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Dienstag, 28. Dezember 2010

Montag, 27. Dezember

Dr Kronberger ist wieder da und auch Labor, Ultraschall, Rhöntgen, ... sind wieder voll besetzt. Aaron geht es schlecht. Trotz Antibiotika-Cocktail, fiebert er immer noch hoch, und der Entzündungswert ist auf 31 angestiegen. Aaron hat fast ständig große Schmerzen im Bauch und total berührungsempfindliche Nieren, atmet sehr flach, schnell und abgehackt, die Sauerstoff-Sättigung ist unzureichend, in der Lunge ist Wasser. Die Sache mit dem Sauerstoff ist so ein bissi ein Problem, weil er keine Maske aufsetzen will. Nach der ersten fast durchwachten Nacht hab ich ihm allerdings so etwas gebastelt, ein Sauerstoff-Schläuchchen, das eigentlich direkt auf die Nase montiert wird, zurecht geschnipselt und am Schnulli befestigt. Das akzeptiert er jetzt brav, auch wenn es ein bisschen unangenehm ist, in die Nase geblasen zu bekommen.

Aufgrund all dieser Probleme hält es Frau Dr Kronberger für besser, ihn vorsichtshalber auf die Intensiv-Station zu verlegen, Intensiv-OÄ-Dr Keck kommt, bespricht die Situation und schaut sich Aaron an. Unteruchungen werden angeordnet, Lungenrhöntgen, Ultraschall vom Bauchraum+Nieren, Herz-Echo-Schall. Alle kommen mit ihren Geräten in unser Zimmer (einer nach dem anderen natürlich) weil Aaron nicht in den Keller transportiert werden kann/soll. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Aaron will nur noch endlich schlafen. Danach gibt es allerdings Entwarnung. Die Untersuchungen ergeben derzeit keine organischen Probleme. Das Wasser in der Lunge scheint durch das gegebene entwässernde Medikament verschwunden zu sein. Die Nieren sind zwar geschwollen, aber an sich nicht entzunden, die Darmwand ist in Ordnung, das Herz arbeitet normal. Die Ärzte entscheiden, uns vorerst doch auf der 2B zu belassen, sofern sich die Situation nicht verschlechtert. Am Nachmittag sinkt endlich das Fieber. Aaron hat zwar immer noch häufig starke Schmerzen, aber auch schon ein paar Minuten, wo er im Bett sitzt.

Dienstag, 28. 12.

Die Nacht war besser als die letzten. Zumindest haben wir stundenweise geschlafen. Zwischendurch natürlich oft aufgeweckt, und wegen Bauchschmerzen auch 3x fast eine Stunde wach. Aber gefiebert hat er in der Nacht nicht, erst tagsüber leider wieder. Voller Hoffnung warte ich auf den Blutbefund. Gottseidank, der Entzündungswert ist wieder Rückläufig, 20 komma irgendwas. Immer noch extrem hoch, aber doch besser als gestern. Das heißt, dass der Antibiotika-Cocktail zu wirken begonnen hat und er wird vorerst auch so beibehalten. Außerdem bekommt Aaron jetzt ein krampflösendes Medikament dazu. Das hilft gut gegen die Bauchschmerzen. Endlich wacht er mal nicht mit Bauchweh auf, sondern ist kurz auch wieder fröhlich, und zu Mittag schläft er lange und ruhig. Im Schlaf braucht er immer noch Sauerstoff - und er schläft fast den ganzen Tag. Aber zwischendurch, wenn er aufrecht sitzt, schalte ich ihn auch schon mal aus. Tagsüber hat Aaron noch "gefastet", aber am Abend hat er eine halbe Schoko-Palatschinke gegessen.

Die schlechte Nachricht: die Labor-Untersuchungen haben ergeben, dass Aaron sowohl eine bakterielle Infektion hat, als auch eine Pilzinfektion. Das ist zwar noch nicht zu 100% sicher, es folgen noch weitere Tests, aber Aaron bekommt jetzt auch noch eine Infektion gegen Pilze. Zusätzlich braucht er ja jetzt auch fäglich eine Blutkonserve, mal Vorgestern Erys (rotes Blut), gestern Thrombos, heute schon wieder Erys. Mit den ganzen Infusionen und Überwachungsmonitoren, sieht unser Zimmer jetzt eh fast aus wie auf der Intensiv.


Aber es weihnachtet auch noch:

Sonntag, 26. Dezember 2010

wieder große Sorge

Schon am 24. hatte Aaron immer wieder starke Bauchschmerzen. Am 25. in der Früh war er richtig krank. Normalerweise wartet er im Winter nur darauf, dass es draußen endlich hell wird, damit er mich zum Aufstehen bewegen kann. Heute kam er nur in mein Bett gerutscht zum Kuscheln und wollte überhaupt nicht aufstehen. Die Temperatur, anfangs nur 38,5 kletterte rasch gegen 40. Noch bevor der Blutbefund da war, bekam Aaron Antibiotika angehängt. Unser Weihnachtsessen, das wir für die ganze Familie hier im Spital geplant hatten, wurde abgesagt, denn Aaron wollte nur seine Ruhe. Schaukeln in der neu montierten Hängematte war das einzige, wozu er an diesem Tag Lust hatte (außer im Bett herumliegen und dösen).


Der Entzündungswert im Blut, am 25. auf 1.1 schnellte bis 26. in der Früh auf fast 26(!!!) hoch. Aaron fiebert immer wieder sehr hoch. Zwischendurch wirken aber die fiebersenkenden Mittel und heute war er auch kurzzeitig schon wieder zum Spielen aufgelegt. Gegessen hat er nun schon wieder 3 Tage fast nichts, aber das ist nicht meine Hauptsorge. Die massive Entzündung, wo immer sie auch stecken mag, macht mir Angst, gerade jetzt, wo er null Leukos hat und von einer Regeneration noch weit entfernt ist.

Weihnachten im St.Anna


Ich hatte mithilfe von zwei Vorhang-Schals aus unseren beiden Krankenbetten ein wunderschönes Himmelbett gebastelt. Der kleine künstliche Weihnachtsbaum sah mit all dem Schmuck und den LED-Kerzen sehr hübesch aus, und es gab viele, viele Packerl.


Aaron spielte zu "Kling Glöckchen, klingelingeling" die Triangel.


Aaron war glücklich mit seinen Geschenken.


Und wir hatten sogar alle im Zimmer Platz für unsere Weihnachtsjause.

Zu Hause gab es für Simon und Miriam dann auch noch einen echten Christbaum mit echten Kerzen und nochmal Packerl unterm Baum. Da war die Freude groß.

Donnerstag, 23. Dezember 2010

doch nicht

Am Mittwoch, den 22.12. hält Aarons gute Laune vorerst an, bis die Ärzte kommen. Sie bitten Aaron, der gerade mit mir am Tisch Lotti Karotti spielt, sich ins Bett zu legen. Sie haben ein Thrombozytenkonzentrat gebracht. Damit habe ich gerechnet. Gestern hatte Aaron nur noch 24 ooo Thrombos, und wenn der Wert unter 20 ooo sinkt, braucht er eine Konserve. Wenn sie uns wirklich bis 25. heimschicken wollen, dann war mir klar, dass er vorher noch Thrombos brauchen würde. "Aaron schau," sag ich deshalb, "du bekommst noch Thrombos, die brauchst du, sonst können wir nicht nach Hause fahren." Betretenes Schweigen des jungen Arztes. Die Schwester schaut mich an und fragt: "Haben Sie den Blutbefund schon gesehen?" Hatte ich nicht. "Na, ich kenn ihn schon," sagt sie, und nach einer kleinen Pause, "die Leukos sind auf null, null komma null sechs, um genau zu sein." - "Au weh!" mir ist gleich klar, was das heißt. Dem Aaron offenbar auch, er zieht sich sein Schmusetuch über den Kopf und ist ganz still, "nicht da". "Frau Dr Kronberger wird dann noch mit Ihnen sprechen," stammelt der junge Arzt verlegen, "Wir finden sicherlich eine Lösung." Die Schwester, sie kennt mich schon gut, schüttelt den Kopf und sagt, "Ihr werdet es hier auch schön haben." Der Arzt erklärt noch, dass es bei einem Rezidiv eben schwer abzuschätzen sei, wie schnell die Werte nach der Chemo sinken, normalesweise sei der Nullpunkt eher erst nach dem 10. Tag zu erwarten, heute ist der 7. Dann ist er weg. Es ist ihm peinlich. Dabei kann er doch gar nichts dafür.

"Hast du gehört, Aaron?" frage ich das Kind unterm Tuch, "Du hast gar keine Leukos mehr, da ist es jetzt für dich zu gefährlich, nach Hause zu fahren. Aber es werden alle zu uns kommen, und wir werden hier Weihnachten feiern. - Sei nicht traurig. Weihnachten wird trotzdem schön." Ich setzte mich zu ihm. Keine Reaktion, kein Ton, kein Protest, kein Weinen. Ich plaudere mit der Schwester, während wir zusehen, wie die Thrombos (heute mit Höchstgeschwindigkeit) durch den Infusionsschlauch tropfen. Ich frage nach Schwester Franziska und bekomme die Auskunft, dass sie eine Woche auf Urlaub war und am 24. Dienst hat. Wenigstens das freut mich. Ich hab sie schon vermisst. Nach ca. 5 Minuten taucht Aaron wieder auf. "Kommen alle zu mir? Der Simon, und die Miriam, und der Papa? Und bleibst du auch da?" will er wissen, und später noch: "Und gibt es ganz viele Packerl?" Am Abend vor dem Einschlafen sagt er dann: "Ich freu mich schon so."

Dienstag, 21. Dezember 2010

Lichtblick

In den letzten Tagen war Aaron wirklich sehr betrübt gewesen. Als dann gestern das erste Mal davon die Rede war, dass er zu Weihnachten nach Hause dürfe, hat er sich eher dagegen gewehrt, so als wollte er es gar nicht wahrhaben. Ich erzählte ihm, dass er dann auch wieder hinaus in den Schee dürfe, zum Beispiel im Garten Bob fahren. Da sagte er, der sich so danach sehnt, wieder raus zu dürfen, nur trotzig: "Ich will gar nicht Bob fahren!" - wie der Fuchs, der meint, die Trauben sind sowieso zu sauer, bloß weil sie ihm zu hoch hängen. Es tat ziemlich weh, ihn so zu sehen, ihn, der sich bis jetzt auf so bewundernswerte Weise seine Fröhlichkeit bewahrt hat. Aber verständlich ist es ja natürlich auch. Gerade, als er dachte, es würde jetzt nicht mehr so schrecklich lang dauern, bis er wieder "ganz gesund" sei, d.h. wieder alles tun und essen darf, was andere Kinder auch tun und essen, da hat er einen solchen Rückschlag erlitten. Vielleicht hat er ja auch selber ein bisschen Angst davor, das Krankenhaus zu verlassen, denn er sagte heute mehrmals, er würde sich wünschen, mitsamt dem ganzen Krankenhaus heimfahren zu können.

Gestern Abend kam dann noch hinzu, dass Aaron mich absolut nicht wegehen lassen wollte, als Markus mich ablösen kam. Musste ich aber, schließlich musste ich heute zur ersten Stunde in der Schule sein. Als ich dann wieder zu Aaron kam, war er immer noch traurig, aber im Laufe des heutigen Tages ist er immer fröhlicher geworden, vor allem die Kunsttherapeutin hat ihn wieder zum Lachen (und übermütig/schlimm sein) gebracht. Beim Mittagsschlaf kuschelte er sich zu mir und war wieder versöhnt wegen meiner nächtlichen Abwesenheit, und schön langsam sickerte es zu ihm durch, dass er wirklich bald nach Hause darf. Am Abend fragte er schon die Schwester, als sie reinkam: "Was (glaubst du) darf ich morgen? - Nach Hause! Da fahr ich mit der Rettung!"

Das Mittagessen war heute ziemlich ungenießbar, ich hab's auch nicht runtergebracht, dafür wärmte ich uns am Abend Kartoffelpürree und Fleischlaibchen vom Billa. Da hat Aaron dann endlich wieder etwas voller Appetit gegessen, Pürree mit Fleischsaft. Er muss jetzt wieder ganz viel Medizin schlucken, weil die Blutwerte wieder ganz im Keller sind. Das wollte er zuerst gar nicht, aber am Abend war es gar kein Problem mehr. Die Vorfreude auf's Heimfahren hat's gemacht.

Sorge habe ich schon, ob es ihm zu Hause gut gehen wird, oder ob er ohne die (zum Teil Kortison-hältige) Infusion wieder stark erbrechen wird müssen. Und natürlich fürchte ich mich (zu Recht) auch ein bisschen vor einer möglichen Infektion. Aber ich weiß auch, dass es ihm ganz ganz gut tun wird, ein paar Tage heim zu dürfen und (hoffentlich) zu Hause Weihnachten feiern zu dürfen. Was Schlimmeres, als dass wir schnell wieder rein müssen, wird wohl nicht passieren.

Sonntag, 19. Dezember 2010

a propos Knochenmarksspender + Therapieplan

Ich werde immer wieder von Familienangehörigen und auch von Freunden gefragt, ob sie nicht auch vielleicht als Knochenmarksspender geeignet sein könnten. Simon und Miriam haben wir ja testen lassen, sie passen aber beide nicht, weshalb wir nun auf einen Fremdspender hoffen müssen. Cousins und Cousinen, oder andere Verwandte würden höchstwahrscheinlich nicht passen, denn das kommt, so sagte mir die Ärztin, höchstens in Familien vor, wo innerhalb der Familie geheiratet wurde, oder bei Familien aus irgendwelchen Gebirgstälern, wo jeder mit jedem verwandt ist. Markus und ich stammen aus verschiedenen Regionen, meine Eltern ebenfalls, die Eltern meines Mannes auch, nichtmal meine Großeltern sind aus dem selben Tal.

Natürlich, so sagte die Ärztin, können sich Verwandte und Freunde gerne als Knochenmarksspender registrieren lassen (dazu ist nur eine Blutabnahme erforderlich) aber das würde dann eher anderen Kindern zu Gute kommen. Wenn wir das hier überstanden haben, so oder so, dann werde ich selbst das ziemlich sicher auch tun. Einem Kind (durch so einen banalen Eingriff) das Leben zu retten, das ist schon eine gute Sache, auch wenn es dann vielleicht ein tapferer kleiner Japaner ist.

Die Suche nach einem Spender für Aaron (im weltweiten Pool) läuft bereits, ich habe aber noch keine Information bekommen, ob es schwierig sein wird oder vielleicht auch nicht. Die Ärztin hat versprochen, uns auf dem Laufenden zu halten. Bis es soweit ist, gibt es aber noch wichtige Hürden. Der jetzige Chemoblock läuft noch bis Montag, danach werden die Zellen rapide sinken, und es folgt wieder eine Zeit mit hohem Ansteckungsrisiko. Bei der nächsten Knochenmarkspunktion, zwei Wochen nach Therapiebeginn, wird man hoffentlich schon sagen können, ob Aarons Leukämie auf die Chemo anspricht. In 4 Wochen gibt's dann noch eine Punktion und es soll der zweite Chemo-Block starten, der dem jetzigen gleicht. Nach diesem zweiten Block soll eine komplette Remission erreicht sein, das heißt, dass keine Krebszellen mehr im Knochenmark nachweisbar sind. Ist das nicht der Fall, dann ist die Standard-Therapie nicht für Aarons Leukämie passend, und die Ärzte müssen eine spezielle "basteln", worin sie hier aber auch viel Erfahrung haben. Hat die Chemo geklappt, folgt noch ein dritter, etwas längerer Block, und erst danach eine wie auch immer geartete Transplantation. Es gibt da verschiedene Möglichkeiten. Die Wahl richtet sich einerseits danach, ob bis dorthin ein passender Spender gefunden wurde, aber auch danach, wie gut Aarons Leukämie auf die Chemo angesprochen hat.

Wenn alles nach Plan und ohne Komplikationen verläuft (was allerdings nicht wirklich zu erwarten ist), sind wir in etwa einem halben Jahr wieder übern Berg. In diesem halben Jahr werden wir meistens stationär sein. Die Ärztin sagte, wir sollten jeden Tag, den Aaron zu Hause wird verbringen können, als Geschenk annehmen, aber lieber nicht damit rechnen.

ein eher trauriges Wochenende

Mein Mann hat mich wie abgemacht am Freitag Nachmittag abgelöst. Simon war zuvor noch mit dem Zug zu uns nach Wien gekommen, weil er seinen kleinen Bruder besuchen wollte. Jener wollte allerdings nicht besonders viel mit ihm zu tun haben. Er war sauer, weil er nicht wollte, dass Mama wegfährt.

Am Freitag Abend fuhr ich zum Adventfest in Miriams Schule, sie war sehr froh, dass ich da war, und das war auch der Grund, warum ich während des Konzerts durchgehalten habe. Für mich war es fast unerträglich, meine ehemaligen Kolleginnen mit kleinen Kindern auf dem Schoß dasitzen zu sehen, weiß ich doch, wie glücklich Aaron immer den musikalischen Darbietungen auf derartigen Events gelauscht hat. Ganz nach dem Motto "Lass keinen Tag ohne Freude vergehen" hatte ich dann am Adventmarkt mit meiner Tochter allerdings richtig Spaß. Sie nötigte mich, möglichst viel von den Bastelarbeiten ihrer Klasse zu kaufen, das war jedoch gar nicht nötig, denn ich hatte extra Geld abgehoben und eine große Handtasche mitgebracht. So kaufte ich dann verschiedene adventliche Dinge, einerseits für Aarons Krankenzimmer, andererseits auch für zu Hause, und beim leiblichen Wohl sparte ich auch nicht.

Danach beschäftigte ich mich noch bis 1h morgens intensiv mit Wäsche waschen, Kekse verziehren und backen, ... schob das Zu-Bett-gehen hinaus, denn zu Hause zu schlafen, wenn Aaron nicht neben mir liegt, das ist für mich weit schlimmer, als mit ihm im Spital zu sein. Während im Spital schon Vieles Routine ist, gibt es zu Hause so viele Dinge, die mich schmerzen. Es tut mir ja schon weh, wenn ich noch eine Schnee-Hose von ihm hinterm Ofen hängen seh, wo ich sie nach dem Toben im Schnee zum Trocknen aufgehängt hab, weil dann unweigerlich die Angst hochkommt, dass er so eine Hose vielleicht nie wieder brauchen wird.

Auch den Samstag füllte ich mit möglichst viel Tätigkeit, und war trotzdem recht nervös, und blöder Weise dadurch auch den Großen gegenüber manchmal ungeduldig. Die haben allerdings total verständnisvoll reagiert. Am späten Nachmittag war ich dann noch mit Simon im Kino, den neuen Harry Potter ansehen, was ich ihm schon vor Wochen versprochen hatte, während Miriam Aaron im Spital besuchte. Das konnte ich dann schon einigermaßen genießen.

Heute, Sonntag, war ein typischer, langweiliger Spitals-Sonntag. Keine Untersuchungen, keine Kindergärtnerin oder gelben Tanten, die Schwestern kommen auch nur, wenn's wo piepst. Aaron war, wie auch schon am Samstag beim Papa, recht traurig. Man muss sich ziemlich ins Zeug legen, um ihn vom DVD-schauen am Laptop loszureißen, er hat auf gar nichts so recht Lust, am wenigsten auf's Essen. Momentan, wenn man ihm etwas hinstellt, sagt er zwar vielleicht: "Mmmm, Fleisch und Karotten!", aber dann macht er ein oder zwei Bissen und schaut mich dann nur mehr traurig an. Es schmeckt einfach gar nichts, oder fühlt sich nicht gut an im Bauch. Aber wenigstens erbricht er diesmal nicht.

Ganz trübsinnig wurde er, als ich telefonisch neben ihm die Weihnachtsfeiertage plante. Er hörte mich vom Schifahren und Rodeln reden, vom zum Opa fahren, usw. und wusste natürlich, dass er da überall nicht mit dürfte. Am meisten störte ihn, dass ich am Montag Abend schon wieder vom Papa abgelöst werde, weil ich ja Di früh unterrichten muss. Ich denke trotzdem, dass es wichtig ist, dass wir uns abwechseln. Die großen Kinder brauchen auch ihre Mama, und zerreißen kann ich mich nunmal nicht. Und irgendwie muss ich es auch noch schaffen, mich zu Hause wohlfühlen und entspannen zu können, auch wenn Aaron im Spital ist. Gottseidank kam danach noch Aarons Taufpatin zu Besuch, die ihn mit Packerl und Spielen super ablenken konnte.

Donnerstag, 16. Dezember 2010

letzter "Ausgang"

Geschlafen habe ich schlecht in dieser Nacht. Aaron ist mehrmals mit nasser Hose aufgewacht, hatte er doch nach der Narkose Unmengen getrunken und hängt überdies am Tropf. Außerdem klagte er einmal über Kopfschmerzen, die wir aber mit Hilfe eines feuchten Waschlappens lindern konnten. Das Kabel am "Leuchtfinger" (zur Sauerstoffsättigungs- und Herzschlags-Überwachung) störte ihn, und die Operations-Stelle war auch noch weh. Außerdem erbrach er einen Teil der heißhungrig verzehrten Schokolebkuchen wieder, weil mir die Ärtin nicht geglaubt hatte, dass ihm auf Cytarabin ins Rückenmark noch immer schlecht geworden ist.

Heute Morgen waren die noch ausständigen Untersuchungen an der Reihe, zuerst das EEG, das Aaron schon vermisst hatte. Ich ging ganz bewusst mit Aaron über den verschneiten Innenhof, nicht wie mit Patienten üblich durch den Keller, obwohl, oder gerade weil ich ihm dazu Jacke, Haube und Stiefel anziehen musste. Bis jetzt war Aaron immer auf meinem Schoß gesessen während der Untersuchung, jetzt aber wollte er alleine sitzen. Er ist schon groß. Und er kennt sich aus.

Anschließend mussten wir nocheinmal zum Rhöntgen in den Keller. Damit wurde überprüft, ob der Katheder auch ganz richtig sitzt und keine umliegenden Organe (Lunge, Herz) beschädigt wurden. Und danach kam gleich unser großer Ausflug zum CT auf die Bellaria. Der Fahrer vom St.Anna-Krankenwagen ist ganz im Geiste des Hauses sehr lieb zu den Kindern. Er ließ Aaron selbst die Türen zum Wagen öffen und schließen, sich selbst anschnallen, und Aaron hatte ein letztes Mal Gelegenheit, durch den Schnee zu stapfen.

Beim Anblick der "Röhre" stockte Aaron merklich. So sehr ihn die großen Untersuchungs-Geräte faszinieren, so erschrecken sie ihn doch auch. Ich nahm Aaron auf den Arm und zeigte ihm erst einmal das Gerät aus einer etwas höheren Perspektive, während ihm die medizinische Assisstentin die Funktion erklärte. Aaron wollte von mir noch einmal erinnert werden, wie das war, als er sich "nicht getraut hat auf den Tisch zu legen", das war bei der Bestrahlung - eine ähnliche Situation. Danach war er bereit, sich hinlegen zu lassen. Ich bekam einen Umhang und durfte bei ihm bleiben und ihn am Fuß halten. So konnte er mich sehen und spüren.

Beim Einstellen des Gerätes erschrak er noch jedes Mal, wenn der Tisch sich bewegte. Wir schärftem ihm also ein, dass er nicht erschrecken solle und ganz ruhig liegen bleiben müsse, gerade wenn sich das Ding in Bewegung setzt, weil es gerade dann die Bilder macht, die durch sein Zusammenzucken heillos verwackelt würden. "Du darfst jetzt nicht nicken oder den Kopf schütteln, wenn ich mit dir rede. Lieber nicht so viel schauen, sonst bewegst du den Kopf mit. Mach lieber ein bisschen die Augen zu, während der Tisch mit dir fährt." Ihr hättet die Konzentration in seinem Gesicht sehen sollen. In den kritischen Momenten hat er tatsächlich nicht einmal wirklich geatmet, obwohl die Assisstentin davon gar nichts gesagt hatte, weil das ihrer Erfahrung nach bei so kleinen Kindern einfach nicht funktioniert.

Das erste Bild entstand während des Wartens vor der Untersuchung, seine Haare sind vom EEG noch so lustig "gegelt".



Nach Abschluss der Unteruchung wurden wir noch gebeten zu warten, bis die Bilder fertig waren. Aaron marschierte zuerst noch einmal eine Inspektionsrunde um das Gerät und erkundete dann den Arbeitsplatz der Assistentin. Er hat nichts angerührt, aber es mag sein, dass es ihr doch ein wenig lästig war, dass er immer wieder ihre Schiebetüre öffnete. Ich ließ ihn gewähren, auch später, als er immer und immer wieder den Liftknopf drückte und beim Warten auf unseren Abholdienst immer wieder durch die automatische Tür auf die Straße hinaus lief, was wegen des kalten Luftzugs den Angestellten sicherlich unangenhm war. Es sagte aber niemand was, nicht einmal, als er den riesigen Zimmerbrunnen ein und ausschaltete und mit den nassen Händen die Glastür verschmierte (die ich mehrmals wieder abtrocknete). Wissend, dass dies vielleicht für lange Zeit sein letzter Ausgang sein würde, bremste ich ihn nur sacht.

Zurück auf der Station durfte er noch ein paar Runden mit dem Dreirad fahren. Zu Mittag wurde die Chemo angehängt, und wir wurden auch gleich wieder eingeschleust, was mich selber überraschte. Eine Vorsichtsmaßnahme. Es handelt sich um eine sehr starke Chemo, die Zellen werden rasch schwinden. Das Eingesperrt und Angehängt sein stört Aaron natürlich sehr. Aber immerhin ist er jetzt den Venflon wieder los - der Katheder schmerzt auch schon nicht mehr - und heute Nacht braucht er auch keinen "Leuchtfinger" mehr. Ich weiß nicht, wann er wieder aus dem Zimmer dürfen wird, sag ihm aber erst einmal, dass dieser Chemo-Block jetzt nur 5 Tage dauert, danach muss er zumindest nicht mehr 24h am Tropf hängen. Zum Trost putzte ich das Dreirad und stellte es ins Zimmer, wo er nun reversieren üben kann.

"wieder da"

Am Mittwoch, 15.12. "reisen" wir ins St.Anna. Eigentlich wohnen wir ja nicht weit weg, aber an diesem Morgen sind wir im dichten Schneetreiben fast zwei Stunden unterwegs. Mein Mann und ich sind an diesem Morgen mit ähnlichen, quälenden Gefühlen aufgewacht. Ich fühlte mich, als müsste ich zum Henker, Markus verwendete das Bild des Schlächters. Wir wissen es beide, unser Kind ist schwer krank, wir bringen es ins Krankenhaus, damit es geheilt werden kann. Aber ich schreibe hier vom Gefühl. Wir fahren mit einem "gesunden" Kind ins Krankenhaus, wissend, was ihn dort erwartet, nicht wissend, ob er je mit uns im Auto diesen Weg wieder in die andere Richtung zurücklegen wird. Das hat nichts mit negativem Denken zu tun, es ist nur diese Scheiß-Angst, die zu leugnen zwecklos ist, die auszusprechen uns einander aber auch näher bringt. Während der Autofahrt werden auch Aaron einige Dinge bewusst, auf die er jetzt wieder wird verzichten müssen. So jammert er zum Beispiel, er wolle (jetzt auf der Stelle / diese Strecke hier) mit dem Traktor fahren.

Auf der 2B begrüßen uns ausnahmslos betroffene Gesichter. Alle hätten sich gewünscht, uns nicht wieder hier anzutreffen, zumindest nicht unter diesen Umständen. Wer es noch nicht weiß, sieht mich fragend an, und ich sage nur, wir sind "wieder da". Hier im St.Anna weiß man schon, was ich damit meine. Die Bestürzung im Gesicht meines Gegenübers zeigt mir, dass sie verstehen. Die Situation ist ernst. Nicht hoffnungslos, nein, aber sehr ernst.

Aaron ist einmalige Spitze. Man hat das Gefühl, er kommt nach Hause. Er schnappt sich das Dreirad und kurvt seine Runden, bleibt stehen, spricht das Personal an: "Du, weißt du noch, wie du mit mir Zug gespielt hast?" - "Hey, du hast vergessen noch mit mir zu malen!"

Der Untersuchungs-Marathon ist für ihn eigentlich eine willkommene Ablenkung in der Zeit des Nicht-essen-dürfens. Wir gehen zum Ultraschall, wo zur Vorbereitung der Katheder-Operation die Durchlässigkeit der Hals-Venen überprüft wird. Ich habe meinem extrem kitzeligen Kind erklärt, dass es nicht lachen darf, weil sonst das Bild verwackelt wird. Jetzt liegt er da, ganz still und konzentriert, und nur am Zucken der Zehen erkennt man, dass er sich am liebsten krümmen würd vor Lachen. Die untersuchende Ärztin sagt zwar, dass sie ein lachendes Kind hier als willkommene Abwechslung betrachten würde, lobt aber trotzdem Aarons Selbstbeherrschung.

Anschließend müssen wir noch zum Rhöntgen, zum EKG und zum Herz-Echo - auch eine Ultraschall-Untersuchung. Überall ist Aaron gleich kooperativ. Er hat keine Angst, er kennt sich aus. Das ist für ihn ein unglaublicher Vorteil im Vergleich zur ersten Runde. Später, als ich mit ihm vor dem Einschlafen die heutigen Erlebnisse noch einmal Revue passieren lasse, setzt er sich ganz aufgeregt auf. Wir haben eine Untersuchung vergessen! Wir waren noch nicht da mit der Haube, beim EEG.

Nach Abschluss der Untersuchungen gibt's wieder Zauberpflaster für den Venflon, und dann heißt es warten. Es sind noch Thrombos bestellt, denn für die OP hat er zu wenige. Weil Mittwoch ist, ist Eltern-Runde der Kinderkrebshilfe, und ich setze mich dazu, währen Aaron mit dem Dreirad seine Runden fährt. Mir wird ein Stück Kuchen angeboten, ich nehme es an, Aaron kommt grad vorbei, schaut kurz, fährt weiter, ohne etwas zu sagen. Er weiß, er darf jetzt nichts essen. Die Kindergärtnerin lässt ihn den Stations-Adventkalender öffen. Es sind Naschsachen drin und ein kleines Spielzeug. Er legt die Naschsachen kommentarlos auf sein Nachtkästchen. Als der Mittag vorübergeht, wird der Hunger allerdings schon sehr groß. ("Mama, ich will was ESSEN!") Aber nun dauert es nicht mehr lange.

Um etwas 13h30 werden wir gerufen. Ich erfahre, dass Frau Dr Keck den Eingriff vornehmen wird. Sie hat das schon unzählige Male gemacht. Ich vertraue ihr. Aaron hat auch jetzt keine Angst. Er findet es sogar lustig sich nackig auszuziehen und nur mit einem OP-Hemdchen bekleidet unter die Decke zu schlüpfen. Die grüne Haube wollte er allerdings nicht gleich aufsetzen. ICh denke aber, das tat er, um den jungen Assistenzarzt zu ärgern, der so gar keinen Spaß zu verstehen schien, obwohl Aaron immer wieder seinen Bart angreifen wollte.

Der Eingriff dauerte diesmal mehr als 1 1/2 Stunden, und wie immer wurde ich gegen Ende hin nervös. Vertrauen hin oder her, wenn es länger dauert als ich gedacht habe, dann fallen mir halt schon die ganzen möglichen Komplikationen wieder ein, die mir eine pflichtbewusste Ärztin wieder heruntergebetet hatte, als sie mir die Einwilligungserklärung zur Unterschrift reichte.

Nach dem Eingriff ist Aaron bald wieder guter Dinge. Ich selbst fühle mich ein bisschen überrollt, als mir klar wird, dass die Lumbalpunktion nicht nur zur Untersuchung diente sondern auch schon wieder Cytarabin gespritzt wurde. Was hatte ich denn erwartet? Was würde ein Aufschieben der Chemo denn bringen? Trotzdem, es geht los. Die Schwester, die ein Medikament an den Tropf hängt sagt nur: "Das ist das Sowieso, das gehört zur Therapie." Und wusste noch gar nicht, dass wir schon mit der Therapie begonnen haben. Die Ärztin ist im Stress, aber weil ich nachfrage, nimmt sie sich doch gleich Zeit und erklärt mir wenigstens den groben Überblick und was momentan gemacht wird. Den Therapieplan hat sie mir ausgedruckt. Nach diesem Gespräch ist es irgendwie anders. Das Ankommen ist vorbei, wir sind wieder mitten drin. Mit dem Plan in der Hand ist das Ziel definiert und die ersten kleinen Schritte, die es jetzt zu gehen gilt. Irgendwie ist das schon fast wieder normal. Ich bin angekommen.

der Schein trügt

Montag, 13. 12. im St.Anna zur Knochenmarkspunktion:


Aaron sagt zwar "Oh NEIN! Keine Schlafmilch!", als ich ihm erkläre, was wir vorhaben, akzeptiert aber alles in kurzer Zeit, so ist dann auch der Venflon kein Problem. Es war ein anderer Anesthäsist da, der hat kein Propofol verwendet, sondern Dormikum. Das ist für Aaron eigentlich angenehmer, es macht lustig, und das Einschlafen ist nicht so abrupt. Allerdings dauert auch das Aufwachen wesentlich länger, Aaron ist danach noch relativ lange "rauschig".

Als Dr Kager mir später den Befund mitteilt, ist er selbst ganz betroffen. Es war kein Virus. Die Krebszellen sind wieder da, zwar nur zu 15% im Knochenmark (offiziell spricht man ab 20% von einem Wieder-hoch-kommen der Erkrankung), aber die Ärzte sind sich so sicher, dass sie uns schon für Mittwoch, 15.12. einen OP-Termin besorgt haben. Aaron soll wieder einen Katheder bekommen und eine Lumbalpunktion wird gemacht.

Aaron weint, als ich ihm erkläre, dass wir wieder für längere Zeit ins Krankenhaus müssen, dass er einen neuen Katheder bekommt, ... Aber kaum zwei Minuten lang. Dann lauscht er meinen Erklärungen und akzeptiert, dass er ein weiteres Mal gegen die bösen Zellen wird kämpfen müssen.

An unserem letzten Tag "in Freiheit", tollen Aaron und ich besonders ausgelassen im Schnee herum, und ich wundere mich über mich selbst, dass ich so ausgelassen lachen kann, bei dieser ungeheuren Last auf meinem Herzen. Aber ich habe gelernt, im Moment zu sein, in kleinen Schritten zu denken. Ein Atemzug, ein Schritt, ein Besenstrich, ...

gesund und fit

Die Haare sind gewachsen, ...
Aaron liebt das Herbstlaub ...

... und ist ein fitter Bergsteiger.

Er hat Spaß am "trick or treating",

... und erst recht auf Schnee und Eis!




Und doch bleibt die Sorge.
Die Werte sind nicht berauschend, die Leukos schwanken noch immer stark, obwohl er nicht in den Kindergarten geht. Ich selber habe wieder zu arbeiten begonnen und mir prompt eine Infektion geholt. Gottlob steckt Aaron sich kaum an, aber die Leukos sind gleich wieder tief, die Therapie muss wieder unterbrochen werden.
Sorgen bereitet mir aber vor allem, dass die Thrombozyten nun schon seit längerem zu tief sind. Die Ärzte meinen, das läge wohl noch an den Spritzen, aber das ist für mich keine plausible Erklärung. Schließlich hatte er die Spritzen auch schon im Sommer, und da waren die Thrombos konstant normal.

Wer immer Aaron sieht und erlebt, sagt: "Schau ihn dir doch an! - Der holt jetzt alles nach." Es stimmt auch. Schon Wochen vor dem ersten Schnee lief er mit seinem Schi-Helm in der Wohnung herum. Er ist lustig und laut und schlimm und lieb für drei. Warum mache ich mir Sorgen? Bin ich überängstlich?

Am Dienstag, den 7.12. ist Dr Kager in der Ambulanz im St.Anna. Er kennt Aaron seit Beginn der Erkrankung. Er teilt meine Sorge wegen der Thrombos und erstmals wird mir erklärt, dass auch die Thrombozyten durch Infektionen dezimiert werden können. Der Arzt ordnet eine weitere externe Blutkontrolle am Freitag an und sagt, wenn die nicht deutlich besser ist, möchte er sich das Knochenmark ansehen. Er tippt auf einen Virus.

Sonntag, 24. Oktober 2010

Sterntalerhof

Vorweg ein paar Bilder






Montag 18.10.

Die Anreise war recht mühsam. Wir mussten mit Aaron noch ins St. Anna, weil die Thrombos am Donnerstag recht niedrig gewesen waren. Es war ziemlich kalt. Im Auto ließ ich Simon vorn sitzen, weil ich bei Aaron sein und Streit zw. den Großen vermeiden wollte. Obwohl mir die ganze Zeit kalt war, drehte Simon immer wieder die Heizung aus, wenn ich grad nicht schaute. So kam’s, dass ich mich den ganzen Tag nicht mehr richtig erwärmt habe. Hab gefroren bis zum Schlafen gehen, obwohl ich unter der Dusche, während Miriam und Aaron in der Wanne waren, das ganze noch verbleibende Heißwasser verbrauchte. Außerdem war mir während der ganzen Fahrt und noch lange danach ständig mehr oder weniger übel. Beim Heimfahren werd ich wohl nicht nochmal so selbstlos sein.

Die Ankunft war schön, weil das Gelände und die Wohneinheit so schön großzügig sind, dass man sich gleich wohl fühlt. Gejubelt haben wir über das wirklich geräumige Badezimmer mit großer Wanne. Alles ist barrierefrei / behindertengerecht angelegt. Beim gemeinsamen Mittagessen mit dem Team wurde uns bewusst, dass wir tatsächlich die einzige Familie hier sind. Es gibt zwar drei Wohneinheiten, aber in der hintersten wohnt Peter Kai, der Begründer, und die Mittlere steht (zumindest diese Woche) leer. Am Nachmittag gab es zuerst das Erstgespräch, bei dem alle Therapeuten anwesend waren (Psychologin, 2 Reittherapeutinnen, Musiktherapeut, Kunsttherapeutin), und dann gingen wir ENDLICH (für Aaron, der schon sehr ungeduldig und schlimm war) in den Stall. Lisa stellte uns die Pferde vor und holte schließlich holte den „Herrn Hubert“, das erfahrenste Therapiepferd von der Koppel. Er wurde im Stall angebunden, und dort durften wir ihn dann kennenlernen und putzen. Auch die kleine Rosi wurde aus dem Stall geholt und vor allem von Aaron gestriegelt. Besonders schön dabei fand ich, wie unglaublich offen und erfreut Aaron auf die Pferde zuging. Er hatte überhaupt keine Angst, und er passte gut auf, wie Lisa alles erklärte, sodass er danach, als er einen Striegel aus Rosis Box nahm, sogleich kreisförmig zu striegeln begann.




Und dann war es so weit. Dem Hubert wurde eine Decke aufgelegt und ein Gurt mit Haltegriffen umgeschnallt, und dann wurde er in die Halle geführt, und wir sollten zur Rampe gehen, von wo aus man bequem aufsteigen kann. Aaron lief voran und setzte sich gleich ganz vorn auf die Rampe, wolle als erster aufs Pferd, und das durfte er dann auch. Nochmal Pferde begrüßen, langsam aufsteigen, sich bequem hinsetzen, und dann, wenn man bereit ist sagen: „Hubert, bitte Schritt!“ Beim ersten Mal flüsterte Aaron das noch, schon am nächsten Tag war es ihm zur Gewohnheit geworden. Er war sofort glücklich auf dem Rücken des großen Pferdes, er strahlte übers ganze Gesicht.

Danach war Miriam an der Reihe, und mit ihr spielten wir dann auch gleich Ball: Wir standen im Kreis und warfen ihr, die auf dem Pferd langsam herumgeführt wurde, Bälle zu, dies sie auffangen und zu uns zurückwerfen sollte. Aaron war eifersüchtig, weil sie so lange durfte, denn er wollte so gern auch schon wieder. Danach kam noch Simon, mit dem wir schließlich das Lanzenspiel spielten, wo wir alle Kunststoffkegel mit Loch hochhielten und er sie mit einer „Lanze“ aufspießen musste.

Das ist Miriam beim Lanzenspiel.

Dienstag:

Der Dienstag war so intensiv, dass wir uns am Abend fragten, ob das wirklich erst ein ganzer Tag gewesen war, es war so viel passiert. 9h Morgenkreis, wo jeder sagt, was ihm gestern gut gefallen hat, wie’s ihm heute geht und was er sich für heute wünscht, danach kamen die Vorschläge vom Team, die sich gut überlegt hatten, was sie mit uns machen wollten. Simon und Miriam kamen gleich am Vormittag gemeinsam zur Musiktherapie, danach der Aaron. Aaron durfte als erstes auf dem Hubert reiten, das war es auch, was er sich wünschte. Er war gleich nach dem Frühstück, als wir zum Gemeinschaftshaus rübergingen schnurstracks Richtung Stall marschiert, und konnte es gar nicht erwarten, bis endlich die Rederei vorbei war und er mit Lisa und Markus zum Stall gehen durfte, wo sie Hubert von der Koppel holten und sie unter anderem das Kluppenspiel spielten, bei dem Aaron während des Reitens verschiedenfärbige Wäschekluppen vom Pferd (Sattelfecke, Mähne) und von seinem eigenen Gewand zupfen und in ein von Markus gehaltenes Körbchen tun musste.


Ich war am Vormittag zur Kunsttherapie eingeteilt und am Nachmittag hatte ich zuerst Musiktherapie und durfte dann Crazy kennenlernen und auf ihm reiten, zuerst in der Halle, mit verschiedenen Anweisungen von Sonja, dann eine Runde durch den herrlichen Mooswald. Hätte nicht gedacht, dass es so arg schaukelt, wenn man auf einem Pferd liegt anstatt zu sitzen, sehr ungewohnt. Auch Markus kam zum Reiten dran, auf Herrn Hubert, und auch in den Wald. Miriam und Simon waren auch einzeln zum Reiten dran. Auch Aaron war den ganzen Nachmittag beschäftigt. Die Praktikantinnen gingen zuerst mit ihm und Miriam Eicheln sammeln und die Ziegen füttern und spielten schließlich mit ihm im Gemeinschaftshaus.

Simon und Miriam beim Ball spielen.

Mittwoch:

An diesem Vormittag war die Psychologin da. Sie sprach mit Miriam, Simon und Markus einzeln und danach noch mit Simon und Miriamm gemeinsam und mit Markus und mir gemeinsam. Ich ging mit Aaron zum Stall und fotografierte mit Peters Kamera, weil Peter das Pferd führte, während Lisa mit Aaron übte. Heute wagte Aaron es sogar, sich verkehrt herum aufs Pferd zu setzen und schließlich sich sogar hinzulegen, wobei er den Hubert ständig streichelte.


Am Abend machte Simon Waffelteig, weil wir in unserer Wohnung ein Waffeleisen entdeckt hatten. Er suchte sich dazu ein Rezept aus dem Internet und besorgte sich die fehlenden Zutaten und Gerätschaften im Gemeinschaftshaus. Also buk ich dann zum Abendessen Waffeln. Sie waren lecker aber sehr sättigend, weshalb es auch am Do zum Frühstück und zur Jause ins Bad noch welche gab. Nach der Kocherei seilte ich mich aber ab, denn die Psychologin hatte mir Klaviernoten besorgt, und so gönnte ich mir eine Stunde mit Bach, Debussy und Schumann.

Donnerstag

Aaron durfte am Vormittag reiten, wenn auch nicht auf Hubert sondern auf Crazy, Markus ritt auf Hubert. Ich hatte Musiktherapie. Er machte mit mir eine Familienaufstellung mit Instrumenten, und anschließend durfte ich wieder in der Klangwiede entspannen, wobei er mir eine Art Aufgabe stellte (Traumreise zum Kraft tanken). Das war super. Ich dachte zuerst an meinen alten Kraft-Platz, auf der Wolkendecke über Innsbruck. Gelandet bin ich dann aber unter dem Baum der Seelen aus dem Avatar-Film, wo ich mich von den leuchtenden Wurzeln überwachsen ließ, weil Bernhard von Erdverbundenheit sprach, und wo ich schließlich durch den Baum in das Reich Eywas, der großen Göttin aufstieg, wo all die Seelen der Vorfahren wohnen. Es war eine sehr, sehr gute, ich-stärkende Erfahrung. Danach hatte ich noch 15 min Zeit bis zu Simons Lernstunde. Die nützte ich, um kurz in die Sonne hinauszukommen, die heute erstmals konstant schien. Gestern hatte sie am Nachmittag kurz herausgeschaut. Da ritt gerade Aaron auf Crazy vorbei, sein erster Ritt außerhalb der Halle. Es war schön anzusehen, und er winkte mir begeistert.

Aaron hat wiedermal viel gegessen zu Mittag. Wenn so viele Leute bei Tisch sitzen, schmeckt es ihm immer gut. Außerdem wurden wir ja Anfang der Woche sehr genau ausgefragt, was uns allen gut schmeckt. Heute gab es faschierte Laibchen mit Kartoffelpüree. Am Nachmittag fuhr Markus mit den Kindern in die Therme Stegersbach und ich machte mit Aaron einen langen Spaziergang durch den Mooswald, aber erst, nachdem er bei der Koppel in die Heu-Raufe geklettert war, von wo aus er die Pferde mit Heubüscheln fütterte. Am Abend durfte Aaron eine Runde um die Halle am (uralten) Traktor mitfahren, und weil es ihm so gefallen hat, hat ihn der Arbeiter dann noch extra eine Runde durch den Wald chauffiert.

Freitag


Heute früh wurde Aaron traurig, als Simon oder Miriam sagten, dass dies unser letzter Tag hier ist. Der Vormittag war für mich großartig. Zuerst war ich mit Markus bei der Musiktherapie. Den zweiten Teil dieses Kraft-tank-Vormittags verbrachte ich auf Crazy geführt von Sonja durch Wald und Feld.

Eine Aufgabe, die sie mir dabei stellte: Rucksack neu packen, toll gegen meine Verspannungen im Schulterbereich. Ich sollte den Rucksack, den ich mit mir herumschleppe, und der in den letzten Monaten immer schwerer geworden ist endlich mal auspacken, mir das was da drin ist (Personen, Ängste, sonst. Gefühle, Erinnerungen, …) bewusst anschauen und entscheiden, ob ich’s wirklich noch brauche. Alles, was ich entscheide, nicht mehr zu benötigen, wegzuwerfen, dafür neue Sachen einzupacken, die ich mir von hier, aus dieser Woche mitnehmen möchte.

Den Nachmittag verbrachten wir als ganze Familie sowie mit Sonja, Lisa, Bernhard und den beiden Praktikantinnen Christina und Theres bei einem Spaziergang mit Hubert und Crazy.

Markus und ich (und später Simon und Miriam) machten auf den Pferden mit Sonja noch eine Meditation auf der Brücke. Wir blickten beide in die Richtung, aus der das Wasser auf uns zu kam, die Richtung hatten wir uns selbst ausgesucht. Wir sollten uns vorstellen, das ist, was die Zukunft uns bringt. Mitnehmen konnte ich mir davon vor allem, dass ich keine Angst vor der Zukunft zu haben brauche. Es war einfach ein schönes Bild, dieser grünliche, naturbelassene Fluss, die herbstlichen Farben der Blätter an den Bäumen am Ufer, rote Beeren auf einem Strauch im Vordergrund. Das Wasser fließt ruhig und kontinuierlich auf mich zu, unter mir durch und wieder weg. Dieses Bild hab ich mir eingeprägt. Die Zukunft kommt sowieso. Wenn sie da ist, handle ich in ihr, tu, was ich dann für richtig halte, etc. Aber es ist kontraproduktiv, sich über die Zukunft Sorgen zu machen. Leben, und die schönen Momente im Leben genießen, kann ich nur im jetzt, genau hier und jetzt auf dieser Brücke.

Nachdem alle Pferde gefüttert und in die Boxen gebracht worden waren, futterten wir zum Abschluss noch gemeinsam Reste vom Mittagessen auf und Kuchen vom Vortag und beim Abschied wurden wir noch mit Souveniers beschenkt, Schlüsselanhänger, Luftballons und Sterntalerhof-T-Shirts.
Leider musste sich Aaron am Abend wiedermal vollständig übergeben. Er hatte einige Manner-Schnitten gegessen, aber ob es daran gelegen ist? Die immer wiederkehrende Speiberei ist nervtötend. Heute fragte er mich, ob ich aus do viel hatte speiben müssen, als ich klein war. Danach war ihm wieder besser, aber er ist halt wiedermal mit völlig leerem Magen zu Bett gegangen. Derzeit ist er echt dünn, sodass der Kopf schon unnatürlich groß aussieht. Normalerweise fällt mir das nicht so auf, aber auf Fotos schon. Da mache ich zum Beispiel in der Badewanne Fotos, weil Aaron so viel Spaß hat und lacht, und wenn ich das Foto dann anschau erschrecke ich, weil er am Foto so ausgezehrt wirkt.
Morgen könnten wir theoretisch noch bis zum Abend hier bleiben, denn die Wohneinheit wird üblicherweise erst am Montag Vormittag für die neuen Gäste hergerichtet. Markus will ja mit Miriam nach IBK fahren, aber es ist gut, dass wir uns wenigstens noch hier ein Mittagessen richten können. Danach hoffe ich, dass Aaron im Auto ein wenig schlafen kann.


Samstag

Der Abreisetag verlief nicht ganz so entspannt, wie wir es uns gewünscht hatten. Das lag daran, dass Aaron einen nicht ganz so kleinen Unfall mit seinem Laufrad hatte. Aaron hat derzeit zu wenige Thrombozyten. Ein Sturz sollte da gerade überhaupt nicht passieren! Gottseidank trug er einen gut sitzenden Fahrradhelm, und darunter noch eine Wollhaube mit doppelter Krempe. Er blutete an der Nase, am Kinn und vor allem aus der Oberlippe, aber den größten Stoß dürfte der Helm über der Stirn aufgefangen haben, der ist an dieser Stelle ganz abgeschrammt. Trotzdem wussten wir natürlich nicht, ob er nicht trotz Helm vielleicht eine Gehirnblutung haben könnte. Wir hatten beide dem entsprechend Angst. Aaron stand schlimm unter Schock, weinte zuerst nur nach seinen Tinky Winky und seinem Tuchi. Nachdem er diese beiden Dinge hatte, beruhigte er sich aber relativ schnell wieder. Wir gaben ihm ein feucht-kaltes Tuch zum Kühlen seiner bereits bläulich geschwollenen Oberlippe. Eine halbe Stunde später sauste er wieder in der Wohnung herum. Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Zwei Stunden später war er schon wieder schlimm genug, Markus im Müllhäusl einzusperren und sich in die unmittelbare Nähe eines arbeitenden Katerpillers zu begeben, was Markus ziemlich aufregte, und kurz vor der Abfahrt wollte er schon wieder sein Fahrrad auspacken, weil die Straße von der Weide, wo wir uns von den Pferden verabschiedet hatten, zum Auto hin leicht bergab ging. Das erstaunte mich am allermeisten.

Sonntag, 24.10.

Es ist irgendwie komisch, wieder hier zu sein. Melancholisch. Ich habe gestern Abend und heute die vielen Fotos bearbeitet. Die schönsten hab ich als Bildschirmschoner installiert und auch der Desktop-Hintergrund zeigt den Mooswald. Wenn ich jetzt Bilder von Crazy sehe, fehlt es mir, dass ich ihn nicht berühren kann, die Kaninchenfell-weiche Stelle auf seiner Brust nicht streicheln, seinen warmen Atem nicht spüren kann. Hab ich mich in ein Pferd verliebt?
Das ganze Team hat betont, dass es schön war, mit uns zu arbeiten, weil wir uns „eingelassen“ haben. Das stimmt. Ich hab mich auf die Menschen und auf die Tiere eingelassen, sowohl Sonja als auch Crazy sind mir in dieser Woche vertraut geworden. Es fühlt sich falsch an, dass sie nicht in mein Leben gehören.
Dieses Pferd fehlt mir. - Obwohl ich als Kind lang geritten bin, hatte ich, glaube ich, nie zuvor so eine Beziehung zu einem Pferd, wie zu Crazy nach diesen paar Tagen.

Mittwoch, 13. Oktober 2010

Herbst

Nebel, verkriech-mich-Stimmung. Irgendwie ist alles anstrengend. Der Sommer ist noch nicht lange her, und schon wieder habe ich das Gefühl, DRINGEND mal RAUS zu müssen.
Und das tun wir auch. Nächste Woche ist Auszeit angesagt! Überraschend schnell haben wir einen Termin am Sterntalerhof bekommen. (www.sterntalerhof.at) Von Montag, 18.10. bis Samstag 23.10. werden wir im südlichen Burgenland sein. Markus hat Urlaub und auch die beiden Großen konnte ich problemlos aus der Schule freibitten. Es handelt sich um eine Familien-therapeutische Woche. Die Kinder können dort therapeutisches Reiten ausprobieren. Und für mich und Markus erhoffe ich mir vor allem Entspannung und Kraft tanken. Die Therapeuten stehen uns genauso zur Verfügung. Ich habe mehrere Familien kennengelernt, die schon dort waren, und alle haben nur geschwärmt und uns den Sterntalerhof wärmstens empfohlen. Deshalb hatte ich ja auch angefragt. Dass wir so schnell einen Termin bekommen haben, liegt daran, dass eine Familie ausgefallen ist.

Wie's weitergeht:
Aller Vorraussicht nach werde ich ab Mitte November wieder unterrichten, aber vorerst nur eine Klasse, solange Aaron nicht im Kindergarten oder bei einer Tagesmutter betreut werden darf. Für Aaron ist es am Wichtigsten, dass er jetzt mal gesund bleibt und seine Therapie bekommt. Derzeit nimmt er Thioguanin zu 50%. Ich hoffe aber, dass wir bald wieder erhöhen können. Morgen Donnerstag sind wir wieder in der Ambulanz, da wird sich das weisen. Morgen Nachmittag wird auf der 2B ein Fest gefeiert, das "Du hast schon viel geschafft"-Fest. Wir haben wirklich schon viel geschafft. Wir werden natürlich dabei sein, obwohl mir derzeit so gar nicht zum Feiern zumute ist, auch nicht im Hinblick auf meinen bevorstehenden 40. Geburtstag. Komisch, noch vor einem Jahr hab ich mir gedacht: "Wahnsinn, jetzt bin ich bald 40!" Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen, hat mich das zwar nie gestört, ich hab mich deswegen nie alt gefühlt, aber jetzt fühlt es sich trotzdem ganz anders an, eher so, dass es mir komisch vorkommt, dass ich ERST 40 werde. Ich fühl mich älter.

Samstag, 9. Oktober 2010

Kindergartenstop

Eine Woche später, am Montag den 27. September, packte ich für unsere Kontrolle im St. Anna eine große Tasche, weil ich bereits damit rechnete, dass wir an diesem Tag nicht wieder heim kommen würden. Aaron hustete ziemlich und in der Nacht von Sonntag auf Montag fieberte er leicht. Ergebnis der Untersuchung: Entzündungswert im Blut = 7, das ist hoch, Lungenröntgen unauffällig. Wo die Entzündung lag, konnte man also nicht mit Sicherheit sagen, entweder doch in der Lunge, aber in einem noch so frühen Stadium, dass es am Röntgen noch nicht sichtbar war, oder in den oberen Atemwegen, oder sonstwo. Da es Aaron aber gut zu gehen schien (Er war ziemlich schlimm in der Amulanz), schrieb mir die Ärztin ein Rezept für ein Antibiotikum auf und entließ uns wieder.

Bezüglich meiner Unsicherheit wegen des Kindergartenbesuchs hatte ich per e-Mail mit Herrn Doktor Kager Kontakt aufgenommen, den ich von der 2B kenne, der Aaron und seine Krankengeschichte gut kennt. Er hatte mir sofort zurückgeschrieben und gleich im Mail sehr ausführlich erklärt, wie die Thioguanin-Dosis berechnet wird und wovon sie abhängt. Er hatte mir versichert, dass die Oberärztin in der Ambulanz eine der besten Onkologinnen sei, die er kenne, und Aaron da sicherlich in guten Händen sei. Ab Oktober wird er übrigens auch selber in der Ambulanz eingesetzt sein, und dann auch wieder für Aaron zuständig. Er hatte mir auch angeboten, mit mir zu sprechen, entweder telefonisch, oder wenn ich das nächste mal da bin, persönlich. Also hatte ich mich für diesen Montag angekündigt. Deshalb ging ich nach der Ambulanz mit Aaron noch in die 2B hinauf um mit Dr Kager zu sprechen, der allerdings gerade in einer Besprechung war. Noch während wir auf ihn warteten, wurde Aaron plötzlich übel und er musste sich gleich dort am Gang der Station übergeben, hab's nicht mal geschafft schnell Tassen zu holen. In den darauf folgenden 2 Stunden übergab er sich unzählige Male. Wir waren im Spielzimmer der 2B, Aaron lag im Kinderwagen und wollte eigentlich schlafen, war plötzlich total müde, musste sich aber immer und immer wieder aufsetzen und wieder und wieder gelben Gallensaft spucken, bevor er schießlich auf den Polstermöbeln im Spielzimmer doch einschlief. In dieser Zeit, als es ihm so schlecht ging, kamen 3 Ärte zu uns, die alle sagten, so könne Aaron wohl nicht nach Hause entlassen werden, und sie würden sich darum kümmern, dass wir ein Zimmer auf der 2A bekämen. Dr Kager nahm sich auch wie versprochen Zeit, aber zu diesem Zeitpunkt war für mich schon klar, dass ich Aaron zumindest bis Weihnachten nicht mehr in den Kindergarten würde gehen lassen. Das hatte mir auch die Ärztin in der Ambulanz geraten, und angesichts seiner jetzigen Entzündung und der Tatsache, dass die Chemo-Therapie nun insgesamt schon für ein ganzes Monat unterbrochen werden musste, war klar, dass es für den Kindergartenstart einfach noch zu früh gewesen war.

Nachdem Aaron wieder erwacht war (es ging ihm schon etwas besser) wurden "Zauberpflaster" geklebt und später dann ein Venflon gestochen. Das war für Aaron wieder etwas Neues, er hatte in seinem Leben erst einmal welche, das war am 10.1., als die Leukämie erstmals diagnostiziert wurde, und daran kann er sich nicht mehr erinnern. So erschrak Aaron diesmal ziemlich, als er die Nadel am Venflon sah, die in der Schutzhülle noch viel größer und bedrohlicher wirkte. Er hatte richtig Angst, versteckte seine Hände hinter dem Rücken und konnte uns nicht glauben, dass es nicht wehtun würde. Er hat dann trotzdem ganz brav still gehalten, und auch sofort wieder zu weinen aufgehört, als er merkte, dass es ja doch nicht weh tat. Dafür durfte er sich danach ein Geschekt aussuchen und bekam einen blauen Wasserball. (Aaron liebt ja Bälle jeder Art.)

Nachdem wir in die 2A übersiedelt waren und die Medikamente zu wirken begonnen hatten, ging es ihm bald wirklich besser, und er konnte am Abend sogar wieder ein Stückchen trockener Semmel essen und Saft trinken. In der Nacht schlief er gut. Ich weniger. Mehrmals kam die Nachtschwester herein um das Antibiotikum in den Schlauch zu spritzen oder die Windel zu wechseln, die durch die hoch eingestellte Infusion sonst heillos übergegangen wäre. Am Dienstag war der Entzündungswert schon wieder rückläufig, kein Erbrechen, auch kein Durchfall, also war's wahrscheinlich eine bakterielle Infektion und gottseidank doch kein Virus. Und am Mittwoch durften wir dann auch schon wieder heim, Antibiotikum zum Schlucken im Handgepäck. Donnerstag feierten wir Simons 14. Geburtstag. Mein Erstgeborener ist mit seinen 180 cm jetzt 3 cm größer als ich, und auch sonst hat er sich toll entwickelt in letzter Zeit. Ich bin stolz auf ihn.



Am Dienstag den 5. Oktober war es dann endlich so weit, Aaron war wieder gesund, die Werte wieder gut, und die Chemo konnte wieder begonnen werden. Thioguanin-Tabletten zu 50% und die erste der 4 Spritzen. Unglücklicherweise hatte ich nicht damit gerechnet, dass er gleich die Spritze bekommen würde, und hatte ihm kein Zofran gegeben, und auch im Krankenhaus vergaß ich danach zu fragen. Wir waren gerade mitten am Gürtel, mittlere Fahrspur, als die Speiberei losging. Wir standen dann ziemlich lange mit Warnblink-Anlage in einer kleinen Ausbuchtung am linken Straßenrand, bis ich wenigstens das Kind aus dem schmutzigen Gewand geschält, in eine Decke gehüllt und in einen anderen Autositz verfrachtet und alles noch Schmutzige möglichst weit hinten im Transportraum verstaut hatte. Besser wurde es dem Aaron natürlich während der ganzen Heimfahrt nicht, obwohl er es amüsant fand, dass ich "Scheiße" ("Mama, hast du "Scheiße" gesagt???") und "Geh bäh" ("hihihi") gesagt hatte.

Die restlichen drei Spritzen bekam er wieder von einem befreundeten Arzt in unserer Nähe, und das Zofran vergaß ich nicht wieder. Dank der Pharmazie, dass das Zeug so perfekt wirkt!

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Aaron kocht für seine großen Geschwister:


Dienstag, 21. September 2010

Kindergartenstart - große Freude / große Sorge

Zuerst das Positive:
Aaron geht sehr gerne in den Kindergarten. Es ist ein wichtiges Stück Normalität für ihn, und nach der langen Zeit ohne fremde Kinder, genießt er die neu entstehenden Kontakte.
Die extreme Müdikeit nach der Strahlentherapie ist auch endlich vorbei, hat eh fast vier Wochen gedauert. Es geht ihm jetzt richtig gut.
Das gesamte Kindergarten-Personal ist total um Aaron bemüht, richtig rührend für mich.

Und jetzt kurz das Problematische:
Nach nur einer Woche Kindergarten-Besuch, hatte Aaron nur noch 1100 Leukozyten, weil er einen so großen Teil seiner Leukozyten zur Immunabwehr ausgegeben hatte. Dabei waren im KiGa gar nicht besonders viele Kinder verschnupft. Das wird im Winter sicherlich noch schlimmer. Wegen des schlechten Wertes musste Aarons Therapie (Chemo-Tabletten) vorübergehend auf 50% reduziert werden. Auch die von 13. bis 16.September fälligen Spritzen (ebenfalls Chemo - bekommt er alle vier Wochen) wurden verschoben, und der Kindergartenbesuch war vorerst gestrichen. Er war also eine Woche im Kindergarten, und dann gleich wieder eine Woche zu Hause. Gestern (Montag) war dann die nächste Kontrolle. Ergebnis: Die Leukos sind wieder angestiegen (1500) aber nicht genug, also bekommt Aaron auch diese Woche seine Spritzen nicht, und die Tabletten wurden vorerst ganz abgesetzt. Wegen dem Kindergarten meinte die Oberärztin: "Das ist letzlich ihre Entscheidung. Wenn sie jetzt noch zu Hause sind, dann lassen sie ihn halt lieber diese Woche auch noch zu Hause."
Ich ließ ihn aber heute wieder in den Kindergarten gehen. Es hieß, der Kindergarten sei "kein Problem", und schließlich muss ich JETZT wissen, ob er den Kindergartenbesuch nun aushält oder nicht, nicht erst im November!

Kurze Erklärung - soweit ich das selber verstanden habe:
Die Dauertherapie (über ein Jahr) soll eventuell noch vorhande Blasten (=Krebszellen) töten, sobald sie wieder anfangen aktiv zu werden. Allerdings killen die Zytostatika ja nicht nur die Blasten, sondern auch die gesunden Leukozyten, die zur Immunabwehr gebraucht werden. Aaron Leukos werden derzeit durch die Therapie künstlich niedrig gehalten (Der Wert sollte um die 2000-3000 sein, Normal sind 5000-10000) Die vorhanden Leukos arbeiten aber wie bei gesunden Kindern auch zur Abwehr von Krankheitserregern, wobei sie selber auch absterben, deswegen die große Schwankungsbreite bei gesunden Kindern. Wenn Aarons Leukozyten aber jetzt zu stark verbraucht werden, muss die Therapie abgesetzt werden, weil die ja noch mehr Leukos zerstört und er dann wieder unter einen kritischen Wert fallen würde.
Sorgen bereitet mir meine Annahme, dass das "Verschleppen" der Therapie sich nicht gerade vorteilhaft auf die Rückfall-Bekämpfung auswirkt. Denn Blasten, sollten welche auftauchen, werden nicht in der Immunabwehr aktiv. Sie sind einfach da und vermehren sich. Getötet werden können sie nur durch Zytostatika.
Die neue Oberärztin von der onkologischen Amulanz, wohin Aaron vor kurzem übergeben wurde, war mir bis jetzt keine recht große Hilfe diesbezüglich. Ich will deshalb versuchen, noch einmal einen Arzt von der 2B zu erreichen und um ein Gespräch zu bitten.

Und zum Abschluss noch ein paar Fotos:

Die großen Geschwister sind in der Schule, Aaron geht es gut, aber er darf nicht in den Kindergarten, da ist Mamas Einfallsreichtum gefragt. Wir waren Kastanien sammeln, Drachen steigen, und auch endlich SAND kaufen. Das hier ist ein besonders reiner frischer Kinderspiel-Sand. Kein Vergleich zu unserer riesigen Sandmulde, aber immerhin groß genug, um darin Vulkane ausbrechen zu lassen, oder Füße einzugraben.


Samstag, 18. September: Miriams Geschwistercamp "Fantasiegeschichten" - der Nachbesprechungs-Tag in Salzburg.

Mit Miriam allein einmal weg zu kommen, tat auch mir gut. Schon am (neuen, wunderschönen) St.Pöltner Hauptbahnhof (unten) führten wir uns auf wie Touristen, und Souveniers haben wir auch gekauft.


Das ist übrigens eine "Wasser-Wand". Miriam hat sich bei diesem Foto die Nase nass gemacht.

Donnerstag, 2. September 2010

Nachtrag - Fotos vom Sommer

Aaron "darf jetzt wieder alles" - "aber mit Vorsicht" - "Er soll halt nicht alles in den Mund stecken." - "Bezüglich Essen bleiben die Schutz-Regeln aufrecht." - ...
Ehrlich gesagt bin ich recht verwirrt, was Aaron jetzt wieder darf, und was nicht. Aber das Buddeln im Schlamm haben wir ihm auf jeden Fall wieder erlaubt - mit Hände und Fingernägel schrubbeln danach und Hände desinfizieren.
Die Fotos stammen vom Neusiedlersee, wo wir im August für einen Tag Freunde besuchten, die dort auf Urlaub waren.



Endlich wieder dreckig - und glücklich.

Mittwoch, 1. September 2010

Urlaub am Wörthersee


21. bis 28. 8. 2010

DIE UNTERKUNFT UND DIE UMGEBUNG:
Maria Wörth ist ein alter Wallfahrtsort, große Kirche auf einer Halbinsel und Hotels, die großen bieten Kur und Wellness, teures Pflaster, dementsprechend versnobte Klientel, alte Leute, aber auch erstaunlich viele Familien mit kleinen Kindern. Dabei bietet der Ort für kleine Kinder eigentlich nichts, Bademöglichkeit nur vom Steg aus. Das nennen die Hotels dann groß „eigener Badestrand“, ist aber nichts weiter als ein Stück Wiese, ein schmaler Steg durchs Schilf, ein „Badhaus+Bootshaus“ und ein etwas breiterer Steg zum liegen am Wasser mit glitschigen Eisnstufen in den See, in dem man toll schwimmen, aber nicht stehen / spielen kann.

Unser Haus liegt auf der Bergseite und ist nur über eine recht steile Zufahrtsstraße zu erreichen, was mit Aaron im Kinderwagen jedes Mal eine Herausforderung ist. Der Ausblick von Haus ist allerdings ein Traum. Wir genießen ihn vor allem bei den Mahlzeiten auf der Terrasse. Auch vom Zimmer aus haben wir Seeblick. Eigentlich sind es zwei Zimmer (mit je einem Fernseher, der die einzige Stellfläche beansprucht), ein kleines Wohn+Vorzimmer mit einer ausziehbaren Couch, die den ganzen Raum ausfüllt und trotzdem nicht breiter als ein französisches Bett ist, und ein größeres Schlafzimmer mit richtigem Doppelbett und Platz zum drum herum gehen. Hier gibt es auch einen geräumigen Wandverbau, wunderschön aus Echtholz. Dusche und WC haben wir natürlich auch noch.


Auf der Wiese vor dem Haus gibt’s zwei Rinder (Aaron ist glücklich über die Rindviecher!) und zwei Pferde, und eine recht großes Stück gemähte Wiese, wo zwei mächtige und stets leere Sonnenliegen stehen, aber keine Schaukel, kein Klettergerüst oder dergleichen, einzig eine Plastik-Schildkröte von 60cm Durchmesser unter deren Panzer-Deckel sich Spielsand verbirgt steht in einer Ecke im hohen Gras, und die wird ebenfalls nie benützt. Fällt mir der Mangel an Spielgelegenheiten deshalb auf, weil Niederösterreich vielleicht tatsächlich "Familienland Nummer eins" ist, wie die Pröll-Werbung immer posaunt? Spielplätze scheint es in NÖ tatsächlich mehr zu geben, die Wirtin ist ganz verdutzt, als ich sie nach einem solchen frage. Sierndorf ist auch nur ein Kaff und hat zwei Spielplätze, von denen einer wirklich toll ist.

Zu unserer Pension gehört auch ein „eigener Badestrand“, siehe Beschreibung oben. Toll ist, dass ein Tretboot und ein Ruderboot zur freien Verfügung stehen. Aaron spielt recht gerne am Steg. Ich binde ihm dazu zwei kleine Küberl mit dem Gürtel seines Bademantels zusammen, sodass er Wasser schöpfen kann wie aus einem Ziehbrummen. Das lässt er dann durch sein Sand-Wasserrad laufen und überschwemmt damit den ganzen Steg. Aber das macht nichts, denn wir haben ein kleines Plätzchen gefunden auf der Schilf-Seite des Badhauses, wo wir allein sind, denn alle anderen bevorzugen die See-Seite. Auch das Boot fahren und Schwimmen macht Aaron Spaß. Toll ist auch, dass uns im Badhaus eine kleine Kabine zur Verfügung steht, ausgestattet mit einem Sonnenschirm und Deck-chairs, wo wir auch unsere ganzen Badesachen lassen können, sodass wir die wenigstens nicht den Berg hinauf schleppen müssen.

Am See fahren große Ausflugsschiffe, aber auch Motorboote, die Wasserschifahrer ziehen, sowie kleine Segelboote, das sieht vor allem von oben betrachtet sehr schön aus.

Die Leute sind nett, der Chef recht ein lustiger. Tagsüber sieht man ihn in Lederhose und Schnürstiefeln und mit Strohhut Rasen mähen oder bei den Rindern helfen, am Abend blüht er auf als charmanter Gastgeber.

Der nächste Ort, Feistritz, ist größer und lauter, da gibt es auch einen Supermarkt, Restaurants, Wasserschischule, Segel- und Surfschule, und natürlich wieder viele Hotels, angeblich soll es dort sogar einen Kinderspielplatz geben, der ist mir aber noch nicht untergekommen.

DAS WETTER und was wir unternommen haben:

Sa, So, Mo sommerlich heiß. Der See ist warm. Wir waren am Vormittag schwimmen, aßen zu Mittag unsere übliche Sommer-Joghurt-Obst-Cerialien-Jause auf der Terrasse der Pension, Aaron schlief am Nachmittag wie ein kleines Baby im Kinderwagen (Wir haben eine großen Sport-Buggy, aber wenn Aaron liegt, schaut oben schon sein Kopf zu 2/3 über die Rückenlehne heraus. Ich genoss es, zu schwimmen, mit den Kindern zu spielen, zu schwimmen oder Boot zu fahren. Während Aaron schlief, kam ich auch zum Lesen.

Am Sonntag Abend waren wir gemeinsam mit allen anderen teilnehmenden Familien in Reifnitz auf ein Gulasch eingeladen. Es gab Ansprachen unserer Betreuerin von der Kinderkrebshilfe, des Organisators Herrn Max Pokorni, Direktor des Seehofs in Maria Wörth (Ich war überrascht, dass er so jung ist. Er hatte selber Krebs und trat mit seinem 2 ½ Jahre altem Sohn auf dem Arm auf.), sowie einer Stellvertreterin des Bürgermeisters. Es wurden auch noch „Wundertüten“ an die Familien verteilt, die verschiedene Gutscheine enthielten und jedes Kind bekam einen „Indoor-Schlafsack“ (kuscheliger Sack aus einer Fließdecke) als Geschenk vom Bürgermeister.

Am Dienstag Morgen schien noch die Sonne, also beschlossen wir, ins Strandbad Maiernigg zu fahren. Das ist eine alte Badeanstalt, die fast schon bei Klagenfurt liegt. Dort gibt es zwar auch keinen Spielplatz aber zumindest eine ca. 10m breite Sandstrand-Ecke, wo Aaron und Miriam nach Herzenslust buddelten.



Weil es dort flach ins Wasser geht, ging Aaron auch ohne Scheu gleich ohne Schwimmflügel rein. Beim Steg braucht er Flügerl und Schwimmreifen zum Schwimmen, dort jedoch schwamm er nur mit den Flügerl. Leider verzog sich die Sonne schnell und es wurde recht kühl, sodass wir aufbrachen, als Aaron müde wurde. Am Nachmittag, als Aaron wieder im Wagerl am „Strand“ schlief, schien nochmal die Sonne, aber bevor er munter wurde, begann es zu tröpfeln. Als alle Leute die Flucht ergriffen, beschlossen Miriam und ich den Regen vom Badhaus (überdachter Steg, zum Wasser hin offen) aus zu beobachten. Zuerst spielten wir noch „Slotter“, Aaron war auch wach, denn der Ortswechsel von draußen auf der Wiese über den Steg ins Badhaus hatte ihn geweckt, aber zum Spielen wurde es sehr bald zu dunkel. Als der Regen dann heftig auf’s Wasser prasselte und der Wind feinen Sprühregen ins Badhaus trug, verzogen wir uns in dessen hintersten Winkel. Aaron saß auf Miriams Schoß und beide waren miteinander in die Badedecke gewickelt. So war niemandem kalt. Es war schön, zuzusehen, wie die Blitze zuckten (das Gewitter kam allerdings nie besonders nah, weshalb es gar nicht bedrohlich wirkte) und der Regen aufs Wasser peitschte, dass man mit einem mal das andere Ufer nicht mehr sehen konnte, und auch das Schiff in der Mitte des Sees nur noch im Nebel erahnen, und dann, wie der Blick langsam wieder klarer wurde als der Regen nachließ, wie nach und nach schemenhafte Umrisse am anderen Ufer zu erkennen waren und schließlich schon die einzelnen Häuser. Als es nur noch wenig regnete, holte uns Markus mit dem Auto ab. Man kann bis zum benachbarten Hotel, dem Seehof, zufahren, sodass wir nicht mehr weit durch den nur noch schwachen Regen gehen mussten.

Nachts gab es dann nochmal Gewitter, aber heute am Mittwoch war das Wetter wieder warm und trocken. Allerdings nicht so heiß, also schlug ich am Nachmittag einen kleinen Ausflug in den „Zauberwald“ vor, für den wir einen Gutschein (gratis Eintritt für die Kinder) bekommen hatten. Aaron war hellauf begeistert. Da gibt es einen riesigen, toll ausgestatteten Spielplatz, und die Hexen, Zwerge, verwunschene Schlösser, Knusperhäuschen im Wald hatten es beiden Kindern angetan. Ich war überrascht, wie aktiv Aaron alles erkundete. Da gab es zum Beispiel einen sprechenden Baum, der die Kinder begrüßt, eine kichernde Hexe, die an einem Seil über unseren Köpfen hin und her schwebt, eine Stimme aus einem Hexenhaus, die erklingt, wenn die Kinder beim Fenster reinschauen. Das musste Aaron sich immer wieder anhören. Auch rutschte er mutig durch das dunkle Innere eines Drachen, ging durch die Bärenhöhle, suchte Miriam im Labyrinth, etc.




MIRIAM:

Meine Tochter hat am Sonntag offensichtlich zu viel Sonne abbekommen. Sie verbrachte den sehr heißen Tag fast zur Gänze am Boot oder im Wasser und trank so gut wie nichts. Am Abend war sie extrem müde und hitzig, und am Montag ging es ihr „total schlecht“, Kopfweh, übel, möglicherweise auch leicht erhöhte Temperatur. Sie musste also im Zimmer bleiben, wo ihr vor allem im Nachmittag dann allerdings schon recht langweilig war. Allerdings hatte sie auch Schnupfen, es kann also auch sein, dass sie von ihrer Freundin angesteckt wurde, die in der Nacht von Freitag auf Samstag bei uns übernachtete. Ich hatte zuvor nicht gewusst, dass das Kind die ganze Zeit hustet. Von Aaron hab ich sie fern halten können, die Mädchen schliefen im Zelt und waren auch tagsüber viel draußen. Auf Miriams Immunsystem hatte ich vertraut, wollte den Gast ja nicht gleich wieder heim schicken. Am Dienstag ging es Miriam übrigens schon wieder gut, und am Donnerstag leistete ich mir für sie eine Runde Wasserschi, ihre erste. Sie war toll und wurde von allen Seiten gelobt, erster Startversuch erfolgreich, nicht ein einziges Mal hingefallen. Sie wollte gleich noch mehrmals fahren, aber 14€ pro Runde sind halt doch ein bisschen teuer, darum bekomme ich im Winter eine Kinder-Tageskarte in einem Schigebiet.

AARON:

Er schläft sehr viel, und das liegt sicherlich nicht nur an der vielen frischen Luft. Es ist ziemlich eindeutig, dass die angekündigte Nachwirkung der Strahlentherapie nun doch noch eingesetzt hat. In den letzten Tagen schlief er am Nachmittag gute drei Stunden, und trotzdem war er schon vor 20h wieder total müde. Abendessen ist ab 19h, aber bis wirklich serviert wird ist es acht. Bis dahin wach zu bleiben hat Aaron am Mittwoch Abend das erste Mal geschafft, Sa-Di Abend war er immer schon vorher viel zu müde, hat nichts gegessen. Da wir zu Mittag nur jausnen, ist das natürlich gar nicht gut für unseren kleinen „Dünni“. Am Mittwoch gab es faschierten Braten mit Erdapferl-Püree, und da hat er erstmals mitgegessen. Auch am Donnerstat bei der Pasta Asciutta hat er gut zugeschlagen.

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wurde ihm schlecht, er übergab sich aber nicht, würgte nur leer. Am Mittwoch kam allerdings das Frühstück retour, weshalb ich mit ihm nach Klagenfurt ins Krankenhaus fuhr. Dieses, und dann die onkologische Kinderstation, die sich im ELKI (Eltern-Kind-Zentrum) verbirgt zu finden, war ehrlich eine kleine Odyssee, die Leute dort aber sehr nett. Die Leukos waren bei 1500, also noch okay, kein Entzündungswert, aber die Thrombos waren stark gesunken, deshalb wollte uns der Arzt am Freitag noch einmal sehen. Aaron bekam Zofran geben die Übelkeit, und am späten Nachmittag im Zauberwald war er dann endlich dazu bereit, etwas zu trinken und zu essen. Ich weiß nicht wirklich, warum ihm wieder schlecht war, aber den Arzt schien das nicht sonderlich zu wundern, bei den Medikamenten, die er nehmen muss.

Dieses Bild hat Aaron ganz allein auf einer Magnet-Tafel gezeichnet, währnd wir im Kh warteten!

Am Donnerstag passierte leider das, was Markus vom ersten Tag an befürchtet hatte. Aaron rutschte auf der glitschigen Eisenstiege aus und verletzte sich. Markus wäre am liebsten sofort mit ihm ins Krankenhaus gefahren. Ich wollte zuerst einmal Aaron beruhigen, und mir die blutende Wunde ansehen. Schließlich beschloss ich, sie selbst zu versorgen, da wir am nächsten Morgen ja wieso wieder ins Krankenhaus mussten.

In der Nacht schlief ich trotzdem unruhig, und sah mir mehrmals Aarons Bein und Bauch an, denn ich wollte nur ja keine Infektion übersehen, wusste ja auch nicht genau, ob der Tetanus-Schutz überhaupt noch aufrecht sei. Am nächsten Tag im Krankenhaus bestätigte die Oberärztin, dass ich richtig gehandelt hatte. Der Impfschutz sei während der Therapie normalerweise ausreichend, es komme aber vor, dass man er nach Ende der Therapie nachimpfen müsse. Das würde aber im Einzelfall überprüft. Während der Chemo-Therapie hätte impfen ja sowieso keinen Sinn, weil das Immunsystem zu geschwächt sei, um adäquat reagieren zu können. Deshalb, solle ich Aaron eben beobachten, und nur falls Fieber auftritt, oder ich sonst irgendwie merke, dass es ihm nicht gut geht, solle ich kommen. Also eh so, wie ich das getan habe, wie ich es immer tu.

Der Freitag war wieder sehr heiß, vor allem mit dem Auto in der Stadt. Gleich nachdem ich Aaron an seinen erleichterten Vater übergeben hatte, fuhr ich weiter ins Tennengebirge nach Tennek, um Simon abzuholen. Ich sprang nur kurz in den See um mich abzukühlen und stieg dann mit der noch nassen Badehose und einem T-Shirt bekleidet ins Auto. Noch im Tauerntunnel war es stickig und heiß; Außentemperatur 33°C. Auf der anderen Seite der Tauern herrschten 21°C und Regen. Am ersten Parkplatz hielt ich an, um die Fenster im Auto zu schließen, mich abzutrocknen und die kurze Jean anzuziehen, eine lange hatte ich nicht dabei. Kaum war ich wieder eingestiegen, kam der Platzregen. Die restliche Fahrt war entsprechend anstrengend.

Am Rückweg begleitete uns der Regen dann bis an den Wörthersee. Simon bediente mich mit Paprika-Chips und Würfelzucker – eine lustige Teenager-Diät, die mich zum Kichern brachte. Zwischen 16h und 17h sollte Markus mit Aaron und Miriam am Steg des Seehofs sein, die Kinder hatten einen Gutschein für eine Motorbootfahrt bekommen. Aaron hatte sich die ganze Woche darauf gefreut, besonders seit Miriam am Donnerstag nach ihrer Runde Wasserschi mit dem Motorboot zu unserem Steg zurückgebracht worden war. Jetzt im Auto bangte ich, ob die Motorbootfahrt noch stattfinden würde, denn am Gutschein stand „bei Schönwetter“. Markus erzählte mir später, dass Aaron ins erste Boot nicht einsteigen wollte, denn da saßen schon so viele Leute drin. Bei der zweiten Runde sind sie dann als erste eingestiegen, dann kam der Platzregen. So sind sie bei strömendem Regen eine Runde am See gefahren. Danach waren sie alle nass, aber glücklich. Ich traf sie beim Seehof, wo wir alle zu einer Grillerei eingeladen waren. Diesmal kam sogar der Bürgermeister persönlich und überreichte allen Kindern noch MickeyMaus-Wundertüten.

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Diese Woche hatte Aaron am Dienstag Blutkontrolle. Die Werte sind wieder gestiegen, und Aaron wird jetzt an die onkologische Ambulanz übergeben, die die Nachsorge-Betreuung durchführt. Er schläft immer noch jeden Nachmittag. Heute war er auch danach eigentlich zu nichts mehr zu gebrauche, wollte nur von mir herumgetragen werden, und schlug die Zeit bis er wieder ins Bett durfte schließlich mit Film schauen tot. Nächste Woche beginnt der Kindergarten. Aaron freut sich darauf. Hoffentlich ist er bis dahin ein wenig fitter. Aber wenn nicht, werde ich ihn aber früher abholen.