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Mittwoch, 30. Juni 2010

Beginn der Strahlentherapie



Man erkennt an der langen Pause, dass die letzten 1 1/2 Wochen recht stressig waren.
Von Montag, 21. bis Donnerstag 24. Juni bekam Aaron täglich eine Spritze. Dr Diakos hat ihn so gelobt, weil er trotz seiner Angst vor Nadeln so tüchtig war.

Am Donnerstag wurden wir ins AKH geschickt zur Vorbesprechenung mit der Strahlenspezialistin. Unangenehm war, dass wir dort sehr lange warten mussten. Aaron die ganze Zeit mit Maske in einem Gang, wo ständig die verschiedensten Patienten durchgeschoben wurde, und wo's absolut nichts für Kinder zu tun gab. Selber hatte ich keine Spielsachen mitgebracht, weil ich nicht mit der langen Wartezeit gerechnet hatte.
(Wieder zurück im St.Anna warteten nochmals sehr lange auf den Entlassungsbrief, und danach abermals sehr lange auf die Rettung. So kam es, dass wir wiedermal die letzten waren, die die Tagesklinik verließen, obwohl wir in der früh fast die ersten waren, die sich in die Liste eingetragen hatten. Es stand nur ein Name vor Aaron im Buch.)
Aber jetzt zu den wichtigeren Dingen.
Die Strahlen-Ärztin kann ganz toll mit Kindern umgehen. Als wir zu ihr ins Zimmer kamen, fragtee sie zuerst Aaron, was für ein Tier er denn sei, ein Tiger, oder eher ein zahmes Lämmchen, oder doch eher ein kuscheliger Teddybär? Sie machte noch einige Vorschläge, bevor sie sich an mich wandte: "Spricht er nicht?" Ich wollte gerade antworten: "Fremde sieht er sich immer zuerst an." aber dazu kam ich nicht, weil Aaron in dem Moment laut und deutlich "Ich bin ein Löwe!" sagte. Das war gut zu hören, wenn er sich als Löwe sehen kann, dann werden wir das ohne Narkose schaffen. Als uns die Ärztin dann aber so eine "Maske", mit deren Hilfe der Kopf während der Bestrahlung fixiert wird, zeigte, musste ich erst mal schlucken. Unter einem "Ritterhelm" hatte ich mir ganz etwas anderes vorgestellt, und Aaron sich offensichtlich auch. Tatsache ist, dass es sich um eine perforierte Kunststoffplatte handelt, die in warmem Wasser elastisch gemacht wird und dann über das Gesicht gespannt wird, wo sie erkaltet und trocknet und dabei genau die Kopfform der jeweiligen Patienten annimmt. Diese Prozedur stellte ich mir grauenhaft vor. Ich konnte mir gut vorstellen, dass man dabei das Gefühl hat, zu ersticken, und ich hätte mich echt nicht drum gerissen, so was mit mir machen zu lassen. Die fertige Maske sieht aus, als käme sie aus einem weiterentwickelten Terminator-Film. Auch nicht gerade eine nette Vorstellung. Trotzdem musste ich natürlich so tun, als fände ich das Ding einfach toll, total cool, wow, so was möcht ich auch haben, ...
Erst am Abend zu Hause, als Aaron bereits schlief, konnte ich meinen wahren Gefühlen dazu ein bisschen Luft machen. Die Aufklärung über die möglichen Nebenwirkungen war auch nicht gerade angenehm. Mit Aaron am Schoß hab ich mir das nicht anmerken lassen und auch kaum was nachgefragt, aber in Wahrheit hab ich Angst vor dieser Therapie. Als wir das erste mal hörten, "Konzentrationsstörungen" wären eine mögliche Nebenwirkung der Strahlentherapie, war Aaron gerade erst aus der Intensivstation raus, und der Schock über die gefährliche Grunderkrankung steckte uns noch tief in unseren Gliedern, dass sich "Konzentrationsstörungen" dagegen einfach lächerlich anhörten. Jetzt sehe ich die Sache nicht mehr ganz so blauäugig. Aaron ist wieder (so gut wie) gesund. Ich hab ein intelligentes Kind, das die Gabe hat, sich in das was es tut zu versenken. Wenn ihm das durch diese Strahlentherapie genommen würde, so wäre das schon ein nicht unwesentlicher Verlust. Es ist mir auch klar, dass, wenn hier von "Konzentrations-, Merk- und Denkschwierigkeiten", sowie vom "Nachlassen der schlulischen Leistungen" die Rede ist, es sich nicht um eine Lapalie handelt, die sich mit etwas intensiverer Betreuung ausmärzen lässt, sondern unter Umständen um ein echtes Problem.

Vielleicht denken einige von euch jetzt: "Was will sie eigentlich? Das Kind hat schließlich Krebs?!"
Dazu kann ich nur sagen, dass ich nie daran gedacht habe, diese Strahlentherapie icht machen zu lassen, weil ich den Ärzten vertraue und weiß, dass die Risiken von Nebenwirkungen (es gibt noch andere, bis hin zum Hirntumor) erheblich geringer sind als das Risiko eines erneuten Ausbruchs der Grunderkrankung. Es war bloß wiedermal so eine Situation, wo ich mit der Nase draufgestoßen wurde, dass mein Kind nunmal an einer sehr gefährlichen Krankheit leidet, und dass auch die Therapie zur Behandlung dieser Krankheit nicht ohne Risiken sein kann. Ob ihr's glaubt oder nicht, dieses Wissen, obwohl immer da, liegt nicht ständig irgendwo ganz oben in meiner Bewustseinsebene. Normalerweise konzentriere ich mich eher auf die vielen kleinen Erfolge und Lichtblicke. Das "große böse Ganze" wird eher verdrängt.
Zu eurer Beruhigung sei noch gesagt, dass mein Tief am Abend nach diesem Aufklärungsgespräch nicht lange dauerte. Am nächsten Morgen war wieder alles okay, das heißt, ich hatte es wohl einfach akzeptiert, dass es all diese möglichen Nebenwirkungen nun mal gibt, aber auch wieder zu meinem Vertrauen darauf, dass dem Aaron schon nichts passieren würde, zurückgefunden.

Am Wochenende übte ich mit Aaron day Maske ziehen. Ich ließ ihn auf den Küchentisch liegen und zog ihm ein nasses Tuch über das Gesicht, wo er dann liegen bleiben musste, bis die "Maske" getrocknet war, ich formte ihm Masken aus Knetmaske, die wir wechselseitig anprobierten, .. jeden Tag ein bisschen was.

Trotz der spielerischen Vorbereitung hatte Aaron schreckliche Angst, als es schließlich soweit war. Bevor die Ärztin kam, weigerte er sich sogar, sich auf den schmalen Tisch zu legen. Allerdings gab er bei ihrem Eintreffen seine Weigerung ganz schnell auf. Sie sprach ihn in an, und in dem Moment war ihm klar, er macht das jetzt. Beim Ziehen der Maske hat er geweint, aber eigentlich nicht sehr lange, zumindest hat er nicht die ganze Zeit durch gebrüllt, nur eben geweint, und ich hielt ihn zwar fest, aber nicht, weil er etwa versucht hätte, wieder aufzustehen und sich aus dem Staub zu machen, sondern nur um ihn zu beruhigen. Er konnte mich ja nicht sehen, so sollte er mich wenigstens spüren. Nach dieser "Simulation" - es handelt sich um einen Rhöntgen-Apparat. Der Laser wirft ein Kreuz auf die Maske, das nachgezeichnet wird und mit Hilfe der Rhöntgenbilder dann die genaue Einstellung der Bestrahlungsmaschine ermöglicht. Deswegen auch die Masken, damit gewährlleistet ist, dass der Kopf bei jeder Bestrahlung in exakt derselben Position liegt. - nach dieser Simulation also war ich ziemlich "fertig" - Aaron aber war glücklich, denn er durfte jetzt den Tisch und auch noch den Rhöntgenapparat steuern, durfte alle Hebel ausprobieren, woraufhin sich das Gerät durch die Luft drehte, der Tisch rauf und runter fuhr, sich drehte, und vieles mehr. Der Ärztin fiel auf, dass er sich offensichtlich sehr für die Technik interessiert, und dass er schnell begreift. Fast hätte ich gesagt: "Na hoffentlich nachher auch noch!" aber britischer Humor zählt nicht zu meinen Stärken.

Am Dienstag stand wieder Lumbalpunktion auf dem Programm. Nachdem es ihm letzte Woche nicht so gut ergangen war, hatte er diesmal ein bisschen Angst vor der "Schlafmilch", er schlief aber sehr schnell und ruhig ein. Ich hielt ihn im Arm, Stirn an Stirn, er legte seine Hand auf meine Wange und sagte: "Meine Mami..." (sooo süß!!!) und dann war er weg. Auch nach der Narkose ging es ihm gut. Mit noch schwerer Zunge verlangte er schon zu essen und belehrte mich dabei noch, dass ich es ihm doch versprochen hätte, dass er nnach der Schlafmilch wieder essen dürfe (Naja, ich hatte gesagt, "wenn du aufwachst", denn normalerweise schläft er danach gut.) Auf jeden Fall konnte ich ihm nicht länger als 15 Minuten widerstehen, aber es wurde ihm trotzdem nicht schlecht. Nach 30 Minuten war er kaum mehr dazu zu bewegen ruhig liegenzubleiben und vesuchte mir gerade zu erklären, dass er doch noch nie Kopfschmerzen bekommen hätte, obwohl ich mir sicher bin, dass er sich recht gut daran erinnert, dass ihm das einmal passiert ist.

Heute, Mittwoch, 30. 6., fuhren wir zur ersten Bestrahlung. Obwohl Aaron sehr neugierig auf seine fertige Maske war (die Ärztin hatte noch Löcher für die Augen hineingeschnitten) bekam er furchtbare Angst, als er sie aufsetzen sollte. Er weigerte sich auch lange, sich überhaupt auf den Tisch zu legen, nicht einmal das Eintreffen der freundlichen Ärztin konnte ihn dazu bewegen. Immer wieder dirigierte er mich zu dem Foto, das ihn mit der Maske am Kopf auf dem Tisch des Simulators zeigt, und das aufh einem Schirm zu sehen war. Es gab auch noch Mutmach-Medizin in Form von Gummibärchen, aber das Bild war, glaube ich das Wichtigste, woraus er schließlich doch den Mut schöpfte, sich in die Behandlung zu fügen. Ich war sehr sehr froh, dass das gesamte Team so viel Geduld bewies, obwohl sie ihren Zeitplan sowieso schon überzogen hatten. Die Bestrahlung selbst dauerte dann aber wirklich nicht lange. Ich musste ja den Raum verlassen, konnte Aaron aber auf einem Bildschirm sehen und über eine Gegensprechanlage auch hören. Ich las ihm eines seiner Lieblingsbücher vor ("Ist Vinzent wasserscheu?"), aber bevor ich die letzte Seite umgeblättert hatte, war schon wieder alles vorbei.

Das Behandlungstieam war jetzt schon leicht nervöd, erlaubte mir aber trotzdem noch, die Fotos von ihrer Digitalkamera direkt auf meinen Laptop zu kopieren. Ich dachte, dass es eine gute Vorbereitung für den nächsten Tag sei, diese Fotos mit Aaron zu Hause nochmal anzusehen. aaron hatte dazu allerding such eine Idee. Obwohl er sich so vor der Maske gefürchtet hatte, bestand er jetzt darauf, das (furchtbare) Ding mit nach Hause nehmen zu dürfen. Zu Hause wollte er sie wieder nicht gleich aufsetzen, um sie seiner Schwester zu zeigen. Er wartete aber auf einen unbemerkte Augenblicke, um es immer wieder vorsichtig zu versuchen, und am Abend war er dann so weit, dass er sich die Maske auch von mir wieder aufsetzen ließ. Das heißt, er bat mir mehrmals darum, das zu tun. Ich finde es ganz unglaublich, wie genau so einkleines Kind weiß, was es braucht, das Foto im Behandlungsraum, oder die Maske zu Hause. Er arbeitet an sich, mit einer Intensität, an der wir Erwachsenen uns was abschauen können.

Toll fand ich auch noch, dass er sich ohne weiteres bereit erklärte, bei der Heimfahrt im Rettungswagen alleine vorn neben dem Fahrer zu sitzen. Es waren noch andere Leute im Auto, ich musste mich deswegen auf die Trage legen. Aaron störte es überhaupt nicht, dass er mich nicht sehen konnte, er war bloß stolz, dass er auch einmal vorne sitzen durfte, auf dem Platz um den sich seine großen Geschwister so oft streiten.

Ab jetzt haben täglich um 10h Bestrahlungstermin. Zwei mal pro Woche müssen wir außerdem ins St.Anna, einmal - wie morgen - nur zur Blutabnahme, nächsten Dienstag dann nach der Bestrahlung auch wieder zur Punktion.

1 Kommentar:

  1. Hab grad den Eintrag nochmal gelesen - schrecklich viele Tippfehler. Aber jetzt ist es schon wieder so spät, und ich bin zum Ausbessern einfach zu müde. Verzeiht.

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