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Freitag, 11. März 2011

Eingewöhnung

Zwei Nächte hat Aaron jetzt schon auf der 1A verbracht, oder sollte ich sagen: "wir"? Ich hatte es nicht viel anders erwartet. In beiden Nächten bin ich drei Stunden an seinem Bett gesessen. Einmal von halb zwölf bis halb drei, und einmal von halb zwei bis halb fünf. Außerdem hat Aaron mich zwischendurch immer wieder telefonisch geweckt. Ich hab also wenig geschlafen. Und im Ronald McDonald Haus war ich bis jetzt tatssächlich nur zum Schlafen und Duschen, also sehr selten.

Und doch muss ich sagen, dass Aaron total tapfer war.
Am Mittwoch in der Früh war Aaron noch kurz mit im Ronals McDonald-Haus, sodass er sehen konnte, wo ich mein Bett habe. Es war ihm ganz wichtig, zu wissen, in welchem der beiden Betten ich schlafen werde. Nach dem Mittagessen, als es Zeit für unser Nickerchen war, schickte er mich gleich weg, ich solle mich in mein Bett legen, er schläft hier eh allein. Unglücklicherweise ging kurz darauf Baustellenlärm los (St.Anna wird ständig irgenwo umgebaut) sodass er nicht einschlafen konnte.

So ist er an beiden Abenden eingeschlafen, bevor die Nachtschwester Zeit hatte, sich ihm wenigstens vorzustellen. Das lag einerseits daran, dass Aaron zu Mittag nicht geschlafen hatte, andererseits leider daran, dass hier derzeit Personalnotstand herrscht. Von dem erwähnten Betreuungsschlüssel von 1:1 keine Rede. In der ersten Nacht betreute die Schwester drei Kinder und gestern 2, wovon aber das zweite ein "schwieriger Fall" ist (drei Wochen altes Baby).

Wen wird ein kleines Kind rufen, wenn es in der Nacht etwas braucht; die Mama, oder eine wildfremde Person, die es noch nie zuvor gesehen hat?

Die Zeit zum Eingewöhnen ist leider jetzt auch sehr kurz. Klar, das war mein eigener Wunsch, weil auch die Zeit zu Hause für den Aaron sehr wichtig war, und mehr Zeit gab es halt einfach nicht. Heute Nachmittag darf Aaron noch ein letztes mal raus. Er wird mit mir ins Ronald McDonald Haus gehen, und seine Geschwister dort treffen, ein letztes Mal für lange Zeit, denn schon am Samstag beginnt die "Konditionierung" (so hheißt hier der Chemo-Hammer)und Aaron wird in eine sterile Air-flow-Unit eingeschleust (ich dachte, erst am Montag) und Schulkinder dürfen die Station in der Grippezeit gar nicht betreten.

Auch das ist neu. Ursprünglich hieß es, für Simon gäbe es kein Problem, weil er schon 14 ist, und für Miriam mit fast 12 Jahren würde sich schon eine Lösung finden. Dr Mattes hatte beim Gespräch gesagt, Miriam dürfe ihn besuchen, wenn wir ihr versichern, dass sie infektfrei ist. Jetzt macht es nichtmal einen Unterschied, dass ich gesagt habe, die Kinder würden gegen Grippe geimpft werden. "Man kann sich ja auch nicht gegen alles impfen lassen", war das gestrige Kommentar. Wir werden also mit Skype vorlieb nehmen müssen. Wenigstens gibt es das.

Am Montag war ich mit Aaron noch bei einem Bauern aus meinem Heimatort, zu dem wegen seiner Heilkräfte mitlerweise die Leute von weit her kommen. Vor ihm war schon seine Großmutter eine "Kräuterkexe" bei der die Leute Hilfe gesucht hatten, und sicherlich gab es in dieser Familie schon seit unzähligen Generationen Heilkundige. Ich war selbst einmal bei ihm und weiß daher, dass er wirklich eine besondere Gabe besitzt. Aaron fand die Behandlung lustig, und geschadet hat's sicherlich nix. Den komplizierten Kräutertee den er Aaron verschrieben hat, hätte ich mir leider erspaten können zu kaufen, denn den darf ich ihm jetzt ebensowenig geben wie den Kräuterblut-Saft oder die Lebertran-Kapseln. Auf der 2B hieß es noch, Kräutertees müssen 15 min abgekocht werden. Die Schwester hier, die ich zu Beginn fragte, erklärte mir, der fertige Tee müsse in den Desinfektor. Und heute erklärte mir die Ärztin, dass selbst das nicht reicht. Der Hintergrund: Sie hatten hier einmal ein Kind, das an einer schweren Pilzvergiftung starb, der Schimmelpilz war im Tee. Dr Mattes sagte sie hätten dann den Tee nach Vorschrift abgekocht, und wieder analysiert, und der Pilz sei immer noch drin gewesen. Ich verstehe gut, dass sie jetzt da so streng sind. Die Heilkräuter täten ihm sicherlich gut, aber Naturmedizin verträgt sich halt leider offensichtlich gar nicht mit dem, was hier mit den Kindern gemacht wird.

Was hier mit den Kindern gemacht wird, ist medizinisch sicherlich großer Fortschritt, und es bleibt mir ja auch nichts anderes übrig als zu glauben, dass es für Aaron die einzige Chance ist, aber es ist trotzdem eigentlich ein horrender Wahnsinn. Am Mittwoch bei der Anreise war mir ganz entsetzlich schwer ums Herz. Kaum dass wir das Zimmer dekoriert hatten und das Pflegegespräch vorbei war, war's schon wieder Routine, und ich hatte mich damit abgefunden. Heute, angesichts der sehr baldigen Kasernierung, geht's mir wieder nicht so gut.

Falls ihr euch wundert, woher ich jetzt gerade die Zeit nahm, all das zu schreiben: Aaron liegt neben mir im Bett und döst. Mich hat er um halb sechs geweckt und um halb sieben hat er darauf bestanden, dass ich rüberkomme. Jetzt, da er die Sicherheit hat, dass ich neben ihm sitze, holt er den versäumten Nachtschlaf auf - na wenigstens einer. Es ist nicht so, dass er nachts nicht schlafen will, wenn ich nicht da bin. Er kann aber oft nicht schlafen, obwohl er sich hinlegt und die Augen zumacht und sich wirklich bemüht. Ich hoffe, es wird sehr bald besser - bevor es ihm körperlich schlechter geht.

Bei der Pflege war er gestern super-brav. Ich bin im Zimmer gesessen und hab über den Laptop das ersehnte Ferkesl-Stofftier bei Amazon bestellt, die Badezimmertür war offen. Die Schwester hat ihn mit fünf Waschlappen mit Beta-Isodonaseife eingeschäumt, Aaron hat sich abgeduscht, und die Schwester gleich mit. Die hätte dabei gleich zu schimpfen begonnen, hat sich aber gleich wieder eingekriegt, entweder weil Aaron sofort verzweifelt "Entschuldige!" gesagt hat, oder weil ich da war.

1 Kommentar:

  1. http://blog.colette-regensburger.de

    sie macht gerade das selbe durch...

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