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Dienstag, 2. März 2010

Klinik-Alltag und Besuche


2009_02_09
Der Sonntag verlief ganz angenehm. Johanna und Arno kamen etwa um 11h. Als sie sich verabschiedeten sagte Aaron dauernd zu Johanna: „Wann kommst du wieder?“ Das sagt er zu jedem Besuch der geht. Er liebt es, Besuch zu haben. Die Kinder und Markus kamen kurz nach 14h, zogen sich um und blieben eine gute Stunde bei Aaron. Danach sind wir zu Fuß zur Lugner City marschiert, Simon und ich haben unterwegs Kebab gegessen, Miriam wollte nur dann im Kino Popcorn. Wir sahen Avatar (irgendwas mit „Pandorra“) in 3D, ein Film, der sehr gut angekommen ist. Er war auch wirklich gut. Und diesmal war es nicht so, dass ich die Realität derweil total vergaß und nachher wieder schmerzvoll zurück plumste. Ich hab mich mit der Realität versöhnt, sozusagen. Sie ist für mich jetzt einfach real. Kein Traum mehr. Es war einfach wie sonst auch im Kino. Die 3D Brille war etwas nervig. Zuerst war mir das Sichtfeld zu klein, und später drückte mich ihr Gewicht einfach ziemlich auf die Ohren. Beim Rausgehen aus dem Kinosaal (nach abnehmen der Brille) musste ich mich erst wieder an die reale 3D-Sicht gewöhnen. Irgendwie war dem, was mein Gehirn an Bildverarbeitung lieferte zuerst nicht ganz zu trauen. Offensichtlich hatte sich mein Gehirn auf das künstliche 3D eingestellt, sodass es mir dann schon normal vorkam, aber es entspricht halt doch nicht der Realität, sodass sich das Gehirn danach wieder umstellen muss, um die Wirklichkeit in gewohnter Weise zu sehen.

Und gestern? Was war eigentlich gestern?
Ach ja. Mein Vater kam ca. um 10h zu Besuch, und Aaron turnte grad so ausgelassen im Bett herum, dass er kaum krank wirkte. Seine körperliche Verfassung bessert sich wirklich von Tag zu Tag. Heute (Di) haben wir eine zweite Bodenmatte bekommen, und Aaron marschiert schon recht tüchtig im Zimmer herum, auch ohne anhalten. Ich hab das halbe Zimmer umgestellt um für die zweite Matte Platz zu schaffen, aber es rentiert sich. Der Tisch war sowieso die ganze Zeit im Weg, ich hab schon etliche blaue Flecken deswegen, und jetzt ist auch genug Platz zum am Boden Spielen, rumkugeln, (vorsichtig) raufen, Ball spielen, …

Gestern mussten wir auch zum EKG. Bevor die 2. Chemo startet, wollen die Ärzte alles noch mal durchchecken. Aaron hatte beim Runterfahren Angst vor dem Lift, also musste ich ihn am Rückweg über die Stiege tragen. Am Abend kam wieder Markus. So richtig entspannen konnte er sich auch diesmal nicht.

In der Nacht von Mo auf Di habe ich nicht viel, und vor allem nicht gut geschlafen. Aarons Sauerstoff-Sättigung schlug ständig Alarm, bis uns die Schwester schließlich einen Trichter zur Sauerstoffzufuhr brachte. Ich achtete dann ständig darauf, dass Aaron den Trichter auch wirklich vor dem Gesicht hatte, denn sobald er sich wegdrehte, schlug es schon wieder Alarm. Natürlich machte ich mir auch große Sorgen, hatten wir doch seit der Extubation keinen Sauerstoff mehr gebraucht. Trotz häufigen Inhalierens eines Medikaments (Sultanol) ist Aarons Husten allerdings auch nicht besser geworden. Er ist stark verschleimt. Wenn er konzentriert spielt, keucht er richtig beim Atmen, und auch nachts atmet er schwer. Natürlich machte ich mir große Sorgen. Um 6h früh, Aaron war wach und atmete normal, und die Messung zeigte immer noch unterdurchschnittlich an, montierte ich den Sensor von der Zehe ab und probehalber auf den Daumen, und da hatte er 97 oder 98% Sättigung. Ich war mehr erleichtert, als ich mich über die nächtlichen Störungen ärgerte. Aaron wollte schon ein Naii, und die Schwester nahm auch gleich noch Blut ab. Danach schliefen wir aber noch einmal kurz aber gut ein, bis uns die Schwester weckte, weil wir um 8h früh schon den Termin zum EEG hatten. Ich musste Aaron 3 Stockwerke hinunter und dann wieder ein Stockwerk hinauf tragen um dorthin zu gelangen, denn mit dem Lift will er nach wie vor nicht fahren. Retour dasselbe wieder, nur umgekehrt, natürlich. Beim EEG war’s sehr nett. Sie haben ur-viele Sachen von der Decke baumeln und sie zeigte Aaron auch ganz viele Spielsachen, damit die Zeit schneller vergeht. Dumm war nur, dass er nichts angreifen durfte.

Am frühen Nachmittag wurde Miriam von Erika hergebracht. (Ich ärgerte mich, weil sie sich so anstellte, den Weg vom Portier zu mir auf die Station nicht zu finden, dass Erika schließlich mit ihr ausstieg.) Ich kochte ihr Nougat-Taschen, die sie bis zur letzten verputzte, dann musste ich mit Aaron noch einen „Ausflug“ machen, Lungen-Röntgen. Aaron muss jedes Mal, wenn er das Zimmer verlässt, eine Maske aufsetzen. Wieder musste ich ihn in den Keller tragen – kein Lift! Und als wir den Raum mit dem riesigen Röntgen-Gerät betraten, bekam er solche Angst, dass ich schnell mit ihm wieder drei Schritte rückwärts zur Türe hinaus ging, um ihm kurz Zeit zu geben. Nachdem wir ihm das Gerät erklärt und gezeigt hatten, setzte er sich jedoch ohne Probleme auf ein kleines Podest und ließ die Prozedur über sich ergehen. Als wir wieder oben ankamen, war Susi schon da. Sie wollte mich ablösen. Ich hatte mir einen Frisör-Termin ausgemacht. Der hat ziemlich lang gedauert, ich hab mir die Haare ganz kurz schneiden lassen und blond färben, was toll geklappt hat, richtig schön blond mit leichtem rötlichem Schimmer. Aaron fand’s lustig. Ich find’s erfrischend. Sogar Miriam schien es zu gefallen, und – ja – dem Markus auch. Aaron schaut übrigens jetzt gut aus. Er hat fast 17kg (wir kamen mit 15,5), hat wieder Grübchen, wenn er lacht, und auch die Wangen sind wieder rosig, weil sich das Hämoglobin so schön erholt hat. Mir ist schon klar, dass das alles in einer Woche wieder ganz anders aussehen wird (die Kinder werden zwischendurch „aufgepäppelt“, damit sie die Chemo danach besser überstehen), aber es freut mich trotzdem.
Morgen muss Aaron zur Lumbal-Punktion in den OP – kurze Narkose. Er bekommt wieder Zytostatika ins Rückenmark gespritzt. 6 Stunden später beginnt die Infusion der Zytostatika. 5 Tage, höchstmögliche Dosierung. Danach werden die Leukozyten auf dem Nullpunkt sein, auch die Roten Blutkörperchen und die Thrombos werden stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Gefahr von Infektionen und Blutungen wieder akut. Sonstige mögliche Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, wunde Schleimhäute (Mund – Rachen – Speiseröhre) wunder Po, … In der Zeit der Chemo muss ich mir Handschuhe anziehen zum Wickeln, und auch sein Schweiß (er schwitzt nachts extrem stark) wird so aggressiv sein, dass ich aufpassen soll. Na Bravo! Angst hab ich eigentlich nur vor den Infektionen und Blutungen, denn die können tödlich sein oder schwere Gehirnschäden nach sich ziehen. Alles andere werden wir überstehen. Durchhalten ist da die Devise. Aber es nützt ja sowieso nichts. Die Ärzte wissen aus jahrzehntelanger Erfahrung, dass die Chemo in dieser Intensität notwendig ist, dass die Krebszellen sonst wieder kommen. Sie kennen auch genau die Risiken, und sie haben eh lang gewartet. Jetzt wird es einfach Zeit, weiter zu machen. Es muss sein.

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