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Donnerstag, 20. Mai 2010

Heimweh

2010_05_20

Musste heute kurz mal beim Oberarzt weinen - wie peinlich.
Vor ein paar Tagen schon hat mich eine Schwester hier gelobt, ich sei so eine "brave Mama", weil die meisten jammern so, wenn sie nicht auf ihrer Heimatstation sind. Nun, schön langsam bekam ich das Gefühl, dass es vielleicht gar keine so schlechte Idee ist zu jammern, schließlich ist morgen Freitag, wir sind seit Montag auf der 2A und obwohl drüben immer wieder Wechsel waren spricht keiner davon, uns wieder "heim" zu holen. Heute nach der Visiste hat's mir gereicht. Der Stationsarzt hier ist sicherlich kompetent, und ich zweifelte nicht daran, dass er die Vorgehensweise bez. Aaron mit Dr Dworzak abspricht. Allerdings hab ich Dr Dworzak persönlich die ganze Zeit kein einziges Mal zu Gesicht bekommen, und das fehlt mir. Es ist etwas anderes, ob er täglich einen Blick in Aarons Kurve wirft, oder ob er täglich auch noch persönlich hereinkommt, mit Aaron spricht und mich fragt, wie's ihm geht. Als ich heute bei der Visite mit dem Arzt über die Strahlentherapie sprach, wusste der nicht einmal, dass Aaron eine Gehirnhautblutung gehabt hatte und deshalb 18 Bestrahlungen bekommen wird und nicht nur 12. Dr Dworzak muss wegen so etwas nicht in der Kurve nachschauen. Der weiß alles, was mit Aaron war, auswendig, er hat es ja schließlich alles miterlebt. Derzeit betreut das St. Anna zwei Fälle von AML, das ist das Spezialgebiet von Dr Dworzak. Da frag ich mich halt schon, wen, wenn nicht diese beiden, sollte er wohl besonders "unter seine Fittiche" nehmen. Mit solchen Gedanken machte ich mich schließlich, als die Kindergärtnerin kurz bei Aaron war, auf, um auf der 2B nachzufragen, ob sie uns denn nun ganz abgegeben hätten, oder wie, oder was? Dummer Weise kamen mir im Gespräch mit einer ganz lieben Schwester die Tränen, als ich das fragte, und Dr Dworzak fand mich genau so vor, als er von einem anderen Gespräch zurückkam. Mir war das sehr peinlich, aber er hat mich schon verstanden. "Also, jetzt weiß ich (noch besser) Bescheid." sagte er zum Abschluss. Ich denke, entweder, wir dürfen in den nächsten Tagen heim, oder er wird ein Zimmer auf der 2B für uns auftreiben.

Wieder zurück im Zimmer brauchte ich einige Zeit, um mich zu beruhigen. (Ich formte dem Aaron zwei Plastillin-Teddybären um 'runterzukommen'.) Erst danach wurde mir klar, was in mir drinnen vorgegangen war. Es geht um innere Zerrrissenheit. Deren habe ich nämlich eh schon genug, zwischen Zu Hause, Spital und Tagesklinik. Und jetzt auch noch auf einer fremden Station, das ist auf die Dauer ein bisschen zu viel. Ich weiß ja gar nicht mehr, wonach ich mehr Heimweh hab, nach zu Hause oder nach der 2B. Natürlich nach zu Hause, rein rethorisch. Trotzdem. Ich bin gar nicht bereit, mich hier wieder so vertraut zu machen. Jeden Tag hieß es 'bis morgen', und sollten wir länger bleiben, war anfangs eigentlich sonnenklar, dass wir das nächste freie Zimmer auf der 2B bekämen - dachte ICH zumindest. Ich hab kaum was ausepackt, erst heute das vergleichsweise sterile Zimmer mit Aarons Malereien etwas bunter gestaltet, jeden Tag nur für den nächsten eingekauft, ... Wir leben schon genug auf dem Sprung derzeit, finde ich. Das hier ist ein Quäntchen zu viel, und drum hat das Fass halt wiedermal ein bisschen überlaufen müssen. Gut, dass ich weiß, dass es mir eigentlich nicht peinlich zu sein braucht. So ziemlich jede(r) hier hat Verständnis für mütterliche Tränen. Ganz sicher war es gut, mit dem Arzt zu reden.

Aaron hat heute drei mal am Tag eine Kleinigkeit gegessen und getrunken. Durchfälle unverändert. Ob sie uns nach Hause lassen, müssen wohl die Ärzte entscheiden. Allerdings haben wir hier ja nicht mal ein Zimmer mit Schleuse. Dauernd sind die Türen offen und Aaron steckt seine Nase raus. In seinem Zustand (null Immunabwehr) bräuchte er dringend entweder ein richtiges Schleusenzimmer (mit Vorraum), oder eben heim. Er selbst? Will heim. Eh klar.

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