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Mittwoch, 30. Juni 2010

Beginn der Strahlentherapie



Man erkennt an der langen Pause, dass die letzten 1 1/2 Wochen recht stressig waren.
Von Montag, 21. bis Donnerstag 24. Juni bekam Aaron täglich eine Spritze. Dr Diakos hat ihn so gelobt, weil er trotz seiner Angst vor Nadeln so tüchtig war.

Am Donnerstag wurden wir ins AKH geschickt zur Vorbesprechenung mit der Strahlenspezialistin. Unangenehm war, dass wir dort sehr lange warten mussten. Aaron die ganze Zeit mit Maske in einem Gang, wo ständig die verschiedensten Patienten durchgeschoben wurde, und wo's absolut nichts für Kinder zu tun gab. Selber hatte ich keine Spielsachen mitgebracht, weil ich nicht mit der langen Wartezeit gerechnet hatte.
(Wieder zurück im St.Anna warteten nochmals sehr lange auf den Entlassungsbrief, und danach abermals sehr lange auf die Rettung. So kam es, dass wir wiedermal die letzten waren, die die Tagesklinik verließen, obwohl wir in der früh fast die ersten waren, die sich in die Liste eingetragen hatten. Es stand nur ein Name vor Aaron im Buch.)
Aber jetzt zu den wichtigeren Dingen.
Die Strahlen-Ärztin kann ganz toll mit Kindern umgehen. Als wir zu ihr ins Zimmer kamen, fragtee sie zuerst Aaron, was für ein Tier er denn sei, ein Tiger, oder eher ein zahmes Lämmchen, oder doch eher ein kuscheliger Teddybär? Sie machte noch einige Vorschläge, bevor sie sich an mich wandte: "Spricht er nicht?" Ich wollte gerade antworten: "Fremde sieht er sich immer zuerst an." aber dazu kam ich nicht, weil Aaron in dem Moment laut und deutlich "Ich bin ein Löwe!" sagte. Das war gut zu hören, wenn er sich als Löwe sehen kann, dann werden wir das ohne Narkose schaffen. Als uns die Ärztin dann aber so eine "Maske", mit deren Hilfe der Kopf während der Bestrahlung fixiert wird, zeigte, musste ich erst mal schlucken. Unter einem "Ritterhelm" hatte ich mir ganz etwas anderes vorgestellt, und Aaron sich offensichtlich auch. Tatsache ist, dass es sich um eine perforierte Kunststoffplatte handelt, die in warmem Wasser elastisch gemacht wird und dann über das Gesicht gespannt wird, wo sie erkaltet und trocknet und dabei genau die Kopfform der jeweiligen Patienten annimmt. Diese Prozedur stellte ich mir grauenhaft vor. Ich konnte mir gut vorstellen, dass man dabei das Gefühl hat, zu ersticken, und ich hätte mich echt nicht drum gerissen, so was mit mir machen zu lassen. Die fertige Maske sieht aus, als käme sie aus einem weiterentwickelten Terminator-Film. Auch nicht gerade eine nette Vorstellung. Trotzdem musste ich natürlich so tun, als fände ich das Ding einfach toll, total cool, wow, so was möcht ich auch haben, ...
Erst am Abend zu Hause, als Aaron bereits schlief, konnte ich meinen wahren Gefühlen dazu ein bisschen Luft machen. Die Aufklärung über die möglichen Nebenwirkungen war auch nicht gerade angenehm. Mit Aaron am Schoß hab ich mir das nicht anmerken lassen und auch kaum was nachgefragt, aber in Wahrheit hab ich Angst vor dieser Therapie. Als wir das erste mal hörten, "Konzentrationsstörungen" wären eine mögliche Nebenwirkung der Strahlentherapie, war Aaron gerade erst aus der Intensivstation raus, und der Schock über die gefährliche Grunderkrankung steckte uns noch tief in unseren Gliedern, dass sich "Konzentrationsstörungen" dagegen einfach lächerlich anhörten. Jetzt sehe ich die Sache nicht mehr ganz so blauäugig. Aaron ist wieder (so gut wie) gesund. Ich hab ein intelligentes Kind, das die Gabe hat, sich in das was es tut zu versenken. Wenn ihm das durch diese Strahlentherapie genommen würde, so wäre das schon ein nicht unwesentlicher Verlust. Es ist mir auch klar, dass, wenn hier von "Konzentrations-, Merk- und Denkschwierigkeiten", sowie vom "Nachlassen der schlulischen Leistungen" die Rede ist, es sich nicht um eine Lapalie handelt, die sich mit etwas intensiverer Betreuung ausmärzen lässt, sondern unter Umständen um ein echtes Problem.

Vielleicht denken einige von euch jetzt: "Was will sie eigentlich? Das Kind hat schließlich Krebs?!"
Dazu kann ich nur sagen, dass ich nie daran gedacht habe, diese Strahlentherapie icht machen zu lassen, weil ich den Ärzten vertraue und weiß, dass die Risiken von Nebenwirkungen (es gibt noch andere, bis hin zum Hirntumor) erheblich geringer sind als das Risiko eines erneuten Ausbruchs der Grunderkrankung. Es war bloß wiedermal so eine Situation, wo ich mit der Nase draufgestoßen wurde, dass mein Kind nunmal an einer sehr gefährlichen Krankheit leidet, und dass auch die Therapie zur Behandlung dieser Krankheit nicht ohne Risiken sein kann. Ob ihr's glaubt oder nicht, dieses Wissen, obwohl immer da, liegt nicht ständig irgendwo ganz oben in meiner Bewustseinsebene. Normalerweise konzentriere ich mich eher auf die vielen kleinen Erfolge und Lichtblicke. Das "große böse Ganze" wird eher verdrängt.
Zu eurer Beruhigung sei noch gesagt, dass mein Tief am Abend nach diesem Aufklärungsgespräch nicht lange dauerte. Am nächsten Morgen war wieder alles okay, das heißt, ich hatte es wohl einfach akzeptiert, dass es all diese möglichen Nebenwirkungen nun mal gibt, aber auch wieder zu meinem Vertrauen darauf, dass dem Aaron schon nichts passieren würde, zurückgefunden.

Am Wochenende übte ich mit Aaron day Maske ziehen. Ich ließ ihn auf den Küchentisch liegen und zog ihm ein nasses Tuch über das Gesicht, wo er dann liegen bleiben musste, bis die "Maske" getrocknet war, ich formte ihm Masken aus Knetmaske, die wir wechselseitig anprobierten, .. jeden Tag ein bisschen was.

Trotz der spielerischen Vorbereitung hatte Aaron schreckliche Angst, als es schließlich soweit war. Bevor die Ärztin kam, weigerte er sich sogar, sich auf den schmalen Tisch zu legen. Allerdings gab er bei ihrem Eintreffen seine Weigerung ganz schnell auf. Sie sprach ihn in an, und in dem Moment war ihm klar, er macht das jetzt. Beim Ziehen der Maske hat er geweint, aber eigentlich nicht sehr lange, zumindest hat er nicht die ganze Zeit durch gebrüllt, nur eben geweint, und ich hielt ihn zwar fest, aber nicht, weil er etwa versucht hätte, wieder aufzustehen und sich aus dem Staub zu machen, sondern nur um ihn zu beruhigen. Er konnte mich ja nicht sehen, so sollte er mich wenigstens spüren. Nach dieser "Simulation" - es handelt sich um einen Rhöntgen-Apparat. Der Laser wirft ein Kreuz auf die Maske, das nachgezeichnet wird und mit Hilfe der Rhöntgenbilder dann die genaue Einstellung der Bestrahlungsmaschine ermöglicht. Deswegen auch die Masken, damit gewährlleistet ist, dass der Kopf bei jeder Bestrahlung in exakt derselben Position liegt. - nach dieser Simulation also war ich ziemlich "fertig" - Aaron aber war glücklich, denn er durfte jetzt den Tisch und auch noch den Rhöntgenapparat steuern, durfte alle Hebel ausprobieren, woraufhin sich das Gerät durch die Luft drehte, der Tisch rauf und runter fuhr, sich drehte, und vieles mehr. Der Ärztin fiel auf, dass er sich offensichtlich sehr für die Technik interessiert, und dass er schnell begreift. Fast hätte ich gesagt: "Na hoffentlich nachher auch noch!" aber britischer Humor zählt nicht zu meinen Stärken.

Am Dienstag stand wieder Lumbalpunktion auf dem Programm. Nachdem es ihm letzte Woche nicht so gut ergangen war, hatte er diesmal ein bisschen Angst vor der "Schlafmilch", er schlief aber sehr schnell und ruhig ein. Ich hielt ihn im Arm, Stirn an Stirn, er legte seine Hand auf meine Wange und sagte: "Meine Mami..." (sooo süß!!!) und dann war er weg. Auch nach der Narkose ging es ihm gut. Mit noch schwerer Zunge verlangte er schon zu essen und belehrte mich dabei noch, dass ich es ihm doch versprochen hätte, dass er nnach der Schlafmilch wieder essen dürfe (Naja, ich hatte gesagt, "wenn du aufwachst", denn normalerweise schläft er danach gut.) Auf jeden Fall konnte ich ihm nicht länger als 15 Minuten widerstehen, aber es wurde ihm trotzdem nicht schlecht. Nach 30 Minuten war er kaum mehr dazu zu bewegen ruhig liegenzubleiben und vesuchte mir gerade zu erklären, dass er doch noch nie Kopfschmerzen bekommen hätte, obwohl ich mir sicher bin, dass er sich recht gut daran erinnert, dass ihm das einmal passiert ist.

Heute, Mittwoch, 30. 6., fuhren wir zur ersten Bestrahlung. Obwohl Aaron sehr neugierig auf seine fertige Maske war (die Ärztin hatte noch Löcher für die Augen hineingeschnitten) bekam er furchtbare Angst, als er sie aufsetzen sollte. Er weigerte sich auch lange, sich überhaupt auf den Tisch zu legen, nicht einmal das Eintreffen der freundlichen Ärztin konnte ihn dazu bewegen. Immer wieder dirigierte er mich zu dem Foto, das ihn mit der Maske am Kopf auf dem Tisch des Simulators zeigt, und das aufh einem Schirm zu sehen war. Es gab auch noch Mutmach-Medizin in Form von Gummibärchen, aber das Bild war, glaube ich das Wichtigste, woraus er schließlich doch den Mut schöpfte, sich in die Behandlung zu fügen. Ich war sehr sehr froh, dass das gesamte Team so viel Geduld bewies, obwohl sie ihren Zeitplan sowieso schon überzogen hatten. Die Bestrahlung selbst dauerte dann aber wirklich nicht lange. Ich musste ja den Raum verlassen, konnte Aaron aber auf einem Bildschirm sehen und über eine Gegensprechanlage auch hören. Ich las ihm eines seiner Lieblingsbücher vor ("Ist Vinzent wasserscheu?"), aber bevor ich die letzte Seite umgeblättert hatte, war schon wieder alles vorbei.

Das Behandlungstieam war jetzt schon leicht nervöd, erlaubte mir aber trotzdem noch, die Fotos von ihrer Digitalkamera direkt auf meinen Laptop zu kopieren. Ich dachte, dass es eine gute Vorbereitung für den nächsten Tag sei, diese Fotos mit Aaron zu Hause nochmal anzusehen. aaron hatte dazu allerding such eine Idee. Obwohl er sich so vor der Maske gefürchtet hatte, bestand er jetzt darauf, das (furchtbare) Ding mit nach Hause nehmen zu dürfen. Zu Hause wollte er sie wieder nicht gleich aufsetzen, um sie seiner Schwester zu zeigen. Er wartete aber auf einen unbemerkte Augenblicke, um es immer wieder vorsichtig zu versuchen, und am Abend war er dann so weit, dass er sich die Maske auch von mir wieder aufsetzen ließ. Das heißt, er bat mir mehrmals darum, das zu tun. Ich finde es ganz unglaublich, wie genau so einkleines Kind weiß, was es braucht, das Foto im Behandlungsraum, oder die Maske zu Hause. Er arbeitet an sich, mit einer Intensität, an der wir Erwachsenen uns was abschauen können.

Toll fand ich auch noch, dass er sich ohne weiteres bereit erklärte, bei der Heimfahrt im Rettungswagen alleine vorn neben dem Fahrer zu sitzen. Es waren noch andere Leute im Auto, ich musste mich deswegen auf die Trage legen. Aaron störte es überhaupt nicht, dass er mich nicht sehen konnte, er war bloß stolz, dass er auch einmal vorne sitzen durfte, auf dem Platz um den sich seine großen Geschwister so oft streiten.

Ab jetzt haben täglich um 10h Bestrahlungstermin. Zwei mal pro Woche müssen wir außerdem ins St.Anna, einmal - wie morgen - nur zur Blutabnahme, nächsten Dienstag dann nach der Bestrahlung auch wieder zur Punktion.

Montag, 21. Juni 2010

letzte Hürde

Wir sind wieder in der Tagesklinik. Lumbalpuntion. Aaron hat sich die Decke über den Kopf gezogen und ist eingeschlafen. Die Narkose war heute irgendwie anders als sonst. Propofol ist ein Knock Out - Mittel, das geht immer ganz schnell, aber normalerweise sackt er einfach in sich zusammen (wir achten auf seinen Kopf, legen ihn hin, und die Anäthesistin kommt mit dem Beatmungs-"Luftballon"). Aber heute hustete und würgte er, als er das Propofol in die Blutbahn gespritzt bekam, als müsse er sich übergeben. Ich hab trotzdem schnell das Behandlungszimmer verlassen, aber mit keinem so guten Gefühl. Es ist alles gut gegangen. Die Anästhesistin hat ihm zur Sicherheit etwas weniger Narkotikum gespritzt, dafür bekam er anschließend noch ein Schmerzmittel. Es war ihm nicht gut, als er wieder kam. Sonst war es oft so, dass ich das Gefühl hatte, er genieße den Rauschzustand, aber heute wollte er sich nur verkriechen. Da er wie immer nach der Narkose an die Sauerstoff-Sättigungsmessung angeschlossen ist ("Leuchtfinger"), kann ich am Monitor sehen, dass er unter seiner Decke genug Sauerstoff erhält und so lass ich ihn.

Von heute an bis ca. Ende Juli, werden wir fast wieder täglich nach Wien müssen, entweder hierher oder zu den Bestrahlungen ins AKH.

Wir hatten es schön zu Hause. Ein wenig Erholung, und doch zu wenig. Gestern früh war ich so richtig ausgelaugt und erschöpft, bloß weil ich dran dachte, dass heute die Therapie wieder startet. Ich fühlte mich kraft- und mutlos, obwohl alles so läuft, wie es soll. Ein starkes "ICH MAG NICHT MEHR"-Gefühl machte sich in mir breit.

Also beschloss ich, etwas zu unternehmen und schlug einen kleinen Rad-Ausflug vor. Markus bereitete die Räder und den Kinderanhänger für Aaron vor. Miriam kam auch mit. Simon blieb lieber bei seinem neuen Fernseher. Es hat mir sehr gut getan, rauszukommen. Aarons Laufrad hatten wir mit, sodass er Streckenweise selber radeln konnte.

Am Abend hatte ich's schon wieder akzeptiert, oder sollte ich sagen "integriert", dass der "Urlaub" vorbei ist. Auch Aaron war gefasst. Er wusste ja, dass noch einiges an Behandlungen nötig sein würde, bevor er den Katheder rausbekommt und "wieder gesund" ist.

Heute beginnt also die Dauer-Chemotherapie, die genau ein Jahr dauern wird. Er wird jeden Abend eine Tablette mit einem milden Zytostatikum schlucken müssen. Dazu kommen jedes Monat an vier aufeinander folgenden Tagen subkutane Spritzen, ebenfalls ein Zytostatikum.

Heute hatte er die erste von 4 Lumbalpunktionen, die die Strahlentherapie begleiten. Dabei wird ein starkes Zytostatikum ins Rückenmark injiziert. Die weiteren folgen in wöchentlichem Abstand. Aufgrund dessen werden die Blutwerte wieder sinken, aber nicht so drastisch wie bei den Infusions-Blöcken (was immer das genau heißen mag). Kommenden Montag sind wir erstmals im AKH, wo die Bestrahlung erst einmal simuliert wird, damit wir sehen, ob Aaron das ohne Narkose schafft. Am Mittwoch den 30. 6. ist die erste "richtige" Bestrahlung angesetzt, 17 weitere werden folgen.

Im August dann steht wirklich Urlaub auf dem Programm. Ich hoffe, dem Aaron geht's dann auch gut, damit er die wiedererlangte Freiheit genießen kann. Die Dauertherapie läuft natürlich weiter, und die Kontrollen werden vorerst wöchentlich, später 14tägig nötig sein.

und er radelt wieder


mit Vollgas durch die Lacke ...


Die Fotos sond von letzten Donnerstag, den 17.Juni:



"Ich freu mich so ...
ich freu mich so, dass ich wieder Rad fahren darf."
(Zitat Aaron)

Donnerstag, 17. Juni 2010

bad and good news

Vergangenen Montag gab's einen kurzen Schock für uns. Aaron hatte am Wochenende verstärkt gehustet, weshalb ich unseren Hausarzt bat, ihn kurz abzuhorchen, damit wir nichts übersehen. Der kam auch wirklich vorbei, hielt kurz sein Stetoskop an Aarons Rücken und sagte: "Das ist eine Lungenentzündung, das hör ich gleich." Nicht schon wieder, durchfuhr es mich. Aaron weinte, nachden der Arzt gegangen war und ich ihm sagte, wir müssten ins Spital fahren ("Ich will aber nicht ins Krankenhaus!") und nachdem ich ihn getröstet und er es schließlich akzeptiert hatte, wurde ich selbst total grantig. ICH WILL NICHT!! schrie es förmlich in mir NICHT SCHON WIEDER!!! Weil es ja unwahrscheinlich war, dass wir am selben Tag noch nach Hause dürften, packte ich eine Tasche. Danach warteten wir unendlich lang auf die Rettung. "Wenn der jetzt Fieber hätte..." ging es mir durch den Kopf, denn in so einem Fall müssten wir ja SOFORT ins Spital. Miriam war auch den Tränen nahe, als wir uns verabschiedeten.

Die Fahrt in dem alten, klapprigen Rettungswagen war erschöpfend mühsam, Aaron schlief auf meinem Schoß ein. Im St.Anna angekommen wurde gleich ein Lungenrhöngten gemacht, und Blut abgenommen, und bald danach kam die gute Nachricht. Es ist keine Lungenentzündung, nur eine leichte Bronchitis. Die Station war völlig überfüllt, auch im Spielzimmer saßen noch mehrere Kinder mit Infusionen, die tagesklinisch betreut wurden, nachdem die Tagesklinik schon geschlossen hatte. Ich wartete mit Aaron im Elternzimmer auf den Blutbefund und weitere Informationen. Diese waren schließlich höchst erfreulich. Wir dürfen wieder heim. Blutbild ist "wunderschön". Antibiotikum nicht notwendig, auch die anderen Medikamente dürfen großteils abgesetzt werden. Wegen der Bronchitis muss Aaron 4x täglich inhalieren (mit so einem Inhalationsgerät, durch das man 10x ein und ausatmen muss, das macht er schon wieder recht brav, obwohl er sich anfangs wieder davor gefürchtet hatte) und das Eusaprim, das er immer Montag bis Mittwoch entweder als grauslich-künstlich nach Bananen schmeckenem Saft oder als Tablette einnehmen muss bleibt uns erhalten. (Gerade das unangenehmste von all den Medikamenten wird er das ganze kommende Jahr weiternehmen müssen, naja, soll so sein.) Auch die Beta-Isodona-Mundspülung wurde abgesetzt. Aaron darf ab sofort wieder richtig Zähne putzen.

Am Dienstag nahm ich das zum Anlass, mit Aaron gemeinsam eine Zahnbürste kaufen zu gehen. Das erste mal seit letzten Winter durfte er wieder in den Ort, und er durfte sogar mit seinem Laufrad fahren. Ich nahm Simons Roller, Aaron "radelte" stolz hinter mir her, Helm am Kopf, Handschuhe an den Händen. Weniger Medikamente und wieder Zähne putzen, das ist ein Schritt zurück zur Normalität, dachte ich an diesem Morgen. Dann aber kamen mir meine eigenen Gedanken komisch vor, denn das Schlucken der Medikamente war eigentlich bereits so normal geworden, dass es wieder ungewohnt ist, es nicht tun zu müssen. Auch Aaron unterstrich diesen Gedanken, als er fertig angezogen vor der Haustür stand und "Handschuhe!" rief, bevor er sich getraute, sein Rad zu berühren. Für ihn ist es bereits normal geworden, dass er draußen ohne Handschuhe nichts angreifen darf.

Aaron freute sich total über den "Ausflug". "Da gaht's zur Christl!" rief er, als wir an der Abzweigung zur Tagesmutter vorbei fuhren, und "Da kauft die Christl immer Wurst" beim Fleischer. Also stieg ich mit ihm ab und wir gingen seine Lieblingswurst kaufen, was ich allerdings gleich bereute, als mir klar wurde, dass die Fleichhauerin zwar wie gebeten, den Anschnitt weglegt, abe dann doch jedes einzelne Radl Wurst in die Hand nahm, mit der sie danach auch das Geld entgegen nahm. Eigentlich hätte ich Aaron die Wurst nicht geben dürfen, hatte es ihm aber schon versprochen. Also schickte ich ein Stoßgebet zum Himmel und ließ sie ihn essen. Beim Schlecker freute sich die Verkäuferin auch, Aaron endlich wieder einmal zu sehen, und er half mir begeistert, die Sachen zusammenzusuchen, die wir brauchten, zuallererst natürlich zwei neue Zahnbürsten für ihn selbst.

Am Rückweg musste ich noch Geld abheben, und da wir dagei gleich vor Aarons Kindergarten standen, spähten wir ein wenig durch die Glastür in den Garten, wo sich die Kinder aufhielten. Schließlich holte eine Kindergärtnerin Aarons Gruppe an die Tür, damit er sie (und sie ihn) wiedermal sehen konnte. Wie erwartet war dieses Zusammentreffen nicht ganz einfach. Hinter der Tür standen reihenweise Kinder mit aufgerissenen Augen und Mündern, die den Aaron wahrscheinlich kaum mehr erkannten, ohne seine langen Locken, und so schmal im Gesicht, wie er geworden ist, und auf der anderen Seite der Scheibe stand ein stummer Aaron, der mir beim weggehen ganz verzweifelt zuflüsterte: "Ich kenn die Kinder nicht", denn auch sie waren sicherlich größer geworden, und Aaron hatte sie schließlich länger nicht gesehen, als er sie vorher gekannt hatte. Aber nachdem wir das Rad geholt hatten, machten die Kindergärtnerinnen noch die Tür auf und alle Kinder schrien ganz laut "Tschüss Aaaron!" heraus, und auf ein leise noch lauter" der Kindergärtnerin dann "TSCHÜÜÜSSSSS, AARON !!!" Das entspannte die Situation vollends. Aaron grinste über das ganze Gesicht, so freute er sich. Und dieses Gefühl nahm er mit nach Hause. Er wird sich neu intergrieren müssen im Herbst, aber ich denke, er wird es schaffen. Die Kindergärtnerinnen sind sehr bemüht, und auch wenn Aaron im Umgang mit Kindern derzeit sicher schüchtern ist, so hat er doch auch sozial einiges profitiert. Im Spital hat er täglich mit vielen Erwachsenen zu tun, immer wieder neue Gesichter und Namen. Ganz ungeniert fragt er mitlerweile jeden: "Wie heißt du?" Die Personen merkt er sich aber sehr gut anhand dessen, was sie beim letzten Mal mit ihm gespielt oder gesprochen haben. Er weiß zum Beispiel genau, welche Schwester ihm welches Bild auf das Katheder-Pflaster gemalt hat.

Am Mittwoch war dann wieder der EOP bei uns. Die Werte sind weiterhin schön. Nächsten Montag geht's dann wieder los. Lumbalpunktion in der Tagesklinik, und in den darauffolgen Tagen wir die Strahlentherapie losgehen.

Freitag, 11. Juni 2010

sommerliche Pause

Dass ich so lange nichts geschrieben habe, könnt ihr als gutes Zeichen sehen. Wir sind zu Hause und da komm ich einfach sehr selten dazu, den PC einzuschalten.

Am Samstag nach Fronleichnam war Markus mit Aaron nochmals zur Kontrolle im Spital, und am Montag wieder ich. Die Blutwerte sind langsam aber kontinuierlich weiter angestiegen, und der durch die Unmengen von Antibiotika der letzten Wochen wieder sehr hohe Leberwert sinkt auch langsam wieder.

Am Montag musste Aaron wieder einmal eine Ultraschall-Untersuchung über sich ergehen lassen (Wie ihr euch schon denken könnt, ist er auch dabei sehr geduldig und "brav"). Das Ergebnis war sehr erfreulich, die Ärztin konnte endlich keinen Unterschied mehr feststellen zwischen dem Blutfluss in der linken Bauchvene und dem der rechten. Im Jänner hatte Aaron ja eine Thrombose im linken Bein gehabt, und deswegen bekam er in Zeiten, wo die Thrombozyten höher waren, seit dem Lovenox-Spritzen. Meist waren die Thrombos aber recht tief unten, was zwar riskant ist, aber wenigstens den Vorteil hatte, dass er insgesamt nicht sehr oft gestochen werden musste, denn davor fürchtete er sich bis zum Schluss. Nun sind wir die Spritzen endlich los! Und das, obwohl er wieder über 200 000 Thrombozyten hat, dass ist bereits wieder im Normalbereich! Auch das letzte intravenöse Antibiotikum wurde am Montag abgesetzt, weil die Leukos auch schon aus dem riskanten Bereich heraus sind. Am Donnerstag waren es bereits 1990.

Bis zur Strahlentherapie können wir mit einer etwa zweiwöchigen Pause rechnen. Wir müssen jetzt auch nicht mehr jeden zweiten Tag in die Tagesklinik, erst am Donnerstag war der EOP (Externer Onkologischer Pflegedienst) bei uns, und am Dienstag kommt dann wieder eine Schwester zu Blutabnahme und Pflasterwechsel zu uns. Wir sind überglücklich, uns bei der Hitze die Fahrerei zu ersparen, und ich hab gleich im Garten den Pool aufgestellt, für Aaron gibt's außerdem ein kleines Muschel-Planschbecken, das ich bei Bedarf immer neu befüllen kann. Im großen Pool darf Aaron wegen des ZVK zwar (noch!) nicht schimmen, aber er liebt es, auf seiner Luftmatratze zu sitzen und uns anzuspritzen. Den letzten Pflasterwechsel hab ich übrigens eigenhändig durchgeführt, weil bei der Spritzerei dann doch Wasser unter's Katheder-Pflaster gekommen ist. Ich hab das aber so fachmännisch erledigt (Hatte bei dieser Prozedur schließlich schon sehr sehr oft zugesehen, und Beta-Isodona-Lösung, sterile Tupfer und sonstiges Zubehör hab ich zu Hause.) Das von mir (letzten Sonntag) geklebte Pflaster hat dann übrigens so gut gehalten, dass es erst am Dienstag wieder gewechselt werden muss. Außer es wird am Wochenende wieder nass, dann mach ich's eben wieder selber.

Nach meiner langen Abwesenheit dauerte es zwar wieder einige Tage, bis ich die Wäscheberge abgearbeitet hatte, und auch sonst war sehr viel zu tun. Aber seit gestern fühlt sich's fast wie Urlaub an. Wir tanken Kraft für die hoffentlich letzte Etappe, die Strahlentherapie.

Morgen ist unsere SHOW !!!

20h

St.Pölten - Kulturhaus Wagram (Oriongasse 4)

Anfahrtsplan: im Internet gibt es eine Übersicht unter z.B. http://maps.google.at/?q=3100+St. Pölten+Oriongasse 4, oder direkt über die Homepage des Kulturhauses http://www.eventszene.at/location/kulturhaus-wagram?en_id=175424

Solltet ihr noch nicht verplant sein, so kommt und schaut euch das an!

Mittwoch, 2. Juni 2010

aufwärts



2010_06_02

Morgen ist Fronleichnam, und wahrscheinlich darf Aaron morgen heim.

Seit einigen Tagen sind die Blutwerte langsam aber beständig im Steigen begriffen. Heute hatte er knapp über 500 Leukos. (Zur Erinnerung, die "Maske/Mantel-Grenze" liegt in etwa bei 1000, normal sind 5-15 tausend.) Seit gestern sind die Antibiotika-Infusionen gestoppt. Aaron bekommt jetzt wieder jenes Antibiotikum (in den Katheder) gespritzt, das er auch ambulant bekommen kann ('Teiko' od. 'Tagozit'). Wenn es ihm bis morgen damit immer noch gut geht, und wenn die Werte weiter ansteigen, dann darf er heim und muss wieder nur jeden zweiten Tag in die Tagesklinik. Es kann sein, dass die Blutwerte nocheinmal aufhören zu steigen oder sogar noch einmal abfallen, denn er hat jetzt doch eigentlich unerwartet schnell zu regenerieren begonnen, aber ich denke, das wird nicht sein.

Seit gestern Mittag ist Aaron bereits "abgehängt", d.h. er hängt nicht mehr an der Infusion, und er genießt die relative Freiheit. Er darf zwar immer noch nicht aus dem Zimmer raus, aber die Bewegungsfreiheit ist nicht mehr so eingeschränkt. Zum Beispiel wollte er letzte Nacht unbedingt in meinem Bett schlafen, obwohl wir die beiden Betten sowieso zusammengeschoben haben. 3x hab ich ihn hinübergeschoben und er ist protestierend wieder zurückgekommen. Schließlich gab ich auf, und siehe da, trotz Platzmangel schlief auch ich gut. Um ca. 4h früh meinte er dann von sich aus: "Ich geh in mein Bett." Und ich sagte ihm, dass es schön war, ihn bei mir gehabt zu haben. Und das meinte ich ernst, ich hatte es schließlich auch selbst genossen, wiedereinmal so fein mit ihm zu kuscheln, ohne auf irgendeinen Schlauch aufpassen zu müssen. Fast wie zu Hause.

Am Montag Abend war ich bei der Tanz-Probe. Markus blieb derweil bei Aaron im Spital, mein Vater war bis kurz etwa 20h bei den Großen. Miriam hatte am Dienstag Mathe-Schularbeit. Ich war ziemlich sauer, als ich draufkam, dass sie bis nach 21h bei Simon im Zimmer gewesen war zum Fernsehen. Mein Fehler zwar, weil ich das mit meinem Vater nicht besprochen hatte, aber Miriam hätte schon selber wissen müssen, dass sie um 20h in ihrem Bett sein soll und dann noch bis längstens 20h30 lesen darf, weil sie sonst in der Früh wieder Kreislaufprobleme hat, vor allem wenn eine Schularbeit ansteht. Nachdem ich Miriam per Telefon geschimpft hatte, tat sie mir allerdings leid, und so rief ich noch Markus an und bat ihn, nach Hause fahren zu dürfen. Ich Miriam wenigstens am Morgen das Frühstück richten, und sie vor der Schularbeit noch ein wenig aufbauen. Das hat dann auch toll geklappt. Obwohl ich mich noch bis 1h Früh um die Wäscheberge gekümmert hatte, stand ich rechtzeitig auf, um die Kinder zu wecken, und Miriam freute sich total. Aaron war Gottseidank auch nicht allzusehr beleidigt, dass ich erst zum Frühstück wieder kam, und auch Markus hat die Nacht im Spital überstanden, ohne am nächsten Tag am Schreibtisch einzupennen.

Derzeit übe ich täglich hier im Spital meine Choreographien. Ich soll auch bei der neuen Choreographie zu Shakira's "hips don't lie" mittanzen, obwohl ich bei der Hälfte der Proben nicht da war. Eigentlich hab ich den Tanz erst diesen Montag gelernt, und den Schluss kann ich alleine immer noch nicht. Ich klemm mich auf jeden Fall dahinter, nächsten Montag ist bereits Generalprobe. Nur gut, dass wir morgen heim dürfen (hoffentlich !!!) denn ich muss nicht nur üben, sondern mich auch noch um mein Kostüm kümmern. Und zum Frisör muss ich auch noch. Klingt jetzt grad ein bisschen nach Stress, es macht mir aber Spaß und tut mir gut.

Um auf Aaron zurückzukommen; Ich habe heute mit OA Dworzak ein bisschen die Zukunft besprochen. Nach den Bestrahlungen kommt der ZVK (=zentraler Venenkatheder) raus! Danach zuerst wöchentlich, dann nur noch 14tägig Kontrollen.
Das heißt: FREIHEIT IM AUGUST !!!
Markus hat im August wahrscheinlich zwei Wochen Urlaub. Die müssen wir unbedingt genießen, irgenwo hin fahren, Urlaub machen eben. Die ganze Familie.
Heute Vormittag bie der Elternrunde sprach ich mit einer Mutter, deren jetzt 2jähriger Bub im Februar mit der Intensiv-Therapie fertig war. Und jetzt sind sie wieder hier. Rezidiv. Chemo nochmal von vorn, warten auf Stammzellen-Spender, ... Und, sie hatte in diesen drei Monaten keinen Urlaub. Der Kleine hatte so schlecht gegessen, dass sie es nicht wagten, wegzufahren. Jetzt gereut sie das natürlich. Für mich heißt das vor allem eins: Den August genießen!!! Ich freu mich drauf.

Die Erhaltungstherapie (=leichte Dauerchemo) dauert genau ein Jahr, also bis Juli 2011. Während dieser Zeit muss Aaron jeden Abend eine kleine Tablette schlucken, und ein mal pro Monat bekommt er an 4 aufeinanderfolgenden Tagen eine subkutane Spritze. Wie wir das organisatorisch machen, vor allem, weiß ich noch nicht, wird sich aber sicherlich regeln lassen. Seine Angst vor Spritzen wird er dabei allerdings noch abbauen müssen. Bis jetzt brauchten wir nur selten eine Spritze, und das war immer sehr 'aufregend', um es mal sachte zu formulieren.

Auch wir hätten übrigens keinen Stammzellenspender innerhalb der Familie. Sowohl Simon als auch Miriam passen nicht. (Auch das erfuhr ich heute bei dem Gespräch. Ich hatte davor nie nachgefragt, weil das alles eh noch in weiter Ferne lag.) Das ist zwar einerseits keine gute Nachricht, aber andererseits möchte ich es lieber als Omen sehen, dass wir das nie brauchen werden. Aaron wird wieder gesund und bleibt Rückfall-frei, wie fast 3/4 der AML-Kids, die es bereits so weit geschafft haben!