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Sonntag, 24. Oktober 2010

Sterntalerhof

Vorweg ein paar Bilder






Montag 18.10.

Die Anreise war recht mühsam. Wir mussten mit Aaron noch ins St. Anna, weil die Thrombos am Donnerstag recht niedrig gewesen waren. Es war ziemlich kalt. Im Auto ließ ich Simon vorn sitzen, weil ich bei Aaron sein und Streit zw. den Großen vermeiden wollte. Obwohl mir die ganze Zeit kalt war, drehte Simon immer wieder die Heizung aus, wenn ich grad nicht schaute. So kam’s, dass ich mich den ganzen Tag nicht mehr richtig erwärmt habe. Hab gefroren bis zum Schlafen gehen, obwohl ich unter der Dusche, während Miriam und Aaron in der Wanne waren, das ganze noch verbleibende Heißwasser verbrauchte. Außerdem war mir während der ganzen Fahrt und noch lange danach ständig mehr oder weniger übel. Beim Heimfahren werd ich wohl nicht nochmal so selbstlos sein.

Die Ankunft war schön, weil das Gelände und die Wohneinheit so schön großzügig sind, dass man sich gleich wohl fühlt. Gejubelt haben wir über das wirklich geräumige Badezimmer mit großer Wanne. Alles ist barrierefrei / behindertengerecht angelegt. Beim gemeinsamen Mittagessen mit dem Team wurde uns bewusst, dass wir tatsächlich die einzige Familie hier sind. Es gibt zwar drei Wohneinheiten, aber in der hintersten wohnt Peter Kai, der Begründer, und die Mittlere steht (zumindest diese Woche) leer. Am Nachmittag gab es zuerst das Erstgespräch, bei dem alle Therapeuten anwesend waren (Psychologin, 2 Reittherapeutinnen, Musiktherapeut, Kunsttherapeutin), und dann gingen wir ENDLICH (für Aaron, der schon sehr ungeduldig und schlimm war) in den Stall. Lisa stellte uns die Pferde vor und holte schließlich holte den „Herrn Hubert“, das erfahrenste Therapiepferd von der Koppel. Er wurde im Stall angebunden, und dort durften wir ihn dann kennenlernen und putzen. Auch die kleine Rosi wurde aus dem Stall geholt und vor allem von Aaron gestriegelt. Besonders schön dabei fand ich, wie unglaublich offen und erfreut Aaron auf die Pferde zuging. Er hatte überhaupt keine Angst, und er passte gut auf, wie Lisa alles erklärte, sodass er danach, als er einen Striegel aus Rosis Box nahm, sogleich kreisförmig zu striegeln begann.




Und dann war es so weit. Dem Hubert wurde eine Decke aufgelegt und ein Gurt mit Haltegriffen umgeschnallt, und dann wurde er in die Halle geführt, und wir sollten zur Rampe gehen, von wo aus man bequem aufsteigen kann. Aaron lief voran und setzte sich gleich ganz vorn auf die Rampe, wolle als erster aufs Pferd, und das durfte er dann auch. Nochmal Pferde begrüßen, langsam aufsteigen, sich bequem hinsetzen, und dann, wenn man bereit ist sagen: „Hubert, bitte Schritt!“ Beim ersten Mal flüsterte Aaron das noch, schon am nächsten Tag war es ihm zur Gewohnheit geworden. Er war sofort glücklich auf dem Rücken des großen Pferdes, er strahlte übers ganze Gesicht.

Danach war Miriam an der Reihe, und mit ihr spielten wir dann auch gleich Ball: Wir standen im Kreis und warfen ihr, die auf dem Pferd langsam herumgeführt wurde, Bälle zu, dies sie auffangen und zu uns zurückwerfen sollte. Aaron war eifersüchtig, weil sie so lange durfte, denn er wollte so gern auch schon wieder. Danach kam noch Simon, mit dem wir schließlich das Lanzenspiel spielten, wo wir alle Kunststoffkegel mit Loch hochhielten und er sie mit einer „Lanze“ aufspießen musste.

Das ist Miriam beim Lanzenspiel.

Dienstag:

Der Dienstag war so intensiv, dass wir uns am Abend fragten, ob das wirklich erst ein ganzer Tag gewesen war, es war so viel passiert. 9h Morgenkreis, wo jeder sagt, was ihm gestern gut gefallen hat, wie’s ihm heute geht und was er sich für heute wünscht, danach kamen die Vorschläge vom Team, die sich gut überlegt hatten, was sie mit uns machen wollten. Simon und Miriam kamen gleich am Vormittag gemeinsam zur Musiktherapie, danach der Aaron. Aaron durfte als erstes auf dem Hubert reiten, das war es auch, was er sich wünschte. Er war gleich nach dem Frühstück, als wir zum Gemeinschaftshaus rübergingen schnurstracks Richtung Stall marschiert, und konnte es gar nicht erwarten, bis endlich die Rederei vorbei war und er mit Lisa und Markus zum Stall gehen durfte, wo sie Hubert von der Koppel holten und sie unter anderem das Kluppenspiel spielten, bei dem Aaron während des Reitens verschiedenfärbige Wäschekluppen vom Pferd (Sattelfecke, Mähne) und von seinem eigenen Gewand zupfen und in ein von Markus gehaltenes Körbchen tun musste.


Ich war am Vormittag zur Kunsttherapie eingeteilt und am Nachmittag hatte ich zuerst Musiktherapie und durfte dann Crazy kennenlernen und auf ihm reiten, zuerst in der Halle, mit verschiedenen Anweisungen von Sonja, dann eine Runde durch den herrlichen Mooswald. Hätte nicht gedacht, dass es so arg schaukelt, wenn man auf einem Pferd liegt anstatt zu sitzen, sehr ungewohnt. Auch Markus kam zum Reiten dran, auf Herrn Hubert, und auch in den Wald. Miriam und Simon waren auch einzeln zum Reiten dran. Auch Aaron war den ganzen Nachmittag beschäftigt. Die Praktikantinnen gingen zuerst mit ihm und Miriam Eicheln sammeln und die Ziegen füttern und spielten schließlich mit ihm im Gemeinschaftshaus.

Simon und Miriam beim Ball spielen.

Mittwoch:

An diesem Vormittag war die Psychologin da. Sie sprach mit Miriam, Simon und Markus einzeln und danach noch mit Simon und Miriamm gemeinsam und mit Markus und mir gemeinsam. Ich ging mit Aaron zum Stall und fotografierte mit Peters Kamera, weil Peter das Pferd führte, während Lisa mit Aaron übte. Heute wagte Aaron es sogar, sich verkehrt herum aufs Pferd zu setzen und schließlich sich sogar hinzulegen, wobei er den Hubert ständig streichelte.


Am Abend machte Simon Waffelteig, weil wir in unserer Wohnung ein Waffeleisen entdeckt hatten. Er suchte sich dazu ein Rezept aus dem Internet und besorgte sich die fehlenden Zutaten und Gerätschaften im Gemeinschaftshaus. Also buk ich dann zum Abendessen Waffeln. Sie waren lecker aber sehr sättigend, weshalb es auch am Do zum Frühstück und zur Jause ins Bad noch welche gab. Nach der Kocherei seilte ich mich aber ab, denn die Psychologin hatte mir Klaviernoten besorgt, und so gönnte ich mir eine Stunde mit Bach, Debussy und Schumann.

Donnerstag

Aaron durfte am Vormittag reiten, wenn auch nicht auf Hubert sondern auf Crazy, Markus ritt auf Hubert. Ich hatte Musiktherapie. Er machte mit mir eine Familienaufstellung mit Instrumenten, und anschließend durfte ich wieder in der Klangwiede entspannen, wobei er mir eine Art Aufgabe stellte (Traumreise zum Kraft tanken). Das war super. Ich dachte zuerst an meinen alten Kraft-Platz, auf der Wolkendecke über Innsbruck. Gelandet bin ich dann aber unter dem Baum der Seelen aus dem Avatar-Film, wo ich mich von den leuchtenden Wurzeln überwachsen ließ, weil Bernhard von Erdverbundenheit sprach, und wo ich schließlich durch den Baum in das Reich Eywas, der großen Göttin aufstieg, wo all die Seelen der Vorfahren wohnen. Es war eine sehr, sehr gute, ich-stärkende Erfahrung. Danach hatte ich noch 15 min Zeit bis zu Simons Lernstunde. Die nützte ich, um kurz in die Sonne hinauszukommen, die heute erstmals konstant schien. Gestern hatte sie am Nachmittag kurz herausgeschaut. Da ritt gerade Aaron auf Crazy vorbei, sein erster Ritt außerhalb der Halle. Es war schön anzusehen, und er winkte mir begeistert.

Aaron hat wiedermal viel gegessen zu Mittag. Wenn so viele Leute bei Tisch sitzen, schmeckt es ihm immer gut. Außerdem wurden wir ja Anfang der Woche sehr genau ausgefragt, was uns allen gut schmeckt. Heute gab es faschierte Laibchen mit Kartoffelpüree. Am Nachmittag fuhr Markus mit den Kindern in die Therme Stegersbach und ich machte mit Aaron einen langen Spaziergang durch den Mooswald, aber erst, nachdem er bei der Koppel in die Heu-Raufe geklettert war, von wo aus er die Pferde mit Heubüscheln fütterte. Am Abend durfte Aaron eine Runde um die Halle am (uralten) Traktor mitfahren, und weil es ihm so gefallen hat, hat ihn der Arbeiter dann noch extra eine Runde durch den Wald chauffiert.

Freitag


Heute früh wurde Aaron traurig, als Simon oder Miriam sagten, dass dies unser letzter Tag hier ist. Der Vormittag war für mich großartig. Zuerst war ich mit Markus bei der Musiktherapie. Den zweiten Teil dieses Kraft-tank-Vormittags verbrachte ich auf Crazy geführt von Sonja durch Wald und Feld.

Eine Aufgabe, die sie mir dabei stellte: Rucksack neu packen, toll gegen meine Verspannungen im Schulterbereich. Ich sollte den Rucksack, den ich mit mir herumschleppe, und der in den letzten Monaten immer schwerer geworden ist endlich mal auspacken, mir das was da drin ist (Personen, Ängste, sonst. Gefühle, Erinnerungen, …) bewusst anschauen und entscheiden, ob ich’s wirklich noch brauche. Alles, was ich entscheide, nicht mehr zu benötigen, wegzuwerfen, dafür neue Sachen einzupacken, die ich mir von hier, aus dieser Woche mitnehmen möchte.

Den Nachmittag verbrachten wir als ganze Familie sowie mit Sonja, Lisa, Bernhard und den beiden Praktikantinnen Christina und Theres bei einem Spaziergang mit Hubert und Crazy.

Markus und ich (und später Simon und Miriam) machten auf den Pferden mit Sonja noch eine Meditation auf der Brücke. Wir blickten beide in die Richtung, aus der das Wasser auf uns zu kam, die Richtung hatten wir uns selbst ausgesucht. Wir sollten uns vorstellen, das ist, was die Zukunft uns bringt. Mitnehmen konnte ich mir davon vor allem, dass ich keine Angst vor der Zukunft zu haben brauche. Es war einfach ein schönes Bild, dieser grünliche, naturbelassene Fluss, die herbstlichen Farben der Blätter an den Bäumen am Ufer, rote Beeren auf einem Strauch im Vordergrund. Das Wasser fließt ruhig und kontinuierlich auf mich zu, unter mir durch und wieder weg. Dieses Bild hab ich mir eingeprägt. Die Zukunft kommt sowieso. Wenn sie da ist, handle ich in ihr, tu, was ich dann für richtig halte, etc. Aber es ist kontraproduktiv, sich über die Zukunft Sorgen zu machen. Leben, und die schönen Momente im Leben genießen, kann ich nur im jetzt, genau hier und jetzt auf dieser Brücke.

Nachdem alle Pferde gefüttert und in die Boxen gebracht worden waren, futterten wir zum Abschluss noch gemeinsam Reste vom Mittagessen auf und Kuchen vom Vortag und beim Abschied wurden wir noch mit Souveniers beschenkt, Schlüsselanhänger, Luftballons und Sterntalerhof-T-Shirts.
Leider musste sich Aaron am Abend wiedermal vollständig übergeben. Er hatte einige Manner-Schnitten gegessen, aber ob es daran gelegen ist? Die immer wiederkehrende Speiberei ist nervtötend. Heute fragte er mich, ob ich aus do viel hatte speiben müssen, als ich klein war. Danach war ihm wieder besser, aber er ist halt wiedermal mit völlig leerem Magen zu Bett gegangen. Derzeit ist er echt dünn, sodass der Kopf schon unnatürlich groß aussieht. Normalerweise fällt mir das nicht so auf, aber auf Fotos schon. Da mache ich zum Beispiel in der Badewanne Fotos, weil Aaron so viel Spaß hat und lacht, und wenn ich das Foto dann anschau erschrecke ich, weil er am Foto so ausgezehrt wirkt.
Morgen könnten wir theoretisch noch bis zum Abend hier bleiben, denn die Wohneinheit wird üblicherweise erst am Montag Vormittag für die neuen Gäste hergerichtet. Markus will ja mit Miriam nach IBK fahren, aber es ist gut, dass wir uns wenigstens noch hier ein Mittagessen richten können. Danach hoffe ich, dass Aaron im Auto ein wenig schlafen kann.


Samstag

Der Abreisetag verlief nicht ganz so entspannt, wie wir es uns gewünscht hatten. Das lag daran, dass Aaron einen nicht ganz so kleinen Unfall mit seinem Laufrad hatte. Aaron hat derzeit zu wenige Thrombozyten. Ein Sturz sollte da gerade überhaupt nicht passieren! Gottseidank trug er einen gut sitzenden Fahrradhelm, und darunter noch eine Wollhaube mit doppelter Krempe. Er blutete an der Nase, am Kinn und vor allem aus der Oberlippe, aber den größten Stoß dürfte der Helm über der Stirn aufgefangen haben, der ist an dieser Stelle ganz abgeschrammt. Trotzdem wussten wir natürlich nicht, ob er nicht trotz Helm vielleicht eine Gehirnblutung haben könnte. Wir hatten beide dem entsprechend Angst. Aaron stand schlimm unter Schock, weinte zuerst nur nach seinen Tinky Winky und seinem Tuchi. Nachdem er diese beiden Dinge hatte, beruhigte er sich aber relativ schnell wieder. Wir gaben ihm ein feucht-kaltes Tuch zum Kühlen seiner bereits bläulich geschwollenen Oberlippe. Eine halbe Stunde später sauste er wieder in der Wohnung herum. Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Zwei Stunden später war er schon wieder schlimm genug, Markus im Müllhäusl einzusperren und sich in die unmittelbare Nähe eines arbeitenden Katerpillers zu begeben, was Markus ziemlich aufregte, und kurz vor der Abfahrt wollte er schon wieder sein Fahrrad auspacken, weil die Straße von der Weide, wo wir uns von den Pferden verabschiedet hatten, zum Auto hin leicht bergab ging. Das erstaunte mich am allermeisten.

Sonntag, 24.10.

Es ist irgendwie komisch, wieder hier zu sein. Melancholisch. Ich habe gestern Abend und heute die vielen Fotos bearbeitet. Die schönsten hab ich als Bildschirmschoner installiert und auch der Desktop-Hintergrund zeigt den Mooswald. Wenn ich jetzt Bilder von Crazy sehe, fehlt es mir, dass ich ihn nicht berühren kann, die Kaninchenfell-weiche Stelle auf seiner Brust nicht streicheln, seinen warmen Atem nicht spüren kann. Hab ich mich in ein Pferd verliebt?
Das ganze Team hat betont, dass es schön war, mit uns zu arbeiten, weil wir uns „eingelassen“ haben. Das stimmt. Ich hab mich auf die Menschen und auf die Tiere eingelassen, sowohl Sonja als auch Crazy sind mir in dieser Woche vertraut geworden. Es fühlt sich falsch an, dass sie nicht in mein Leben gehören.
Dieses Pferd fehlt mir. - Obwohl ich als Kind lang geritten bin, hatte ich, glaube ich, nie zuvor so eine Beziehung zu einem Pferd, wie zu Crazy nach diesen paar Tagen.

1 Kommentar:

  1. Hallo, ich habe heute eure Seite gefunden und ich freue mich, dass es dir lieber Aaron wieder gut geht.
    Auch mein Sohn hat Leukämie und ich habe bei den Berichten förmlich mitgelitten, weil ich teilweise das selbe erlebt habe.
    Aber es geht aufwärts und das zählt.
    Dir und deiner Familie alles Gute.
    Tanja

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