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Dienstag, 19. April 2011

Tag 29 - toller Tag

Nachdem ich in der Nacht erst um 5h wieder hier raus kam, übernahm heute mein Mann den "Frühdienst" und blieb auch am Vormittag bei ihm. Ich schlief fast bis halb acht, duschte gemütlich und frühstückte mit meiner Tochter. Danach war noch einkaufen, Betten frisch beziehen und Wäsche abnehmen angesagt, und schließlich richteten wir uns ein Mittagessen. Markus kam kurz nach 11h, als die Musiktherapeutin bei Aaron war, wir aßen zusammen und ich bin jetzt seit halb eins bei Aaron.

Für Aaron war das ein ganz toller Vormittag. Er war nur ein keines bisschen traurig, dass die Mama nicht da war, denn der Papa hatte den ersehnten Cowboyhut von zu Hause mitgebracht. Onkel Lukas, der gestern Abend zu Besuch war, besitzt nämlich einen coolen Känguru-Leder-Hut im selben Schnitt und da wollte Aaron natürlich auch gleich so einen.

Ganz glücklich berichtete mir Schwester Kathi über den Spaß, den Aaron beim Duschen gehabt hatte. Markus hatte mir schon gesagt, dass Aaron sehr lustig war und viel herumgespritzt hatte. Die Schwester erzählte noch folgendes: Schon vor dem Duschen war er so lustige gewesen, hat sich selber ausgezogen, sein Gewand voller Freud quer durch's Zimmer geschossen, und ist nackig herumgehüpft. (Es macht ihm immer Spaß, wenn er was auf den Boden werfen darf, denn sonst ist das ja streng verboten.)Zum Duschen hat sich die Schwester die Hose unterm Mantel hoch gezogen, nur Badeschlapfen ohne Socken getragen, und Aaron durfte nach Herzenslust im Wasser herumstampfen und alles anspritzen. Beim nächsten Mal käme sie im Badeanzug, meinte sie fröhlich grinsend. Ihr könnt euch denken, wie mir diese Schilderungen gut getan haben. Als ich ihn das letzte Mal duschen sah, war's noch lang nicht so lustig. Da merkt man einfach, dass es ihm wieder viel viel besser geht. Auch nach dem Duschen war er noch fröhlich und marschierte noch im Zimmer umher.

Um 13h, als Kathi ihn wieder an die Infusion hängte, brauchte er diese allerdings auch schon recht dringend. Das Morphium ist ja doch noch nicht ausgeschliffen, und wenn er zu lang ohne ist, bekommt er Entzugserscheinungen. Er war natürlich auch sehr müde. Im Bett kniete er sich versehentlich auf den Schoko-Osterhasen, den Lukas und Susi gebracht hatten und wollte den dann sofort essen. Allerdings tat ihm das nicht gut. Erst brannte die Schokolade im Hals (wodurch mir schon klar ist, woher das Blut im Erbrochenen sein wird), dann wurde ihm schlecht. Das war leider ein Dämpfer in seiner Osterfreude.

Wenigstens hat er danach gut geschlafen. Im Schlaf hat jetzt auch wieder 38,2° Temperatur. Das hatte er in den letzten Tagen öfter, vor allem abends. Wird wohl von den vielen neuen Zellen sein, die die Mukositis (Wunde Stellen im Verdauungstrakt) heilen. Natürlich weiß man nie, ob's nicht auch eine Infektion sein könnte, deshalb sind die Ärzte sehr vorsichtig, aber so sieht's ehrlich gesagt nicht aus.

Es wird sogar daran gedacht, dass Aaron bald mal hier raus darf - zu mir ins Ronald McDonald Haus. Vielleicht schon am Wochenende. Das kommt erstens auf den Virus-Befund an, den wir morgen erwarten, und zweitens natürlich, wie's ihm bis dahin geht. Ich freu mich auf jeden Fall schon riesig. Ist schon klar, dass damit noch lang nicht alles vorbei ist, aber wenn wir mal diese lange Phase des eingesperrt seins hinter uns haben, ist schon viel geschafft.

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spät abends:

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Nach dem Nachmittagsschläfchen war Aaron gleich wieder fröhlich. Er aß zwei winzige Bissen Palatschinke und trank 50ml (!) warme Milch dazu. Tante Vroni löste mich ab, und als ich wiederkam war Aaron schon wieder richtig aufgekratzt. Lukas und Susi kamen nochmal auf Besuch, Aaron wurde noch einmal abgehängt, hängte sich seinen Rucksack um und ging im Zimmer auf Wanderschaft. Er bestellt sogar noch etwas zu essen. Es gab Risibisi mit Brathendl-Saft. Davon aß er sicher so 10-12 Löffelchen. Bald danach klagte er allerdings wieder Übelkeit, und trotz Paspertin musste er das ganze Abendessen kurz vor dem Einschlafen dann doch noch erbrechen. "Jetzt hast du so einen tollen Tag gehabt, und dann muss der so enden", meinte eine Schwester mitleidig. Aber Aaron ist die Speiberei schon sogewöhnt (eigentlich speibt er ja seit er sich erinnern kann), ich glaube nicht, dass er sich dadurch den schönen Tag verderben lässt. Der Magen ist es halt auch gar nicht mehr gewöhnt, dass man da was einfüllt. Übrigens war diesmal wenigstens kein Blut dabei, einfach Reis, Erbsen und Schaum.

Nachher war ihm bald besser. Der Schnulli ist schon wieder im Mund, und die Lehne habe ich auch schon ein wenig flacher gestellt. Er schläft schon, aber noch nicht besonders tief.

Some more good news:
Durch die Reduktion des Morpiums braucht er ab sofort auch nachts keine EKG-Kabel mehr, nur die Sauerstoff+Puls-Messung an der Zehe. Sauerstoff hat er jetzt schon seit zwei Nächten keinen mehr gebraucht! Der Bauchumfang betrug gestern 65, heute 63 cm. Außerdem hat er an Gewicht abgenommen, heute endlich wieder unter 20 kg, das angesammelte Wasser schwindet langsam aber sicher aus seinem Körper. Die VOD ist so gut wie überstanden. Die Haut ist wieder schön. Hier und da löst sich noch abgestorbene, braune Haut, und die Flecken im Gesicht, die gestern als beginnende GVHD (graft versus host disease, wo die fremden Lymphozaten auf seine Haut losgehen) diagnostiziert wurden, sind heute schon wieder blasser geworden. Eigentlich wäre so ein bisschen GVHD ja wünschenswert, weil sie als Vorsorge gegen die Leukämie gesehen wird, aber schlimm ist das sicherlich nicht. Der Kleine von gegenüber, der jetzt zum 2. Mal transplantiert wurde, hatte eine ganz schlimme GVHD, und trotzdem ist die Leukämie wiedergekommen. Man weiß es also sowieso nie.

Es sieht also derzeit wirklich alles nach Besserung aus! Und ich merk wieder - es geht vorbei.

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