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Dienstag, 22. März 2011

Morphium

Alle Kinder hier bekommen Morphium.
Das hat uns die Ärztin schon beim Erstgespräch erklärt. Man beginnt langsam, steigert dann so weit wie nötig und steigt dann langsam wieder aus, wodurch die Kinder keine Entzugserscheinungen haben. Morphium habe eben die geringsten Nebenwirkungen.

Nachdem Aaron heute mehrmals blutig erbrochen hat, und immer mehr über Schmerzen klagte, wurde das Morphium mit einer Minimaldosis gestartet. Die Ärztin erklärte mir, dass es besser wirkt, wenn man rechtzeitig damit beginnt. Gegessen oder getrunken hat er gar nichts, übel war ihm fast den ganzen Tag. Außerdem meinte er ständig, dass ihn Stuhl drückt im Bauch. Ein mal saß er mehr als eine Stunde am Topf, obwohl nur wenige spritzer flüssiger Stuhl kamen. All das sei aber ganz normal, sagte die Ärztin lächelnd.

Um 16h ist er eingeschlafen. Ab 18h bemühte ich mich, ihn erst mit Licht, dann mit immer lauterer Musik aufzuwecken. Um 19h30 schließlich wurde mir Angst und bange und ich hob ihn aus dem Bett, um ihn gewaltsam aufzuwecken. Das Ergebnis waren aber leider nur sehr starke Bauchschmerzen. Man gab ihm Buscopan, und Aaron flüchtete sich wieder in den Schlaf. Heute ist eine neue Nachtschwester da. Mal sehen, wie die Nacht wird.

Aaron war aber nicht nur den ganzen Tag "arm". Wir haben zwischendurch auch mal Wii gespielt, und die Physiotherapeutin war da. Ich hab ihm entlang der Wand eine Bildergalerie mit Fotos von zu Hause und vom Kindergarten gemacht. Wenn er so am Topf saß und sich gleichzeitig übergeben musste, sagte ich manchmal: "Du armer Knopf" aber das gefiel ihm gar nicht: "ICH BIN NICHT ARM!!!"

Wie es weiter geht:

Die neuen Zellen müssen sich jetzt in Aarons Knochenmark einnisten. Gelingt das, wovon wir ausgehen, werden sie in einigen Wochen beginnen, neue Granulozyten zu bilden. Diese können die Mukositis (die offenen Schleimhäute) dann wieder heilen. Bis dahin wird die Mukositis allerdings noch deutlich schlimmer werden. Er wird mehr Morphium bekommen. Die Übelkeit sollte aber bald vorbei sein. Hoffentlich.
Dass in der Zeit der Aplasie (wenn also keine Blutzellen gebildet werden) keinerlei Infektionen dazukommen, ist unwahrscheinlich (aber nicht gänzlich unmöglich - könnte es sein, dass irgenwas auch einfach mal glatt geht??). Die Frage ist allerdings, in welcher Stärke sie auftreten. Er wir sicherlich wieder Unmengen von Antibiotika brauchen.

Was noch mit großer Wahrscheinlichkeit dazu kommen wird, ist die GvHD (Graft versus Host Erkrankung). Das heißt, dass die fremden Lymphozyten Aarons Körper angreifen werden, weil sie ihn als fremd erkennen. Auch hier ist es eine Frage der Schwere dieser Erkrankung. Eine leichte GvHD, wo nur Haut oder Schleimhaut angegriffen wird, wünscht man sich sogar, weil sie ein gutes Zeichen ist, dass auch Aarons Blasten bekämpft werden, wenn sie wiederkommen. Eine schwere GvHD, bei der die Leber angegriffen und "verstopft" wird, wünscht man sich natürlich nicht, denn das ist eine ernstzunehmende Komplikation, die aber heutzutage auch behandelbar ist.

GvHD kann uns unter Umständen noch Monatelang begleiten, bis dann endlich neue Lymphozyten gebildet werden.

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