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Samstag, 9. Oktober 2010

Kindergartenstop

Eine Woche später, am Montag den 27. September, packte ich für unsere Kontrolle im St. Anna eine große Tasche, weil ich bereits damit rechnete, dass wir an diesem Tag nicht wieder heim kommen würden. Aaron hustete ziemlich und in der Nacht von Sonntag auf Montag fieberte er leicht. Ergebnis der Untersuchung: Entzündungswert im Blut = 7, das ist hoch, Lungenröntgen unauffällig. Wo die Entzündung lag, konnte man also nicht mit Sicherheit sagen, entweder doch in der Lunge, aber in einem noch so frühen Stadium, dass es am Röntgen noch nicht sichtbar war, oder in den oberen Atemwegen, oder sonstwo. Da es Aaron aber gut zu gehen schien (Er war ziemlich schlimm in der Amulanz), schrieb mir die Ärztin ein Rezept für ein Antibiotikum auf und entließ uns wieder.

Bezüglich meiner Unsicherheit wegen des Kindergartenbesuchs hatte ich per e-Mail mit Herrn Doktor Kager Kontakt aufgenommen, den ich von der 2B kenne, der Aaron und seine Krankengeschichte gut kennt. Er hatte mir sofort zurückgeschrieben und gleich im Mail sehr ausführlich erklärt, wie die Thioguanin-Dosis berechnet wird und wovon sie abhängt. Er hatte mir versichert, dass die Oberärztin in der Ambulanz eine der besten Onkologinnen sei, die er kenne, und Aaron da sicherlich in guten Händen sei. Ab Oktober wird er übrigens auch selber in der Ambulanz eingesetzt sein, und dann auch wieder für Aaron zuständig. Er hatte mir auch angeboten, mit mir zu sprechen, entweder telefonisch, oder wenn ich das nächste mal da bin, persönlich. Also hatte ich mich für diesen Montag angekündigt. Deshalb ging ich nach der Ambulanz mit Aaron noch in die 2B hinauf um mit Dr Kager zu sprechen, der allerdings gerade in einer Besprechung war. Noch während wir auf ihn warteten, wurde Aaron plötzlich übel und er musste sich gleich dort am Gang der Station übergeben, hab's nicht mal geschafft schnell Tassen zu holen. In den darauf folgenden 2 Stunden übergab er sich unzählige Male. Wir waren im Spielzimmer der 2B, Aaron lag im Kinderwagen und wollte eigentlich schlafen, war plötzlich total müde, musste sich aber immer und immer wieder aufsetzen und wieder und wieder gelben Gallensaft spucken, bevor er schießlich auf den Polstermöbeln im Spielzimmer doch einschlief. In dieser Zeit, als es ihm so schlecht ging, kamen 3 Ärte zu uns, die alle sagten, so könne Aaron wohl nicht nach Hause entlassen werden, und sie würden sich darum kümmern, dass wir ein Zimmer auf der 2A bekämen. Dr Kager nahm sich auch wie versprochen Zeit, aber zu diesem Zeitpunkt war für mich schon klar, dass ich Aaron zumindest bis Weihnachten nicht mehr in den Kindergarten würde gehen lassen. Das hatte mir auch die Ärztin in der Ambulanz geraten, und angesichts seiner jetzigen Entzündung und der Tatsache, dass die Chemo-Therapie nun insgesamt schon für ein ganzes Monat unterbrochen werden musste, war klar, dass es für den Kindergartenstart einfach noch zu früh gewesen war.

Nachdem Aaron wieder erwacht war (es ging ihm schon etwas besser) wurden "Zauberpflaster" geklebt und später dann ein Venflon gestochen. Das war für Aaron wieder etwas Neues, er hatte in seinem Leben erst einmal welche, das war am 10.1., als die Leukämie erstmals diagnostiziert wurde, und daran kann er sich nicht mehr erinnern. So erschrak Aaron diesmal ziemlich, als er die Nadel am Venflon sah, die in der Schutzhülle noch viel größer und bedrohlicher wirkte. Er hatte richtig Angst, versteckte seine Hände hinter dem Rücken und konnte uns nicht glauben, dass es nicht wehtun würde. Er hat dann trotzdem ganz brav still gehalten, und auch sofort wieder zu weinen aufgehört, als er merkte, dass es ja doch nicht weh tat. Dafür durfte er sich danach ein Geschekt aussuchen und bekam einen blauen Wasserball. (Aaron liebt ja Bälle jeder Art.)

Nachdem wir in die 2A übersiedelt waren und die Medikamente zu wirken begonnen hatten, ging es ihm bald wirklich besser, und er konnte am Abend sogar wieder ein Stückchen trockener Semmel essen und Saft trinken. In der Nacht schlief er gut. Ich weniger. Mehrmals kam die Nachtschwester herein um das Antibiotikum in den Schlauch zu spritzen oder die Windel zu wechseln, die durch die hoch eingestellte Infusion sonst heillos übergegangen wäre. Am Dienstag war der Entzündungswert schon wieder rückläufig, kein Erbrechen, auch kein Durchfall, also war's wahrscheinlich eine bakterielle Infektion und gottseidank doch kein Virus. Und am Mittwoch durften wir dann auch schon wieder heim, Antibiotikum zum Schlucken im Handgepäck. Donnerstag feierten wir Simons 14. Geburtstag. Mein Erstgeborener ist mit seinen 180 cm jetzt 3 cm größer als ich, und auch sonst hat er sich toll entwickelt in letzter Zeit. Ich bin stolz auf ihn.



Am Dienstag den 5. Oktober war es dann endlich so weit, Aaron war wieder gesund, die Werte wieder gut, und die Chemo konnte wieder begonnen werden. Thioguanin-Tabletten zu 50% und die erste der 4 Spritzen. Unglücklicherweise hatte ich nicht damit gerechnet, dass er gleich die Spritze bekommen würde, und hatte ihm kein Zofran gegeben, und auch im Krankenhaus vergaß ich danach zu fragen. Wir waren gerade mitten am Gürtel, mittlere Fahrspur, als die Speiberei losging. Wir standen dann ziemlich lange mit Warnblink-Anlage in einer kleinen Ausbuchtung am linken Straßenrand, bis ich wenigstens das Kind aus dem schmutzigen Gewand geschält, in eine Decke gehüllt und in einen anderen Autositz verfrachtet und alles noch Schmutzige möglichst weit hinten im Transportraum verstaut hatte. Besser wurde es dem Aaron natürlich während der ganzen Heimfahrt nicht, obwohl er es amüsant fand, dass ich "Scheiße" ("Mama, hast du "Scheiße" gesagt???") und "Geh bäh" ("hihihi") gesagt hatte.

Die restlichen drei Spritzen bekam er wieder von einem befreundeten Arzt in unserer Nähe, und das Zofran vergaß ich nicht wieder. Dank der Pharmazie, dass das Zeug so perfekt wirkt!

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Aaron kocht für seine großen Geschwister:


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