aarons gute Laune vorerst an, bis die Ärzte kommen. Sie bitten Aaron, der gerade mit mir am Tisch Lotti Karotti spielt, sich ins Bett zu legen. Sie haben ein Thrombozytenkonzentrat gebracht. Damit habe ich gerechnet. Gestern hatte Aaron nur noch 24 ooo Thrombos, und wenn der Wert unter 20 ooo sinkt, braucht er eine Konserve. Wenn sie uns wirklich bis 25. heimschicken wollen, dann war mir klar, dass er vorher noch Thrombos brauchen würde. "Aaron schau," sag ich deshalb, "du bekommst noch Thrombos, die brauchst du, sonst können wir nicht nach Hause fahren." Betretenes Schweigen des jungen Arztes. Die Schwester schaut mich an und fragt: "Haben Sie den Blutbefund schon gesehen?" Hatte ich nicht. "Na, ich kenn ihn schon," sagt sie, und nach einer kleinen Pause, "die Leukos sind auf null, null komma null sechs, um genau zu sein." - "Au weh!" mir ist gleich klar, was das heißt. Dem Aaron offenbar auch, er zieht sich sein Schmusetuch über den Kopf und ist ganz still, "nicht da". "Frau Dr Kronberger wird dann noch mit Ihnen sprechen," stammelt der junge Arzt verlegen, "Wir finden sicherlich eine Lösung." Die Schwester, sie kennt mich schon gut, schüttelt den Kopf und sagt, "Ihr werdet es hier auch schön haben." Der Arzt erklärt noch, dass es bei einem Rezidiv eben schwer abzuschätzen sei, wie schnell die Werte nach der Chemo sinken, normalesweise sei der Nullpunkt eher erst nach dem 10. Tag zu erwarten, heute ist der 7. Dann ist er weg. Es ist ihm peinlich. Dabei kann er doch gar nichts dafür.

"Hast du gehört, Aaron?" frage ich das Kind unterm Tuch, "Du hast gar keine Leukos mehr, da ist es jetzt für dich zu gefährlich, nach Hause zu fahren. Aber es werden alle zu uns kommen, und wir werden hier Weihnachten feiern. - Sei nicht traurig. Weihnachten wird trotzdem schön." Ich setzte mich zu ihm. Keine Reaktion, kein Ton, kein Protest, kein Weinen. Ich plaudere mit der Schwester, während wir zusehen, wie die Thrombos (heute mit Höchstgeschwindigkeit) durch den Infusionsschlauch tropfen. Ich frage nach Schwester Franziska und bekomme die Auskunft, dass sie eine Woche auf Urlaub war und am 24. Dienst hat. Wenigstens das freut mich. Ich hab sie schon vermisst. Nach ca. 5 Minuten taucht Aaron wieder auf. "Kommen alle zu mir? Der Simon, und die Miriam, und der Papa? Und bleibst du auch da?" will er wissen, und später noch: "Und gibt es ganz viele Packerl?" Am Abend vor dem Einschlafen sagt er dann: "Ich freu mich schon so."

Dienstag, 21. Dezember 2010

Lichtblick

In den letzten Tagen war Aaron wirklich sehr betrübt gewesen. Als dann gestern das erste Mal davon die Rede war, dass er zu Weihnachten nach Hause dürfe, hat er sich eher dagegen gewehrt, so als wollte er es gar nicht wahrhaben. Ich erzählte ihm, dass er dann auch wieder hinaus in den Schee dürfe, zum Beispiel im Garten Bob fahren. Da sagte er, der sich so danach sehnt, wieder raus zu dürfen, nur trotzig: "Ich will gar nicht Bob fahren!" - wie der Fuchs, der meint, die Trauben sind sowieso zu sauer, bloß weil sie ihm zu hoch hängen. Es tat ziemlich weh, ihn so zu sehen, ihn, der sich bis jetzt auf so bewundernswerte Weise seine Fröhlichkeit bewahrt hat. Aber verständlich ist es ja natürlich auch. Gerade, als er dachte, es würde jetzt nicht mehr so schrecklich lang dauern, bis er wieder "ganz gesund" sei, d.h. wieder alles tun und essen darf, was andere Kinder auch tun und essen, da hat er einen solchen Rückschlag erlitten. Vielleicht hat er ja auch selber ein bisschen Angst davor, das Krankenhaus zu verlassen, denn er sagte heute mehrmals, er würde sich wünschen, mitsamt dem ganzen Krankenhaus heimfahren zu können.

Gestern Abend kam dann noch hinzu, dass Aaron mich absolut nicht wegehen lassen wollte, als Markus mich ablösen kam. Musste ich aber, schließlich musste ich heute zur ersten Stunde in der Schule sein. Als ich dann wieder zu Aaron kam, war er immer noch traurig, aber im Laufe des heutigen Tages ist er immer fröhlicher geworden, vor allem die Kunsttherapeutin hat ihn wieder zum Lachen (und übermütig/schlimm sein) gebracht. Beim Mittagsschlaf kuschelte er sich zu mir und war wieder versöhnt wegen meiner nächtlichen Abwesenheit, und schön langsam sickerte es zu ihm durch, dass er wirklich bald nach Hause darf. Am Abend fragte er schon die Schwester, als sie reinkam: "Was (glaubst du) darf ich morgen? - Nach Hause! Da fahr ich mit der Rettung!"

Das Mittagessen war heute ziemlich ungenießbar, ich hab's auch nicht runtergebracht, dafür wärmte ich uns am Abend Kartoffelpürree und Fleischlaibchen vom Billa. Da hat Aaron dann endlich wieder etwas voller Appetit gegessen, Pürree mit Fleischsaft. Er muss jetzt wieder ganz viel Medizin schlucken, weil die Blutwerte wieder ganz im Keller sind. Das wollte er zuerst gar nicht, aber am Abend war es gar kein Problem mehr. Die Vorfreude auf's Heimfahren hat's gemacht.

Sorge habe ich schon, ob es ihm zu Hause gut gehen wird, oder ob er ohne die (zum Teil Kortison-hältige) Infusion wieder stark erbrechen wird müssen. Und natürlich fürchte ich mich (zu Recht) auch ein bisschen vor einer möglichen Infektion. Aber ich weiß auch, dass es ihm ganz ganz gut tun wird, ein paar Tage heim zu dürfen und (hoffentlich) zu Hause Weihnachten feiern zu dürfen. Was Schlimmeres, als dass wir schnell wieder rein müssen, wird wohl nicht passieren.

Sonntag, 19. Dezember 2010

a propos Knochenmarksspender + Therapieplan

Ich werde immer wieder von Familienangehörigen und auch von Freunden gefragt, ob sie nicht auch vielleicht als Knochenmarksspender geeignet sein könnten. Simon und Miriam haben wir ja testen lassen, sie passen aber beide nicht, weshalb wir nun auf einen Fremdspender hoffen müssen. Cousins und Cousinen, oder andere Verwandte würden höchstwahrscheinlich nicht passen, denn das kommt, so sagte mir die Ärztin, höchstens in Familien vor, wo innerhalb der Familie geheiratet wurde, oder bei Familien aus irgendwelchen Gebirgstälern, wo jeder mit jedem verwandt ist. Markus und ich stammen aus verschiedenen Regionen, meine Eltern ebenfalls, die Eltern meines Mannes auch, nichtmal meine Großeltern sind aus dem selben Tal.

Natürlich, so sagte die Ärztin, können sich Verwandte und Freunde gerne als Knochenmarksspender registrieren lassen (dazu ist nur eine Blutabnahme erforderlich) aber das würde dann eher anderen Kindern zu Gute kommen. Wenn wir das hier überstanden haben, so oder so, dann werde ich selbst das ziemlich sicher auch tun. Einem Kind (durch so einen banalen Eingriff) das Leben zu retten, das ist schon eine gute Sache, auch wenn es dann vielleicht ein tapferer kleiner Japaner ist.

Die Suche nach einem Spender für Aaron (im weltweiten Pool) läuft bereits, ich habe aber noch keine Information bekommen, ob es schwierig sein wird oder vielleicht auch nicht. Die Ärztin hat versprochen, uns auf dem Laufenden zu halten. Bis es soweit ist, gibt es aber noch wichtige Hürden. Der jetzige Chemoblock läuft noch bis Montag, danach werden die Zellen rapide sinken, und es folgt wieder eine Zeit mit hohem Ansteckungsrisiko. Bei der nächsten Knochenmarkspunktion, zwei Wochen nach Therapiebeginn, wird man hoffentlich schon sagen können, ob Aarons Leukämie auf die Chemo anspricht. In 4 Wochen gibt's dann noch eine Punktion und es soll der zweite Chemo-Block starten, der dem jetzigen gleicht. Nach diesem zweiten Block soll eine komplette Remission erreicht sein, das heißt, dass keine Krebszellen mehr im Knochenmark nachweisbar sind. Ist das nicht der Fall, dann ist die Standard-Therapie nicht für Aarons Leukämie passend, und die Ärzte müssen eine spezielle "basteln", worin sie hier aber auch viel Erfahrung haben. Hat die Chemo geklappt, folgt noch ein dritter, etwas längerer Block, und erst danach eine wie auch immer geartete Transplantation. Es gibt da verschiedene Möglichkeiten. Die Wahl richtet sich einerseits danach, ob bis dorthin ein passender Spender gefunden wurde, aber auch danach, wie gut Aarons Leukämie auf die Chemo angesprochen hat.

Wenn alles nach Plan und ohne Komplikationen verläuft (was allerdings nicht wirklich zu erwarten ist), sind wir in etwa einem halben Jahr wieder übern Berg. In diesem halben Jahr werden wir meistens stationär sein. Die Ärztin sagte, wir sollten jeden Tag, den Aaron zu Hause wird verbringen können, als Geschenk annehmen, aber lieber nicht damit rechnen.

ein eher trauriges Wochenende

Mein Mann hat mich wie abgemacht am Freitag Nachmittag abgelöst. Simon war zuvor noch mit dem Zug zu uns nach Wien gekommen, weil er seinen kleinen Bruder besuchen wollte. Jener wollte allerdings nicht besonders viel mit ihm zu tun haben. Er war sauer, weil er nicht wollte, dass Mama wegfährt.

Am Freitag Abend fuhr ich zum Adventfest in Miriams Schule, sie war sehr froh, dass ich da war, und das war auch der Grund, warum ich während des Konzerts durchgehalten habe. Für mich war es fast unerträglich, meine ehemaligen Kolleginnen mit kleinen Kindern auf dem Schoß dasitzen zu sehen, weiß ich doch, wie glücklich Aaron immer den musikalischen Darbietungen auf derartigen Events gelauscht hat. Ganz nach dem Motto "Lass keinen Tag ohne Freude vergehen" hatte ich dann am Adventmarkt mit meiner Tochter allerdings richtig Spaß. Sie nötigte mich, möglichst viel von den Bastelarbeiten ihrer Klasse zu kaufen, das war jedoch gar nicht nötig, denn ich hatte extra Geld abgehoben und eine große Handtasche mitgebracht. So kaufte ich dann verschiedene adventliche Dinge, einerseits für Aarons Krankenzimmer, andererseits auch für zu Hause, und beim leiblichen Wohl sparte ich auch nicht.

Danach beschäftigte ich mich noch bis 1h morgens intensiv mit Wäsche waschen, Kekse verziehren und backen, ... schob das Zu-Bett-gehen hinaus, denn zu Hause zu schlafen, wenn Aaron nicht neben mir liegt, das ist für mich weit schlimmer, als mit ihm im Spital zu sein. Während im Spital schon Vieles Routine ist, gibt es zu Hause so viele Dinge, die mich schmerzen. Es tut mir ja schon weh, wenn ich noch eine Schnee-Hose von ihm hinterm Ofen hängen seh, wo ich sie nach dem Toben im Schnee zum Trocknen aufgehängt hab, weil dann unweigerlich die Angst hochkommt, dass er so eine Hose vielleicht nie wieder brauchen wird.

Auch den Samstag füllte ich mit möglichst viel Tätigkeit, und war trotzdem recht nervös, und blöder Weise dadurch auch den Großen gegenüber manchmal ungeduldig. Die haben allerdings total verständnisvoll reagiert. Am späten Nachmittag war ich dann noch mit Simon im Kino, den neuen Harry Potter ansehen, was ich ihm schon vor Wochen versprochen hatte, während Miriam Aaron im Spital besuchte. Das konnte ich dann schon einigermaßen genießen.

Heute, Sonntag, war ein typischer, langweiliger Spitals-Sonntag. Keine Untersuchungen, keine Kindergärtnerin oder gelben Tanten, die Schwestern kommen auch nur, wenn's wo piepst. Aaron war, wie auch schon am Samstag beim Papa, recht traurig. Man muss sich ziemlich ins Zeug legen, um ihn vom DVD-schauen am Laptop loszureißen, er hat auf gar nichts so recht Lust, am wenigsten auf's Essen. Momentan, wenn man ihm etwas hinstellt, sagt er zwar vielleicht: "Mmmm, Fleisch und Karotten!", aber dann macht er ein oder zwei Bissen und schaut mich dann nur mehr traurig an. Es schmeckt einfach gar nichts, oder fühlt sich nicht gut an im Bauch. Aber wenigstens erbricht er diesmal nicht.

Ganz trübsinnig wurde er, als ich telefonisch neben ihm die Weihnachtsfeiertage plante. Er hörte mich vom Schifahren und Rodeln reden, vom zum Opa fahren, usw. und wusste natürlich, dass er da überall nicht mit dürfte. Am meisten störte ihn, dass ich am Montag Abend schon wieder vom Papa abgelöst werde, weil ich ja Di früh unterrichten muss. Ich denke trotzdem, dass es wichtig ist, dass wir uns abwechseln. Die großen Kinder brauchen auch ihre Mama, und zerreißen kann ich mich nunmal nicht. Und irgendwie muss ich es auch noch schaffen, mich zu Hause wohlfühlen und entspannen zu können, auch wenn Aaron im Spital ist. Gottseidank kam danach noch Aarons Taufpatin zu Besuch, die ihn mit Packerl und Spielen super ablenken konnte.

Donnerstag, 16. Dezember 2010

letzter "Ausgang"

Geschlafen habe ich schlecht in dieser Nacht. Aaron ist mehrmals mit nasser Hose aufgewacht, hatte er doch nach der Narkose Unmengen getrunken und hängt überdies am Tropf. Außerdem klagte er einmal über Kopfschmerzen, die wir aber mit Hilfe eines feuchten Waschlappens lindern konnten. Das Kabel am "Leuchtfinger" (zur Sauerstoffsättigungs- und Herzschlags-Überwachung) störte ihn, und die Operations-Stelle war auch noch weh. Außerdem erbrach er einen Teil der heißhungrig verzehrten Schokolebkuchen wieder, weil mir die Ärtin nicht geglaubt hatte, dass ihm auf Cytarabin ins Rückenmark noch immer schlecht geworden ist.

Heute Morgen waren die noch ausständigen Untersuchungen an der Reihe, zuerst das EEG, das Aaron schon vermisst hatte. Ich ging ganz bewusst mit Aaron über den verschneiten Innenhof, nicht wie mit Patienten üblich durch den Keller, obwohl, oder gerade weil ich ihm dazu Jacke, Haube und Stiefel anziehen musste. Bis jetzt war Aaron immer auf meinem Schoß gesessen während der Untersuchung, jetzt aber wollte er alleine sitzen. Er ist schon groß. Und er kennt sich aus.

Anschließend mussten wir nocheinmal zum Rhöntgen in den Keller. Damit wurde überprüft, ob der Katheder auch ganz richtig sitzt und keine umliegenden Organe (Lunge, Herz) beschädigt wurden. Und danach kam gleich unser großer Ausflug zum CT auf die Bellaria. Der Fahrer vom St.Anna-Krankenwagen ist ganz im Geiste des Hauses sehr lieb zu den Kindern. Er ließ Aaron selbst die Türen zum Wagen öffen und schließen, sich selbst anschnallen, und Aaron hatte ein letztes Mal Gelegenheit, durch den Schnee zu stapfen.

Beim Anblick der "Röhre" stockte Aaron merklich. So sehr ihn die großen Untersuchungs-Geräte faszinieren, so erschrecken sie ihn doch auch. Ich nahm Aaron auf den Arm und zeigte ihm erst einmal das Gerät aus einer etwas höheren Perspektive, während ihm die medizinische Assisstentin die Funktion erklärte. Aaron wollte von mir noch einmal erinnert werden, wie das war, als er sich "nicht getraut hat auf den Tisch zu legen", das war bei der Bestrahlung - eine ähnliche Situation. Danach war er bereit, sich hinlegen zu lassen. Ich bekam einen Umhang und durfte bei ihm bleiben und ihn am Fuß halten. So konnte er mich sehen und spüren.

Beim Einstellen des Gerätes erschrak er noch jedes Mal, wenn der Tisch sich bewegte. Wir schärftem ihm also ein, dass er nicht erschrecken solle und ganz ruhig liegen bleiben müsse, gerade wenn sich das Ding in Bewegung setzt, weil es gerade dann die Bilder macht, die durch sein Zusammenzucken heillos verwackelt würden. "Du darfst jetzt nicht nicken oder den Kopf schütteln, wenn ich mit dir rede. Lieber nicht so viel schauen, sonst bewegst du den Kopf mit. Mach lieber ein bisschen die Augen zu, während der Tisch mit dir fährt." Ihr hättet die Konzentration in seinem Gesicht sehen sollen. In den kritischen Momenten hat er tatsächlich nicht einmal wirklich geatmet, obwohl die Assisstentin davon gar nichts gesagt hatte, weil das ihrer Erfahrung nach bei so kleinen Kindern einfach nicht funktioniert.

Das erste Bild entstand während des Wartens vor der Untersuchung, seine Haare sind vom EEG noch so lustig "gegelt".



Nach Abschluss der Unteruchung wurden wir noch gebeten zu warten, bis die Bilder fertig waren. Aaron marschierte zuerst noch einmal eine Inspektionsrunde um das Gerät und erkundete dann den Arbeitsplatz der Assistentin. Er hat nichts angerührt, aber es mag sein, dass es ihr doch ein wenig lästig war, dass er immer wieder ihre Schiebetüre öffnete. Ich ließ ihn gewähren, auch später, als er immer und immer wieder den Liftknopf drückte und beim Warten auf unseren Abholdienst immer wieder durch die automatische Tür auf die Straße hinaus lief, was wegen des kalten Luftzugs den Angestellten sicherlich unangenhm war. Es sagte aber niemand was, nicht einmal, als er den riesigen Zimmerbrunnen ein und ausschaltete und mit den nassen Händen die Glastür verschmierte (die ich mehrmals wieder abtrocknete). Wissend, dass dies vielleicht für lange Zeit sein letzter Ausgang sein würde, bremste ich ihn nur sacht.

Zurück auf der Station durfte er noch ein paar Runden mit dem Dreirad fahren. Zu Mittag wurde die Chemo angehängt, und wir wurden auch gleich wieder eingeschleust, was mich selber überraschte. Eine Vorsichtsmaßnahme. Es handelt sich um eine sehr starke Chemo, die Zellen werden rasch schwinden. Das Eingesperrt und Angehängt sein stört Aaron natürlich sehr. Aber immerhin ist er jetzt den Venflon wieder los - der Katheder schmerzt auch schon nicht mehr - und heute Nacht braucht er auch keinen "Leuchtfinger" mehr. Ich weiß nicht, wann er wieder aus dem Zimmer dürfen wird, sag ihm aber erst einmal, dass dieser Chemo-Block jetzt nur 5 Tage dauert, danach muss er zumindest nicht mehr 24h am Tropf hängen. Zum Trost putzte ich das Dreirad und stellte es ins Zimmer, wo er nun reversieren üben kann.

"wieder da"

Am Mittwoch, 15.12. "reisen" wir ins St.Anna. Eigentlich wohnen wir ja nicht weit weg, aber an diesem Morgen sind wir im dichten Schneetreiben fast zwei Stunden unterwegs. Mein Mann und ich sind an diesem Morgen mit ähnlichen, quälenden Gefühlen aufgewacht. Ich fühlte mich, als müsste ich zum Henker, Markus verwendete das Bild des Schlächters. Wir wissen es beide, unser Kind ist schwer krank, wir bringen es ins Krankenhaus, damit es geheilt werden kann. Aber ich schreibe hier vom Gefühl. Wir fahren mit einem "gesunden" Kind ins Krankenhaus, wissend, was ihn dort erwartet, nicht wissend, ob er je mit uns im Auto diesen Weg wieder in die andere Richtung zurücklegen wird. Das hat nichts mit negativem Denken zu tun, es ist nur diese Scheiß-Angst, die zu leugnen zwecklos ist, die auszusprechen uns einander aber auch näher bringt. Während der Autofahrt werden auch Aaron einige Dinge bewusst, auf die er jetzt wieder wird verzichten müssen. So jammert er zum Beispiel, er wolle (jetzt auf der Stelle / diese Strecke hier) mit dem Traktor fahren.

Auf der 2B begrüßen uns ausnahmslos betroffene Gesichter. Alle hätten sich gewünscht, uns nicht wieder hier anzutreffen, zumindest nicht unter diesen Umständen. Wer es noch nicht weiß, sieht mich fragend an, und ich sage nur, wir sind "wieder da". Hier im St.Anna weiß man schon, was ich damit meine. Die Bestürzung im Gesicht meines Gegenübers zeigt mir, dass sie verstehen. Die Situation ist ernst. Nicht hoffnungslos, nein, aber sehr ernst.

Aaron ist einmalige Spitze. Man hat das Gefühl, er kommt nach Hause. Er schnappt sich das Dreirad und kurvt seine Runden, bleibt stehen, spricht das Personal an: "Du, weißt du noch, wie du mit mir Zug gespielt hast?" - "Hey, du hast vergessen noch mit mir zu malen!"

Der Untersuchungs-Marathon ist für ihn eigentlich eine willkommene Ablenkung in der Zeit des Nicht-essen-dürfens. Wir gehen zum Ultraschall, wo zur Vorbereitung der Katheder-Operation die Durchlässigkeit der Hals-Venen überprüft wird. Ich habe meinem extrem kitzeligen Kind erklärt, dass es nicht lachen darf, weil sonst das Bild verwackelt wird. Jetzt liegt er da, ganz still und konzentriert, und nur am Zucken der Zehen erkennt man, dass er sich am liebsten krümmen würd vor Lachen. Die untersuchende Ärztin sagt zwar, dass sie ein lachendes Kind hier als willkommene Abwechslung betrachten würde, lobt aber trotzdem Aarons Selbstbeherrschung.

Anschließend müssen wir noch zum Rhöntgen, zum EKG und zum Herz-Echo - auch eine Ultraschall-Untersuchung. Überall ist Aaron gleich kooperativ. Er hat keine Angst, er kennt sich aus. Das ist für ihn ein unglaublicher Vorteil im Vergleich zur ersten Runde. Später, als ich mit ihm vor dem Einschlafen die heutigen Erlebnisse noch einmal Revue passieren lasse, setzt er sich ganz aufgeregt auf. Wir haben eine Untersuchung vergessen! Wir waren noch nicht da mit der Haube, beim EEG.

Nach Abschluss der Untersuchungen gibt's wieder Zauberpflaster für den Venflon, und dann heißt es warten. Es sind noch Thrombos bestellt, denn für die OP hat er zu wenige. Weil Mittwoch ist, ist Eltern-Runde der Kinderkrebshilfe, und ich setze mich dazu, währen Aaron mit dem Dreirad seine Runden fährt. Mir wird ein Stück Kuchen angeboten, ich nehme es an, Aaron kommt grad vorbei, schaut kurz, fährt weiter, ohne etwas zu sagen. Er weiß, er darf jetzt nichts essen. Die Kindergärtnerin lässt ihn den Stations-Adventkalender öffen. Es sind Naschsachen drin und ein kleines Spielzeug. Er legt die Naschsachen kommentarlos auf sein Nachtkästchen. Als der Mittag vorübergeht, wird der Hunger allerdings schon sehr groß. ("Mama, ich will was ESSEN!") Aber nun dauert es nicht mehr lange.

Um etwas 13h30 werden wir gerufen. Ich erfahre, dass Frau Dr Keck den Eingriff vornehmen wird. Sie hat das schon unzählige Male gemacht. Ich vertraue ihr. Aaron hat auch jetzt keine Angst. Er findet es sogar lustig sich nackig auszuziehen und nur mit einem OP-Hemdchen bekleidet unter die Decke zu schlüpfen. Die grüne Haube wollte er allerdings nicht gleich aufsetzen. ICh denke aber, das tat er, um den jungen Assistenzarzt zu ärgern, der so gar keinen Spaß zu verstehen schien, obwohl Aaron immer wieder seinen Bart angreifen wollte.

Der Eingriff dauerte diesmal mehr als 1 1/2 Stunden, und wie immer wurde ich gegen Ende hin nervös. Vertrauen hin oder her, wenn es länger dauert als ich gedacht habe, dann fallen mir halt schon die ganzen möglichen Komplikationen wieder ein, die mir eine pflichtbewusste Ärztin wieder heruntergebetet hatte, als sie mir die Einwilligungserklärung zur Unterschrift reichte.

Nach dem Eingriff ist Aaron bald wieder guter Dinge. Ich selbst fühle mich ein bisschen überrollt, als mir klar wird, dass die Lumbalpunktion nicht nur zur Untersuchung diente sondern auch schon wieder Cytarabin gespritzt wurde. Was hatte ich denn erwartet? Was würde ein Aufschieben der Chemo denn bringen? Trotzdem, es geht los. Die Schwester, die ein Medikament an den Tropf hängt sagt nur: "Das ist das Sowieso, das gehört zur Therapie." Und wusste noch gar nicht, dass wir schon mit der Therapie begonnen haben. Die Ärztin ist im Stress, aber weil ich nachfrage, nimmt sie sich doch gleich Zeit und erklärt mir wenigstens den groben Überblick und was momentan gemacht wird. Den Therapieplan hat sie mir ausgedruckt. Nach diesem Gespräch ist es irgendwie anders. Das Ankommen ist vorbei, wir sind wieder mitten drin. Mit dem Plan in der Hand ist das Ziel definiert und die ersten kleinen Schritte, die es jetzt zu gehen gilt. Irgendwie ist das schon fast wieder normal. Ich bin angekommen.

der Schein trügt

Montag, 13. 12. im St.Anna zur Knochenmarkspunktion:


Aaron sagt zwar "Oh NEIN! Keine Schlafmilch!", als ich ihm erkläre, was wir vorhaben, akzeptiert aber alles in kurzer Zeit, so ist dann auch der Venflon kein Problem. Es war ein anderer Anesthäsist da, der hat kein Propofol verwendet, sondern Dormikum. Das ist für Aaron eigentlich angenehmer, es macht lustig, und das Einschlafen ist nicht so abrupt. Allerdings dauert auch das Aufwachen wesentlich länger, Aaron ist danach noch relativ lange "rauschig".

Als Dr Kager mir später den Befund mitteilt, ist er selbst ganz betroffen. Es war kein Virus. Die Krebszellen sind wieder da, zwar nur zu 15% im Knochenmark (offiziell spricht man ab 20% von einem Wieder-hoch-kommen der Erkrankung), aber die Ärzte sind sich so sicher, dass sie uns schon für Mittwoch, 15.12. einen OP-Termin besorgt haben. Aaron soll wieder einen Katheder bekommen und eine Lumbalpunktion wird gemacht.

Aaron weint, als ich ihm erkläre, dass wir wieder für längere Zeit ins Krankenhaus müssen, dass er einen neuen Katheder bekommt, ... Aber kaum zwei Minuten lang. Dann lauscht er meinen Erklärungen und akzeptiert, dass er ein weiteres Mal gegen die bösen Zellen wird kämpfen müssen.

An unserem letzten Tag "in Freiheit", tollen Aaron und ich besonders ausgelassen im Schnee herum, und ich wundere mich über mich selbst, dass ich so ausgelassen lachen kann, bei dieser ungeheuren Last auf meinem Herzen. Aber ich habe gelernt, im Moment zu sein, in kleinen Schritten zu denken. Ein Atemzug, ein Schritt, ein Besenstrich, ...

gesund und fit

Die Haare sind gewachsen, ...
Aaron liebt das Herbstlaub ...

... und ist ein fitter Bergsteiger.

Er hat Spaß am "trick or treating",

... und erst recht auf Schnee und Eis!




Und doch bleibt die Sorge.
Die Werte sind nicht berauschend, die Leukos schwanken noch immer stark, obwohl er nicht in den Kindergarten geht. Ich selber habe wieder zu arbeiten begonnen und mir prompt eine Infektion geholt. Gottlob steckt Aaron sich kaum an, aber die Leukos sind gleich wieder tief, die Therapie muss wieder unterbrochen werden.
Sorgen bereitet mir aber vor allem, dass die Thrombozyten nun schon seit längerem zu tief sind. Die Ärzte meinen, das läge wohl noch an den Spritzen, aber das ist für mich keine plausible Erklärung. Schließlich hatte er die Spritzen auch schon im Sommer, und da waren die Thrombos konstant normal.

Wer immer Aaron sieht und erlebt, sagt: "Schau ihn dir doch an! - Der holt jetzt alles nach." Es stimmt auch. Schon Wochen vor dem ersten Schnee lief er mit seinem Schi-Helm in der Wohnung herum. Er ist lustig und laut und schlimm und lieb für drei. Warum mache ich mir Sorgen? Bin ich überängstlich?

Am Dienstag, den 7.12. ist Dr Kager in der Ambulanz im St.Anna. Er kennt Aaron seit Beginn der Erkrankung. Er teilt meine Sorge wegen der Thrombos und erstmals wird mir erklärt, dass auch die Thrombozyten durch Infektionen dezimiert werden können. Der Arzt ordnet eine weitere externe Blutkontrolle am Freitag an und sagt, wenn die nicht deutlich besser ist, möchte er sich das Knochenmark ansehen. Er tippt auf einen Virus.