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Mittwoch, 3. März 2010

20. Februar 2010

2010_02_20
Heute Vormittag waren wir wieder im Spital – und durften wieder nach Hause fahren.
Es ist wie ein Wunder.
Aaron marschierte an meiner Hand in die Station und rief ganz laut: „Guten Morgen!“ Die Schwestern waren ganz begeistert von ihm. Er hat jetzt nur noch 800irgendwas Leukos. Ursprünglich dachte ich, wenn es unter 1000 sind, müssten wir wieder drin bleiben. Schon am Donnerstag hatte ich mich gewundert, dass sie uns mit 920 wieder nach Hause ließen. Aber die sonstigen Werte sind gut, keine Entzündung, und vor allem, sein allgemeiner Zustand ist sehr gut. Er hustet eigentlich gar nicht mehr. Er ist fröhlich und wird täglich stärker. Das zu Hause sein tut ihm sichtlich gut. Auch heute war er wieder draußen im Schnee, er trainiert seine Muskeln und seine Lunge. Und auch wenn es schwierig ist, neben ihm auch noch für die anderen Kinder da sein zu müssen, ich bin so froh, dass er wenigstens Geschwister hat, wo er doch überhaupt nicht unter Kinder darf in den nächsten Monaten. Heute Abend hat Markus ein bisschen mit Miriam auf der Couch gerauft, Simon hat Computer gespielt, und Aaron mitten drin, d.h. er hatte sich seinen Hochstuhl zu Simons Computer geschoben um zuschauen zu können und drehte sich immer wieder grinsend zur Couch um. Es wurde gelacht und gescherzt, und es gab wieder so etwas wie Normalität. In solchen Situationen denke ich manchmal, wenn er Haare hätte, könnte man glatt vergessen, dass er krank ist.
Es gibt auch das andere Situationen. Heute war meine Schwester Johanna da. Sie war gekommen, Simon beim „ausmisten“ seines Zimmers zu helfen. Als wir nach Hause kamen, wollte Aaron sie gleich begrüßen, aber Miriam hielt die Badezimmertür zu, damit Aaron nicht reingeht, weil Johanna sich da drin grad erst umkleiden und desinfizieren musste. Auch wollte sie sich zu Aarons Sicherheit noch einen Mundschutz nehmen, bevor sie ihn begrüßte. Er zuckte total aus, weinte und schrie und trommelte gegen die Tür, weil ich ihm zuvor erklärt hatte, dass er sich gleich beim Heimkommen im Bad die Hände waschen solle. Ich selber war noch draußen beim Auto, sollte mich selber auch noch umkleiden und desinfizieren, und hatte deswegen gewollt, dass Miriam dem Aaron beim Ausziehen helfe. Er aber fetzte nur seine Stiefel quer durchs Zimmer und ließ sich von ihr nicht angreifen. Es gibt mehrmals täglich Situationen, in denen er auszuckt. Aber er lässt sich von mir dann auch wieder recht schnell beruhigen, und die Großen sind verständnisvoll. Trotzdem bedeuten diese Situationen für uns alle echt Stress.
Wenn er entkleidet ist, ist das, was er in den vergangenen Wochen erlitten hat auch noch deutlich vor Augen. Das riesige Hämatom, Auswirkung der Blinddarmoperation bei schlechter Blutgerinnung, das seinen gesamten Unterleib überzog, hat sich endlich zurückgebildet, nur am Nabel und in der Leiste sind noch dunkel-violette Reste zu sehen. Die Narbe selbst, ein für den kleinen Bauch unverhältnismäßig groß wirkender „Reißverschluss“, ist schön verheilt, und der Anblick seines Bauches im Allgemeinen scheint Aaron nicht mehr zu beunruhigen. Anders jedoch der ZVK. Wenn Aaron angezogen ist, bewegt er sich völlig normal. Er scheint keine Schmerzen mehr zu haben und das Ding beim Spielen auch völlig zu vergessen. Aber er hat immer noch Angst, sein Leiberl auszuziehen und wagt es erst jetzt langsam, vorsichtig hinunterzuschielen. Ein Blick in den Spiegel war bis jetzt noch nicht drin. Aber immerhin hat er es heute geschafft, sich selber mit dem Waschlappen den Bauch zu waschen, bis zum unteren Rand des Pflasters, und ich durfte ihn sogar vorsichtig unter der Achsel waschen. Er weiß, dass das Ding „Katheder“ heißt, und wohl auch ungefähr, wofür es gut ist (dass da die Medizin in seinen Körper rein und das Blut zur Untersuchung raus kommt), aber er spricht davon meist nur mit „da“ oder über „das Pflaster“. Die beiden eingewickelten Schlauchenden sind die „Bommel“, ein Wort, das eine gewisse beruhigende Wirkung hat, weil die Schwestern ihm immer wieder versichert haben, dass sie zum Blut abnehmen oder Medikament spritzen nur an seine Bommel müssten, das Pflaster aber nicht anrühren würden. Die wunde Stelle am Hals ist vollständig verheilt, eine braun-rosa Narbe.
Jetzt liegt er neben mir im Bett. Vorhin ist er kurz aufgewacht und war verängstig, weil ich nicht bei ihm war. Er ist aber dann schnell und ruhig wieder eingeschlafen. Ich berühre ihn immer wieder um zu spüren, ob er eh kein Fieber hat. Eigentlich sollte ich ihm mindestens 2x täglich Fieber messen. Ich hab das bis jetzt aber noch nie getan, weil ich mir zutraue, durch Berühren alleine sofort zu bemerken, sollte er fiebern. (Unser Stirnthermometer ist so unzuverlässig, dass mein Gefühl tatsächlich verlässlicher ist.) Sollte er fiebern, so müssen wir (Tag oder Nacht) sofort auf der Station anrufen und wohl auch gleich hinein fahren. Mit 800 Leukos (statt 10 000) ist seine Immunabwehr so gut wie nicht mehr vorhanden. Jeder kleine Infekt könnte schnell gefährlich werden, sodass jede Stunde zählt.
Geschlafen habe ich gut letzte Nacht. Ich wache jetzt viel seltener auf als im Spital. In den ersten beiden Nächten in unserem gewohnten Bett hat Aaron sich ganz eng an mich gekuschelt, sodass ich immer weiter rutschen musste, um überhaupt noch Platz zu haben. Gestern wollte er das erste Mal wieder in seinem eigenen Bett schlafen. (Sein Bett ist immer noch die Babykoje, die ich damals für Miriam gebaut habe, drei Seitenteile, die offene Seite schließt nahtlos an mein Bett an.) Irgendwann in der Nacht war er dann traurig/ängstlich und ist wieder zu mir unter die Decke geschlüpft.

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